Im Kino: Eclipse:Die süße Qual der Aussichtslosigkeit

Die Hysterie und die Verkaufszahlen wachsen immer weiter und alle zermartern sich das Hirn, warum: Um Vampirismus geht es schon mal nicht in "Eclipse - Bis(s) zum Abendrot".

Tobias Kniebe

Natürlich darf so ein Phänomen nicht unerklärt bleiben - wie alles, was die Jugend heute massenhaft treibt. Kein Trendforscher, Welterklärer, Psychologe oder Semiotiker würde es heute noch wagen, achtlos an solchen Manifestationen der Teenager-Psyche vorbeizugehen. Alle, Feuilletonisten eingeschlossen, sind an der Sache dran, lassen nicht locker, zermartern sich die Hirne und zaubern These um These aus dem Hut.

Aber es reicht nicht. Die Hysterie und die Verkaufszahlen wachsen immer weiter, und die Verfilmung ist jetzt erst beim dritten Teil angelangt. Da kommen noch zwei. Mindestens.

Der Vampir als Außenseiter, Rebell, als Freak und als Lustentfessler, als Symbol für die Gefährlichkeit des Sex und für die Wonnen der Enthaltsamkeit - alles schon durch. Die Aristokratie einer neuen, alabasterweißen, auf Tierblut umgestiegenen Selbstbeschränkungs-Elite, das uralte Standesbewusstsein des Cullen-Clans als Zufluchtsort einer haltlosen Broken-Home-Society - auch längst abgehakt. Ja, selbst die vorbereitende Einübung in die Unsterblichkeit und ihre Dilemmata, die eine biotechnisierte und genmanipulierte Zukunft mit sich bringen soll - sie ist längst als mögliche Erklärung für den Massenerfolg herangezogen worden.

Aber irgendwie bleibt doch das Gefühl, nichts verstanden zu haben. Irgendwie reicht das alles nicht dorthin, wo sich aus dem Grund der Mädchenseele explosionsartig dieser millionenfache, ohrenbetäubende Entzückensschrei entlädt.

Also mal angenommen, es geht hier gar nicht wirklich um Vampirismus. Genauso wenig wie es in Denn sie wissen nicht, was sie tun um gefährliche Autorennen oder Messerstechereien ging, oder in Dirty Dancing ums Tanzen. Vielleicht ist dieses ganze Vampirding doch eher ein ziemlich mechanisches Storykonstrukt, das an den Kern des Phänomens gar nicht heranreicht.

Dafür spricht, dass es im neuen Film Eclipse - Biss zum Abendrot mindestens genauso viel um Werwölfe geht wie um Vampire, und im Teil davor war das eigentlich auch schon so. Man könnte also ganz tief in die Mythengeschichte des Werwolfs einsteigen und untersuchen, was ihn nun wesenhaft mit dem Vampir verbindet - oder trennt. Man könnte es aber auch hübsch bleiben lassen.

Denn möglicherweise ist da einfach nur ein achtzehnjähriges Mädchen am Ende seiner Highschoolzeit, dass ein bisschen scheu und äußerlich eher unauffällig ist, aber mit geradezu welterschütternder Entschlossenheit von den beiden heißesten Jungs der Kleinstadt Forks begehrt wird: von Edward, dem Vampir (Robert Pattinson), und von Jacob, dem Werwolf (Taylor Lautner).

Wie Jungs eben manchmal so fixe Ideen entwickeln, die sich weder aus gängigen Schönheitsidealen noch durch eine nüchterne Analyse der im Umkreis verfügbaren weiblichen Sexualpartner schlüssig erklären lassen. Das muss dann Schicksal sein. Seelenverwandtschaft. Oder unsterbliche Liebe. Das Mädchen, Bella Swan sein Name, ist praktisch ohne eigenes Zutun ins Zentrum dieser Dreiecksgeschichte gerückt, es hat dafür weder leichtfertig geflirtet noch etwas Besonderes geleistet, und dort steht es jetzt im Schnittpunkt dieser beiden Begehren wie ein Reh im gekreuzten Lichtkegel zweier Suchscheinwerfer. Es ist schwer geblendet, es ist verwirrt, und es hat die Wahl.

Vampir oder Werwolf

Besser kann man Glück kaum definieren, wenn man ein weiblicher Teenager ist. Mit dieser Intensität begehrt, mit dieser Entschlossenheit beschützt zu werden! Vor dem Problem zu stehen, sich solcher Aufmerksamkeit als würdig zu erweisen - und sie doch nicht unlauter auszunutzen, was ja nun wirklich verabscheuungswürdiges Bitchverhalten wäre... vielleicht ist es wirklich nicht komplizierter als das.

Und vielleicht kommt es tatsächlich gar nicht darauf an, dass der eine Junge nun ein Vampir und der andere ein Werwolf ist - mal ehrlich, wie wahrscheinlich wäre diese Konstruktion, würde man sie ernst nehmen? Es reicht doch völlig, dass diese beiden Verehrer ein Geheimnis haben, dass sie herrlich gemeißelte Backenknochen (Pattinson) oder aufreizende Brustmuskeln (Lautner) vorweisen können - und dass sie über Gaben und Kräfte verfügen, von denen andere Jungs nur träumen.

Das macht ihr Begehren so besonders - der Rest ist Drumherum, ist ein mühsam gezimmerter Spannungsbogen, wo fremde und böse Vampire es mal wieder auf Bellas Hals abgesehen haben, weshalb die guten Vampire und die Werwölfe zu ihrer Verteidigung zähneknirschend zusammenrücken müssen.

Keine Ahnung, ob die Autorin Stephenie Meyer, die Multimillionärin im Stand mormonischer Hausfrauen-Unschuld, das Zentrum ihrer ganzen Erzählung bewusst so leer gelassen hat - oder ob ihr das eher unterlaufen ist. Bella Swan jedenfalls reagiert genauso überfordert, normal, durchschnittlich ehrenwert und durchschnittlich schwach, wie jedes Mädchen reagieren würde, das plötzlich auf ihren Platz gestellt wäre. Die vielbeschworene Keuschheit der Serie könnte ihr zum Beispiel gestohlen bleiben - es ist Edward, der hier auf altmodischen Prinzipien beharrt. Die Filme wissen, warum das so sein muss, und sie machen eine eigene Kunst daraus.

Das Glück bleibt unerreichbar

Die Schauspielerin Kristen Stewart nutzt ihr gar nicht unerhebliches Talent, um einerseits permanente Ergriffenheit zu spiegeln, sich andererseits im Zentrum des Geschehens immer wieder selbst aufzulösen. Der Platz in der Mitte dieses Universums muss unbestimmt bleiben - damit Millionen Mädchen auf der Welt sich ganz ungestört genau an diesen Ort träumen können. Die Frage, ob im Fall der Fälle dann der Vampir oder doch der Werwolf die bessere Wahl wäre, ist eine Glaubensfrage unter den Fans - sie definiert eine weibliche Teenagerexistenz heute mehr als die Wahl der Lieblingsband.

Dass Sex zwischen Menschen, Vampiren und wohl auch Werwölfen zum Problem werden kann und damit doch eher eine konservative Moral regiert, wird in der ideologischen Einordnung der Serie allerdings überbewertet. Es kommt letztlich nicht so darauf an, wann und wie die Liebenden es tun oder ob überhaupt - da kann man bis zu den entlastenden Kronzeugen Romeo und Julia zurückgehen. Es geht darum, dass das Glück stets greifbar scheint, aber doch - zumindest über weite Strecken - unerreichbar bleibt.

Hier ist das so, weil Edward seine eigenen Vorstellungen von Ritterlichkeit hat, von denen er sich nicht abbringen lässt; und weil man sich als anständiges Mädchen nicht mit zwei Jungs gleichzeitig einlassen kann, scheiden auch mit Jacob alle Aktionen aus, die über einen gestohlenen Kuss hinausgehen...

Wären das Pathos, der bittere Ernst, die Unerfüllbarkeit der Sehnsucht nicht ohnehin schon in der Welt - jede Generation von Teenagern würde sie neu erfinden. Es fühlt sich vielleicht wie Schicksal an - aber die süße Qual der Aussichtslosigkeit ist im Grunde selbst gewählt. Darum geht es hier. Und darum geht es auch den Mädchen, die - was könnte aussichtsloser sein! - momentan von Robert Pattinson oder Taylor Lautner besessen sind.

THE TWILIGHT SAGA: ECLIPSE, USA 2010 - Regie: David Slade. Buch: Melisssa Rosenberg. Nach dem Roman von Stephenie Meyer. Kamera: Javier Aquirresarobe. Musik: Howard Shore. Mit: Kristen Stewart, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Bryce Dallas Howard, Anna Kendrick. Concorde, 124 Minuten.

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