Im Kino: "Bruce Almighty":Der Praktikant Gottes

Es ist ein wunderbares Kino - und eine göttliche Komödie. Jim Carrey und Morgan Freeman führen in "Bruce Almighty" das Unternehmen Erde wie himmlische Hausmeister.

FRITZ GÖTTLER

Es ist ein herrliches, ein wunderbares Leben ... Ein Mann, der ganz heftig verliebt ist in seine junge Frau. Er steht am Fenster, blickt in den nächtlichen Himmel. Der Mond ist imposant, eine große Scheibe, romantisch, aber auch ein wenig einschüchternd. Gleichwohl, der Mann streckt die Arme aus, schwingt ein imaginäres Seil um den Mond, er stemmt sich ein und zieht die Scheibe näher ans Fenster, auf dass sie noch stärker das nächtliche Beisammensein inspirieren möge ...

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(Foto: SZ v. 11.06.2003)

Mehr Mond, mehr Stimmung, mehr Liebe - es sind die simpelsten Gleichungen, die am meisten Kraft entwickeln, am meisten Poesie, und selbst die Surrealisten - Breton, Desnos, Eluard - hielten sich daran, wenn es ums Elementare ging, um die Liebe und um den Sex. Den jungen Chaplin liebten sie auch, weil er so ungeniert hinter den Frauen her war.

Jim Carrey ist ein Poet, das hat er gemeinsam mit seinen Kollegen, den großen Komikern des amerikanischen Kinos. Wie diese ist sein Leben, seine Karriere auf Rekurrenzen aufgebaut - die Wirklichkeit als Kette von Wiederholungen. Die Mond-Manipulation, die er in seiner Rolle als Bruce Nolan exerziert, hat er offensichtlich aus dem Fernsehen, aus einer der unzähligen Wiederholungen von Capras "It's a Wonderful Life": James Stewart als Versager, der sich durch Selbstmord aus seinem armseligen Kleinstadt-Leben stehlen will.

Bei Carrey und Regisseur Tom Shadyac ist es die Kleinstadt Buffalo im Bundesstaat New York, hübsch pittoresk, aber nicht gerade das größte Erlebnis- und Aufregungspotential - auch wenn es die Heimatstadt von Vincent Gallo ist, der mit seinem Erstling "Buffalo 66" ihr ein filmisches Denkmal setzen wollte und sich seit einigen Wochen mit den Medien in aller Welt herumschlägt, die seinen Zweitling, den Cannes-Beitrag "The Brown Bunny" verrissen hatten.

Wie Vincent Gallo ist auch Bruce Nolan ein ausgesprochener Hitzkopf, mit einem Frust, der ihn in enorme Aggression führt. Immer die gleichen mickrigen TV-Jobs, das Interview mit dem popelnden Bäcker-Paar, das den größten Cookie der Stadt geschaffen, und der Auftritt auf der Maid of the Mist, dem Boot, das unermüdlich die Touristen an die Niagara-Fälle ranschafft. Und die Kollegen vor allem, die Bruce nie ganz ernst nehmen und ihm schließlich den großen Spruch zur Karriere klauen - "... and that's the way the Cookie crumbles" - und die natürlich wissen, dass sein Traum, der Anchorman des Senders zu werden, sich nicht erfüllen wird.

Und so merkt man, wie der Cookie zu krümeln anfängt. O Gott, warum hassest du mich, stöhnt Bruce, und hängt noch den schlimmsten Vorwurf dran, den man in Amerika loslassen darf: Oh Gott, von allen hier im Umkreis bist du der einzige, der seinen Job nicht richtig macht.

Ein Scheißjob, das lässt Gott diesmal nicht auf sich sitzen, er lässt Bruce kommen und eben diesen Job übernehmen für ein paar Tage. Nun hat Bruce die Power, das heißt er jagt den Mädels auf der Straße die Röcke hoch wie einst die Jungs der Nouvelle Vague, und lässt einen Hydranten explodieren vor lauter Hochdruck. Und einen Sportflitzer genehmigt er sich, mit dem er alle hinter sich lassen wird. Und was den Anchor-Job angeht im Sender ...

Allmacht, Potenz, das sind die großen Themen der amerikanischen Gesellschaft, des amerikanischen Kinos. Bei uns ist, wenn über den Film nachgedacht und geschrieben wurde, immer Nietzsche ins Spiel gebracht worden und die ganze Tradition der Religionskritik. So allgemein und unverbindlich und verblasen ist der Film natürlich keine Sekunde.

Bruce will nicht nur die interessanteren Jobs, er will die Repräsentanz. Das God-Business ist in diesem Film sehr eng mit dem Fernsehen vermengt, es geht nicht nur um Präsenz an sich, sondern auch darum, wie man sie möglichst effektiv herstellt. Seine Gott- ist Medienkritik: "Vielen Dank für den Grand Canyon, alles Gute mit der Apokalypse, und, nebenbei gesagt, you suck ..."

Die amerikanische Komödie operiert mit den einfachsten Gefühlen und Effekten, aber sie ist das Raffinierteste, was das amerikanische Kino sich leistet. Weshalb die Komiker alle bei uns einen schweren Stand haben, von den Slapstick-Zeiten bis zu Jerry Lewis und Jim Carrey. Sogar den guten alten Capra hat man als Naivling sehen wollen, weil er sich auf Gott beruft - aber was das Filmbusiness angeht, hatte das italoamerikanische Schlitzohr alle Tricks parat. Das war auch nötig, immerhin musste sein "It's a Wonderful Life" bei den Oscars 1946 antreten gegen William Wylers "The Best Years of Our Lives".

Wenn man Morgan Freeman gesehen hat als Gott, halb antiker Olympier, halb Südstaaten-Gentleman, in strahlend weißem Anzug und mit einem immer freundlichen, dabei nie ganz unboshaften Lächeln, möchte man die ganze ehrwürdig-europäische Ikonographie vergessen. Dies ist ein praktischer Gott - einer, der den Laden am Laufen hält. Mehr Hausmeister als Zauberer. Wie alle großen Komödien ist "Bruce Almighty" ein Loblied auf die wahre Tugend, auf die Handarbeit, in der Können, Selbstverwirklichung und Verantwortung eins werden.

Ein Film der Sympathie für die kleinen Leute, der Liebe zu den allerkleinsten Details - die Jim Carrey allemal mehr interessieren als all die großen Linien. Ein Mann und eine Frau. Eine Liebe, so kurvenreich wie der Grand Canyon. Danke vielmals.

BRUCE ALMIGHTY, USA 2003 - Regie: Tom Shadyac. Buch: Steve Oedekerk, Steve Koren, Mark O'Keefe. Kamera: Dean Semler. Musik: John Debney. Schnitt: Scott Hill. Mit: Jim Carrey, Jennifer Aniston, Morgan Freeman, Mark Adair-Rios, Lisa Ann Walter, Philip Baker Hall, Catherine Bell, Sally Kirkland. Buena Vista International, 101 Minuten.

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