Im Kino: "Der unglaubliche Hulk":Der Feind in meiner Haut

Groß, grün - und noch immer auf der Suche nach einem lebbaren Konzept für Männlichkeit: "Der unglaubliche Hulk" kommt wieder ins Kino. Diesmal mit Edward Norton in der Hauptrolle.

Tobias Kniebe

Die Sache mit den Gammastrahlen war natürlich schon immer ein Vorwand, ein reines Ablenkungsmanöver. Selbst 1962, als der Hulk in die Welt kam und der Glaube an Potenz und Gefahr der atomaren Forschung gerade Hochkonjunktur hatte, konnte man diese Art von Erklärung nicht recht ernst nehmen.

Im Kino: "Der unglaubliche Hulk": Was ihn wohl so wütend macht? Für Hulk gibt es kein Halten mehr.

Was ihn wohl so wütend macht? Für Hulk gibt es kein Halten mehr.

(Foto: Foto: AP)

Ganz offenbar ging es um etwas völlig anderes - um das verwirrende Gefühl nämlich, ein Mann zu sein, während alle Sicherheit, was Männlichkeit überhaupt bedeuten sollte, gerade in endgültiger Auflösung begriffen war.

Nach einem Laborunfall mit atomaren Gammastrahlen lauert also in Dr. Bruce Banner, einem vorher seriösen und friedfertigen Wissenschaftler, diese unbekannte, unerklärliche Macht.

Sie kommt ihm bei seinem Versuch, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sein, die Menschheit mit seinen Forschungen weiterzubringen und das Gewaltmonopol des Staats zu respektieren, immer wieder in die Quere.

Denn kaum zeigt er Reaktionen wie Aufregung, Wut oder den plötzlichen Wunsch, alles kurz und klein zu schlagen - Gefühle also, die für ein männliches Exemplar der Spezies Mensch bis vor kurzem noch als natürlich galten - bricht aus seinem schmächtigen Körper dieses überdimensionierte, dunkelgrüne, muskelbepackte Monster heraus, das sich zur modernen Welt ungefähr so verhält wie der Elefant zum Porzellanladen.

Das ewig Unberechenbare

In den bald fünfzig Jahren, die es den Hulk nun gibt, hat dieses Problem interessanterweise nichts von seiner Aktualität verloren. Die Idee, das seine wahre Natur gar nicht mehr in unsere Zeit passt, treibt den Mann von heute genauso um wie den Mann von damals.

Mit Lust denkt er einerseits an die ungeahnten Kräfte, die wahrscheinlich noch in ihm schlummern, mit Grausen imaginiert er andererseits den ultimativen Kontrollverlust, der alles Erreichte - die Position im Leben, die Rente, die Familie - mit einem Schlag wieder hinwegfegen könnte.

Dass der neueste "Hulk"-Regisseur Louis Leterrier dieses Dilemma exakt verstanden hat, zeigt sich schon in der Wahl seines Hauptdarstellers: Edward Norton ist nicht einfach nur ein kluges, erschreckend schmales Bürschchen mit einem traurigen Intellektuellenblick - er ist auch der Mann, der in "Fight Club" schon einmal die Abspaltung des inneren Über-Manns riskiert und den Kampf mit ihm aufgenommen hatte.

Der Gegner im eigenen Kopf sah aus wie Brad Pitt und hatte Bauchmuskeln, an denen man Parmesan reiben konnte, der Preis für den Sieg war die Selbstentleibung. Selten fühlte sich der männliche Kinogänger, wenn man dem resultierenden "Fight Club"-Kult glauben will, so gut verstanden wie in diesem Film.

Norton ist nun also endgültig der Stellvertreter des von seinem Körper entfremdeten Büromachos. Nur ist hier der Schaden bereits angerichtet, seine Auftritte als Hulk haben ihn aus der Gesellschaft ausgestoßen, er lebt unerkannt in den Favelas von Rio de Janeiro und versucht vor allem - tief einatmen, tief ausatmen - seinen Puls zu kontrollieren und nur ja nicht in Wut zu geraten.

Gejagt wird er nach wie vor von General Ross, diesmal gespielt von William Hurt, der ein waffenfähiges militärisches Serum aus seinem Blut gewinnen will. Auch das ist eine interessante Besetzung: Hurt war immer so etwas wie das heroische Weichei, der Mann, der ganz Zweifel sein durfte und trotzdem das Mädchen bekam.

Altbewährtes Gegenmittel

Diese Vergangenheit ist ihm hier völlig ausgetrieben, er ist der letzte Mann in diesem Film, der sich seiner Identität gewiss ist - auch als Patriarch gegen über seiner Tochter Betty (Liv Tyler), die Dr. Banner ihr Herz geschenkt hat und sogar lernen will, den Hulk zu lieben. Entsprechend verbohrt und hoffnungslos erscheint der Mann.

"Ich will es nicht kontrollieren. Ich will es loswerden", sagt Dr. Banner zu Betty, als sie auf der Flucht schließlich vereint und in New York angekommen sind. Eine schöne Utopie, doch die Trennung vom Hulk kann natürlich niemals gelingen, das widerspräche schon dem Grundkonzept, allen Frankenstein-Apparaturen, die der Film gegen Ende auffährt, zum Trotz.

Stattdessen bekommt man es mit einem weiteren Fliegengewicht des Weltkinos zu tun, mit Tim Roth, der einen Söldner spielt, der nur die Lust an der Superkraft kennt, nicht aber das Grausen davor: Er lässt sich soviel vom Hulk-Serum injizieren, dass er ein vollständiges Monster wird, "The Abomination", die Scheußlichkeit.

Aussöhnung mit dem inneren Hulk

Auf zum finalen Kampf der beiden Titanen auf dem Broadway, heißt es dann - die eigentliche Botschaft aber ist, dass wir Männer uns bitteschön mit unserem inneren Hulk versöhnen müssen. Leugnen hat keinen Zweck, wegwünschen hilft nicht, ungehemmtes Ausleben aber ist genauso verkehrt, im Grunde sogar das Allerletzte.

Es bleibt also nur der tägliche kontrollierte Hulk-Moment, das kurze Aufblitzen des Anderen vor dem Abendessen - dann, und nur dann, können wir endlich aufhören, die Welt zu zerstören. Und wer weiß, wofür unsere Kraft eines Tages noch gebraucht wird.

THE INCREDIBLE HULK, USA 2008 - Regie: Louis Leterrier. Buch: Zak Penn. Kamera: Peter Menzies jr. Musik: Craig Armstrong. Mit Edward Norton, William Hurt, Tim Roth, Liv Tyler, Tim Blake Nelson. Verleih: Concorde, 110 Minuten.

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