Im Kino: "Brighton Rock":Die Hölle als Showbusiness

Das Böse kann so romantisch sein: Sam Riley spielt einen Ganoven, der seine Freundin mit ins Verbrechen zieht. Doch Helen Mirren hält dagegen. "Brighton Rock" skizziert die Anfänge der britischen Jugendrevolte der sechziger Jahre.

Fritz Göttler

Brighton ist Endstation. Für die Menschen, für ihre Träume. Die Ausflügler, die aus London kommen zum Wochenende. Die Bewohner, die nach London fahren zur Arbeit unter der Woche. Britische Träume, das bedeutet nicht den ganz großen, krassen Glamour. Die Stadt hat die Atmosphäre eines Provinzrummelplatzes, überdreht, windig, abgeblättert, ein wenig asthmatisch. Auch als am Wochenende einer der berüchtigten Jugend-Motorrad-Vespa-Krawalle sich entwickelt, die Rocker gegen die Mods, bedeutet das keine wirkliche Belebung.

Themendienst Kino: Brighton Rock

Motorräder knattern und Revolutionsgeist liegt in der Luft: Die Romanverfilmung von Graham Greenes "Brighton Rock" erzählt von Bandenkriegen, Mord - und der Liebe von Pinkie (Sam Riley) und Rose (Andrea Riseborough).

(Foto: dapd)

Rowan Joffe hat Graham Greenes Roman "Brighton Rock" in die Sechziger verlegt. Erschienen ist das Buch 1938, erstmals verfilmt wurde es 1947, von John Boulting, mit dem juvenilen Dickie Attenborough. Der neue Film legt so eine Spur, auf der man die Ursprünge der Jugendrevolte verfolgen kann. Das Babyface Pinkie, der kleine Gangster wird diesmal von Sam Riley gespielt, man kennt ihn als Ian Curtis in Anton Corbijns Joy Division-Film "Control".

Pinkie ist komplett überfordert, er will nach dem Tod des Bosses den kleinen Haufen zusammenhalten, markiert den starken ersten Mann, tritt lächerlich großspurig dem anderen Boss der Stadt gegenüber, der inzwischen alles unter Kontrolle hat. Pinkie verzettelt sich, um ein Serviermädel in einer Teestube am Aussagen zu hindern, macht er sich an sie ran, ein Gaukelspiel der Liebe, zwischen verächtlicher Vortäuscherei und Momenten irritierender Zärtlichkeit - das Ganze mündet in eine taktische Heirat.

Der Roman ist ein großes Dokument des europäischen Vorkriegsexistentialismus, Greene hat den ganz authentisch erlebt, im Kino - er hat damals als Filmkritiker gearbeitet und viele phantastische Texte geschrieben, zu Fritz Lang, Capra, Duvivier, über Männer, die sich in einem schäbigen, fremden Viertel bewegen müssen, während ihr Herz an einem ganz anderen Ort ist, "die Erfahrung des Exils, die uns allen gemeinsam ist".

Es ist ein mythisch verklärtes, infantiles Gangstertum, unter den Stegen der Mole von Brighton, anachronistisch, man hantiert bedrohlich mit dem Fläschchen Salzsäure, aber bei den blutigen Kämpfen ist man, leider, von den grimmigen Rasiermessern auf gewöhnliche Taschenmesser umgestiegen.

Eine treibende Kraft in diesem Geschehen ist Helen Mirren, als energische Teestubenchefin, Joffe hat sie nach Mae West modelliert, dem skandalösen selbst- und sexbewussten Star der Dreißiger - Graham Greene war ein großer Fan von ihr. Mirren ist ungemein sexy, ihr Job verlangt, dass sie mütterlich ist, puffmütterlich, das heißt, sie schreckt auch vor den Gangstern nicht zurück. Am Ende lässt sie, ganz selbstverständlich, vom alten Freund John Hurt ein Doppelzimmer im Hotel bestellen.

Um Erfüllung und Vollendung kreist diese Geschichte, um Kasteiung und Völlerei. Das katholische Trauma aus dem Roman dringt auch im Film immer wieder durch, in Pinkies Besessenheit - er möchte böse sein, das absolut Böse, sündhaft, verloren, verdammt. Die Wollust des Zeichenhaften treibt die Religion, die Schnittnarbe auf der Wange als Markenzeichen. Die Hölle als ein Showbusiness, ein Rummel, und gerade dort gilt: the show must go on.

BRIGHTON ROCK, GB 2011 - Regie, Buch: Rowan Joffe. Nach dem Roman von Graham Greene. Kamera: John Mathieson. Mit: Sam Riley, Helen Mirren, Andrea Riseborough, John Hurt, Nonso Anozie, Andy Serkis. Kinowelt, 111 Min.

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