Süddeutsche Zeitung

Im Kino: "Fright Night":Der Vampir von Vegas

Geil und gnadenlos - so spielt Colin Farrell den Untoten aus dem Nachbarhaus. Wie ein Tier jagt er im Film "Fright Night", einem Remake des gleichnamigen Horrorklassikers von 1985, nach weiblicher Beute.

Fritz Göttler

Schulbänke bleiben leer beim morgendlichen Appell, vor immer mehr Häusern stecken Pflöcke mit den Zu-verkaufen-Schildern im Boden. Menschen verschwinden, die Stadt - es ist Las Vegas - leert sich. Ein paar Eingeweihte wissen, wer dahinter steckt - ein Vampir, der geil ist und gnadenlos und keinen entkommen lässt. Er ist der Hai in "Jaws", wird von ihm gesagt, er lauert, schnappt sich seine Beute, verschlingt sie ...

Colin Farrell ist der heiße Hai, der Vampir von nebenan, und er kombiniert genüsslich und genial die James-Dean-Manier mit leichter Altersmüdigkeit. Die Monster im Nachbarhaus sind besonders schwer zu bekämpfen, keiner will dir glauben, wenn du ihn warnst, und du machst dich fürchterlich leicht lächerlich. Colin Farrell ist Jerry, den der junge Charlie (Anton Yelchin) nachts im Garten arbeiten sieht, und manchmal kommt er rüber und versucht Charlies Mutter ein freundliches "Kommen Sie doch rein" herauszulocken - nur auf eine ausdrückliche Einladung hin darf ein Vampir eine Hausschwelle übertreten!

Ein Hausmärchen aus der Disney Factory, Remake des gleichnamigen Films von Tom Holland, 1985, Regie führt diesmal Craig Gillespie, dem wir Lars und die Frauen verdanken. Fright Night ist gespenstisch und grausam, aber auch wirklich komisch - die Stars des Horrorkinos stecken ja immer einen halben Schritt schon in der Selbstparodie, von Bela Lugosis Dracula bis zum Twilight-Pattinson.

Farrell hat da keine Probleme, er ist ja gar nicht das Böse, er ist reine Natur, ein Tier. Er ist animalisch und sexy, in seinem Leibchen - in der Wüste sind auch die Abende mild -, man meint ihn Witterung aufnehmen zu sehen, selbst wenn er von den Frauen bloß spricht. Deine Mutter kommt mir vernachlässigt vor, sagt er zu Charlie Brewster, und deine Freundin, die ist rrreif ... Er brummelt, zuckt unmerklich mit Nase, Augenbraue, Mundwinkel, lüstern und ungeniert: Da würde mancher sein Leben geben, um sie zu pflücken.

Bilanz des American Dream von heute. Eine Familie, in der ein Vater fehlt, eine Stadt, die nicht zum Ansiedeln gedacht ist, zur Häuslichkeit. In den Schimären der verfehlten Träume und der unerfüllbaren Wünsche ist der Vampir das einzig Wirkliche, seine Lust, sein Pragmatismus. Schließlich sprengt Jerry Charlies halbes Haus in die Luft. Wo keine Tür ist, ist kein Haus, und wo kein Haus ist, braucht's keine Einladung.

Regie: Craig Gillespie. Buch: Marti Noxon. Kamera: Javier Aguirresarobe. Schnitt: Tatiana S. Riegel. Mit: Anton Yelchin, Colin Farrell, David Tennant, Toni Collette, Imogen Poots, Christoper Mintz-Plasse, Chris Sarandon. Disney, 106 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2011/anbo
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