Im Kino: Die Schachspielerin:Männliches Dominanzgebaren

Vom erotischen Mehrwert des Schachs weiß man so einiges aus der Literatur. Nun folgt "Die Schachspielerin", eine Kinopartie mit Sandrine Bonnaire und Kevin Kline.

Fritz Göttler

Die Küche wirkt durchaus heimelig, beim gemeinsamen Abendessen - Hélène mit Ange und der gemeinsamen Tochter Lisa - oder auch allein, nachts um halb vier, aber manchmal dringt hier ein Zischen aus dem Off, schlangenhaft, es schneidet durch die Szene und signalisiert, dass die Beziehungen in der Familie und die Dinge im Rest der Welt wieder mal aus der Balance gebracht wurden. Es ist der Perlenvorhang, der die Küche vom Rest der Wohnung trennt und der böse tönt, wenn einer ihn beim Durchgehen heftig auseinanderschiebt.

Im Kino: Die Schachspielerin: Sandrine Bonnaire ist hinreißend als Hélène, unbeirrbar und hexenhaft, sie kriegt wunderbare Kanten an der Stirn, wenn sie sich ganz konzentriert.

Sandrine Bonnaire ist hinreißend als Hélène, unbeirrbar und hexenhaft, sie kriegt wunderbare Kanten an der Stirn, wenn sie sich ganz konzentriert.

(Foto: Foto: Concorde)

Hélène ist Zimmermädchen, im Hotel des korsischen Städtchens, das Geld reicht grade so, ihr Mann Ange bangt um seinen Job auf der Werft, als Anstreicher, er will, dass sie um eine Lohnerhöhung bittet bei der Chefin. Gut, dass Hélène zusätzlich noch putzen geht, beim etwas undurchsichtigen Dr. Kröger, einem Amerikaner.

Aber unter den alltäglichen ökonomischen Komplikationen und Spannungsmomenten ist immer auch ein anderer Suspense zu spüren, ein emotionaler, in dem es um Unerfülltes, um Unerfüllbares womöglich geht, und um die Anstrengungen, für sich darüber Klarheit zu gewinnen. Das Meer ist im Hintergrund zu spüren, seine Weite, seine Freiheit, seine Verführung, schon zu Beginn, wenn Hélène in der Frühe das Haus verlässt und sich aufs Rad schwingt, um zur Arbeit zu fahren.

Hélène ist keine Einheimische, sie ist fremd geblieben auf der Insel, und eines Tages spielt sie diese Fremdheit bewusst aus. Da hat sie, als sie ein Zimmer herrichten soll im Hotel, das Paar, das dort logiert, überrascht, auf dem Balkon, mit einem erotischen Spiel beschäftigt - die Frau ist Jennifer Beals, die Traumtänzerin aus "Flashdance". Erst saßen sie bei einer Partie Schach, dann gab es - als müsste der Verlierer die Spielschuld einlösen - die Eröffnung zu einem anderen intensiven erotischen Spiel. Hélène ist fasziniert, und als sie beim Dr. Kröger ein Schachbrett bemerkt, bittet sie ihn, sie das Spiel zu lehren.

Vom erotischen Mehrwert des Schachs weiß man so einiges aus der Literatur, von Nabokov oder von Lawrence Durrell, also gibt es in diesem Film keine wirklichen Zweideutigkeiten ums königliche Spiel. Was Bertina Henrichs, die Autorin der Romanvorlage, und Caroline Bottaro, die Regisseurin - eine Deutsche und eine Deutschitalienerin, die beide in Paris leben - spielerisch um Hélène und die Männer inszenieren, wirkt in der ersten Hälfte ein wenig konstruiert. Die Selbstbehauptung einer jungen Frau, die Schwierigkeiten der Männer, weibliche Kreativität zu akzeptieren und aus ihren maskulinen Dominanzstrukturen rauszukommen, die Attitüden der "bourges" der Unterschicht gegenüber, mit denen sich die Tochter konfrontiert sieht ...

Aber Sandrine Bonnaire ist hinreißend als Hélène, unbeirrbar und hexenhaft, sie kriegt wunderbare Kanten an der Stirn, wenn sie sich ganz konzentriert. Lächeln Sie doch mal, rutscht es dem Dr. Kröger plötzlich raus, Kevin Kline spielt ihn ganz zurückhaltend und spröde. Irgendwann lässt Hélène sich eine lässige neue Frisur verpassen und kriegt von der Friseuse gesagt, sie solle aufpassen, die Leute würden schon reden, dass sie immer zum Doktor ginge in sein abgelegenes Haus. Und Kevin Kline zitiert das berühmte "Tyger, Tyger, burning bright / In the forests of the night, / What immortal hand or eye / Could frame thy fearful symmetry?" Dann schickt er sie auf ein Schachturnier, wo sie gegen die provinzielle Männerclique antritt.

Er weiß um die Symmetrie des Spiels, und wie verletzlich sie den Spieler machen kann. Beim Schach, erklärt er ihr, zählen weniger die Regeln als die Ausnahmen ... Die Regeln im richtigen Moment brechen, kapiert? Nicht so ganz, erwidert sie. Und er, sichtlich beklommen: Ich auch nicht ... In einer offenen Partie ohne Brett gibt es am Ende eine Vereinigung zwischen ihnen, ein Königsgambit, so erotisch und königlich, als wär's von Lubitsch.

JOUEUSE, D/F 2009 - Regie, Buch: Caroline Bottaro. Nach dem Roman von Bertina Henrichs. Kamera: Jean-Claude Larrieux. Musik: Nicola Piovani. Schnitt: Tina Baz. Mit: Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Francis Renaud, Jennifer Beals, Valérie Lagrange, Alexandra Gentil, Alice Pol, Elisabeth Vitali, Dominic Gould, Daniel Martin. Concorde, 97 Minuten.

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