Im Kino: Gesetz der Straße:Straßen der Verdammnis

Drei Cops im finsteren Brooklyn, alle drei in einem schrecklichen Dilemma. Eine krude Melange aus Sex, Gewalt und Rassenhass zeigt die Krise der amerikanischen Männlichkeit.

Hans Schifferle

Ein Beginn, der dem Zuschauer gleich den Boden unter den Füßen wegzieht. Zwei Männer nachts in einem Auto. Sie reden über Moral und Verstrickung. Der eine ist Polizist, der andere ein Gauner und Informant. Am Ende des Gesprächs wird der eine tot sein. Und der andere wird sich in einem fiebrigen Zustand jenseits der Verzweiflung befinden. In diesem Anfang von Beckettscher Wucht und Absurdität heben sich bereits die Grenzen auf zwischen Polizist und Gangster, zwischen Ordnungsmacht und Chaos.

Ein großer Sünder, ein gekreuzigter Antiheld

Drei Geschichten erzählt Antoine Fuqua in seinem dramatischen Polizeifilm Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest, von drei Cops, die auf ganz unterschiedliche Weise ihren Dienst tun in den finsteren Straßen von East Brooklyn. Jeder dieser Männer befindet sich in einem schrecklichen Dilemma, sie bilden gleichsam ein Triumvirat der Verdammnis.

Da ist einmal Sal, eindrucksvoll gespielt von Ethan Hawke, seit dem gemeinsamen Film Training Day ein enger Freund des Regisseurs Fuqua. Sal ist Mitglied eines Spezialkommandos der Drogenbekämpfung. Er ist ein harter Krieger und strenger Katholik, ein großer Sünder und "gekreuzigter" Antiheld. Auf seinem Körper sind unzählige christliche Symbole tätowiert - wie ein Kainsmal. Während sein Arbeitsplatz einem Hexenkessel gleicht, ähnelt sein Heim, in dem er mit seiner Frau (Indie-Actrice Lili Taylor in einem ihrer selten gewordenen Auftritte) und vielen Kindern lebt, einem Grab. Sal will raus aus dem Elend, die Kohle der Gangster, mit denen er jeden Tag konfrontiert ist, wird ihm zur Versuchung und zum Verhängnis.

Seine Identität hat er längst verloren

Dann gibt es noch Tango, dargestellt von Don Cheadle, der in letzter Zeit oft den farbigen Mann in der Krise gibt. Er ist als Undercover-Cop in der Unterwelt tätig und hat dabei längst seine Identität verloren. Im Grunde fühlt er sich schon den Gangstern, besonders dem loyalen und charismatischen Drogenbaron Caz, näher als seinen korrupten, karrieresüchtigen Vorgesetzten. Besonders schikaniert ihn eine toughe Agentin, härter als alle Männer gespielt von Ellen Barkin.

Die dritte Episode dreht sich um Eddie, einen gewöhnlichen Streifencop, den Richard Gere verkörpert in seiner vielleicht ersten großen Altersrolle. Sein Eddie hat nur noch wenige Tage bis zur Pensionierung, deshalb schaut er bei Provokationen und Verbrechen einfach weg. Morgens jedoch spielt er in seiner desperaten Einsamkeit russisches Roulette. Abends sucht er Trost bei einer schönen Polizeihure, die ihm eine Fellatio zelebriert, während er ihr von all den Greueln erzählt, die er als Cop erlebt hat. In der Liebe zur Dirne sieht Eddie einen Ausweg aus der Hölle von Brooklyn. Natürlich wird er gedemütigt, der alte melancholische Idiot. Aber in seinem Gesicht blitzt auch eine naive und vitale Jugendlichkeit auf. Gere, der der American Gigolo war und der Millionär in Pretty Woman, lässt hier indirekt seine ganze Karriere Revue passieren.

Den Kosmos der Unordnung versuchen Fuqua und Drehbuchautor Michael C. Martin mit einer starren narrativen Konstruktion einzufangen. Sie stellen das Einzelschicksal in den Kontext des "großen Schicksals", das oft nichts anderes ist als die Machenschaften von Machtsystemen, bei Polizei oder Unterwelt. Ein wenig episches Theater à la Brecht und ein wenig absurdes Drama mischen sich da ins amerikanische Kinohandwerk, so wie man es auch von Tarantino kennt.

Ein Endspiel in jeder Beziehung

Aber Fuqua verlässt sich nicht nur auf Dialoge mit anschließenden Gewalteruptionen. Er ist besonders gut in der Beschreibung des Schauplatzes - selten hat man New York so schmutzig und trostlos und vor allem so belanglos gesehen, East Brooklyn als glanzlose Trabantenstadt. Und wie schon bei seinen Filmen The Replacement Killers oder Training Day zeigt er in einer kruden Melange aus Sex, Gewalt und Rassenproblematik eine Krise der amerikanischen Männlichkeit auf - ein Machismo-Experte, vielleicht sogar ein schwarzer Enkel des verwegenen amerikanischen Gesellschaftskritikers Robert Aldrich.

Am Ende gibt es keine Erlösung, nur ein Endspiel in jeder Beziehung. In einem tristen Wohnblock laufen die Fäden der drei Storys zusammen. Nur einer scheint die Gewalt zu transzendieren. Richard Gere versucht in einer bizarren Szene, die an John Fords legendären Western The Searchers erinnert, Frauen aus dem Dickicht der Stadt zu retten. Ein alter Mann, zärtlich, illusionslos und endlich überlegt.

BROOKLYN'S FINEST, USA 2009 - Regie: Antoine Fuqua. Buch: Michael C. Martin. Kamera: Patrick Murguia. Mit: Ethan Hawke, Richard Gere, Don Cheadle, Wesley Snipes, Will Patton, Lili Taylor, Ellen Barkin. Kinowelt, 132 Min.

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