Im Kino: Die Tür:Dämonen der Vorstadt

Anno Sauls Film "Die Tür" zeigt die ungeheure Verführungskraft einer zweiten Chance. Man wird beflügelt, alles richtig zu machen - schiefgehen kann's trotzdem.

Doris Kuhn

Die Geschichte beginnt mit dem Tragischen, endet mit dem Unausweichlichen und führt dazwischen auf verblüffende - und verblüffend unterhaltsame - Abwege. Das ist ein ambitionierter Verlauf für einen deutschen Film, der sich damit beschäftig, der Realität ein paar Schnippchen zu schlagen. Es beginnt mit einem Verbrechen, das ganz spontan begangen wird. Die kriminelle Energie zeigt sich aber bereits vorher, und auch weitläufig danach. Die Protagonisten sind immer bereit, ein bisschen zu lügen und zu betrügen, sich selbst jeden Vorteil zuzuspielen, solange das halbwegs unbemerkt bleibt. Das macht den "Die Tür" zu einem Thriller, in dem niemand vor den anderen sicher sein kann - und auch niemand vor sich selbst.

Im Kino: Die Tür: Der Held (Mads Mikkelsen) findet ein Loch in der Hecke, einen eigenartigen Durchgang - jene Tür, die dem Film seinen Namen gibt.

Der Held (Mads Mikkelsen) findet ein Loch in der Hecke, einen eigenartigen Durchgang - jene Tür, die dem Film seinen Namen gibt.

(Foto: Foto: Filmstarts)

Träge liegt der Spätsommer über den Gärten der Vorstadt. Der Held, ein Maler, geht zur Nachbarin, um sich eine sexuelle Abwechslung zu gönnen. Ein folgenschwerer Entschluss, denn zu Hause bleibt die Tochter unbeaufsichtigt, verfolgt einen Schmetterling, fällt ins Schwimmbecken und ertrinkt. Danach ist es mit dem Sommer vorbei. Das ist die Voraussetzung der Geschichte: der Flügelschlag des Schmetterlings und seine Konsequenzen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind..

Oder vielleicht doch? Der Held, schnell heruntergekommen und hoffnungslos, findet in seiner alten Straße ein Loch in der Hecke, einen eigenartigen Durchlass - jene Tür, die dem Film seinen Namen gibt. Sobald er hindurch geht, steht er im goldenen Licht seiner eigenen Vergangenheit, mitten in jenem Nachmittag, an dem er sein Leben ruiniert hat. Er bekommt die Möglichkeit eines Neuanfangs, darf den Ablauf der Ereignisse ändern, und schon macht er seinen Fehler ungeschehen, begreift, dass er jetzt die Chance hat, eine ganze glückliche Zukunft für sich zu entwerfen.

Mit diesem infektiösen Gedanken, alles noch einmal und besser zu machen, beginnt das eigentliche Amüsement. Denn solche Vorhaben sind in jedem guten Science-fiction-Film schon schiefgegangen. Auch der Regisseur Anno Saul zeigt jetzt, wie leicht man dabei in Schwierigkeiten kommt.

Endlich alles besser machen

Bald muss Blut aufgewischt werden, viel Blut, Leichen liegen herum, wohin damit im aufgeräumten Reihenhaus? Dann werden Gegenstände in den Taschen des Toten vergessen, auch Geruch und Insektenplage gehören zu den Dingen, die bei Mordfällen im Kino gern im Hintergrund verschwinden. Nicht so hier, der Held verliert schnell den Spass am Detail, der Zuschauer teilt mit ihm die Schweißausbrüche.

Dazu kommt, dass diese Figur von Mads Mikkelsen gespielt wird, dem dänischen Star aus dem vorletzten James-Bond-Film. Er legt er eine Mischung aus Verzweiflung und Gewalt so eindringlich in seine Züge, dass man ihm unbedingt folgen will, egal wie sehr sein Handeln in Konflikt mit der umgebenden Idylle gerät. Denn die ungeheure Verführungskraft einer zweite Chance befördert keineswegs nur das Gute im Menschen.

Wer neu anfängt, legt besonderen Ehrgeiz an den Tag legen, will diesmal alles richtig machen - und das führt nicht nur zu großer Rücksichtslosigkeit, sondern der Druck erhöht auch die Fehlerquote. Außerdem lässt sich die Vergangenheit nicht rein punktuell bereinigen. Wo man auch ansetzt, jede Veränderung entwirft ein neues Gesamtbild, eine andere, vorher nie dagewesene Konstellation. Damit wird die Zukunft nicht nur wieder undurchsichtig, sie gerät auch wieder weitgehend außer Kontrolle.

Der Held und der Film spielen also mit den Möglichkeiten, die Zeit neu zusammenzubauen, wobei sie ein paar Geheimnisse ans Tageslicht bringen, realer wie surrealer Natur, gefährlich in jedem Fall. Allmählich zersetzen sich die gefälligen Bilder - die Gärten, die Pools, die hübschen Häuser und die hübschen Menschen werden unangenehm, die Atmosphäre zunehmend klaustrophobisch. Auf raffinierte Weise demaskiert "Die Tür" die Vorstadt als einen Wohnort von Dämonen - und schlägt beim Entwurf einer halb lustigen, halb schauerlichen Utopie keine einzige Kapriole zu viel. Denn das Glück, das ist am Ende Gewissheit, bekommt man nicht umsonst - auch nicht mit der Hilfe magischer Tricks. Wer es erreichen will, muss immer dafür bezahlen, beim ersten wie beim letzten Versuch.

DIE TÜR, D 2009 - Regie: Anno Saul. Buch: Jan Berger, Akif Pirincci. Kamera: Bella Halben. Mit Mads Mikkelsen, Jessica Schwarz, Valeria Eisenbart, Heike Makatsch. Senator, 103 Minuten.

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