Im Kino: Brautalarm:Auch Frauen sind Ferkel

Grandioses Kinoballett: Die Komödie "Brautalarm" ist eine feminine Version des "buddy movie" - eine Braut und ihre besten Freundinnen. Manche Zuschauerinnen fragen sich erbittert: Haben wir dafür gekämpft, dass wir all die dämlichen Ferkeleien der unreifen Kino-Jungs nun machen dürfen?

Fritz Göttler

Die Innenstadt von Milwaukee, Wisconsin, an einem frühen Nachmittag. Eine Frau wankt aus einem Nobelgeschäft - Brautmoden der Haute Couture, da kommt man nur nach Verabredung rein - auf die Straße, sie trägt ein weißes ausladendes Brautkleid zur Anprobe und ist merklich groggy, es zerreißt ihr die Gedärme. In dem Laden ist die Toilette von ihren Begleiterinnen, ihren Brautmaids, restlos blockiert, alle laborieren an dem, was der Brasilianer ihnen zudachte, bei dem sie zuvor zum Essen waren. Ganz langsam sinkt, ungerührt vom Verkehr um sie her, einem sterbenden Schwan gleich, die Braut auf den Asphalt nieder, in einem Moment der Erschöpfung und der Erleichterung . . .

Themendienst Kino: Brautalarm

Kristen Wiig als Annie (links) und Rose Byrne als Helen in "Brautalarm" von Paul Feig: Bei der Vorstellung der Braut fetzen sie sich zum ersten Mal richtig.

(Foto: dapd)

Ein grotesker, ein graziöser, ein grandioser Moment, ganz großes Kinoballett. In einem Film, der von dem ganz großen Stress handelt, den der amerikanische Traum bereitet - wenn er wirklich perfekt durchgezogen werden soll: die Hochzeit als der entscheidende Lebensmoment.

Unfasslich, was für Mengen an Menschen und Material da zum Einsatz kommt, was für Energie in die Vorbereitung gesteckt wird, wie stark die betroffenen Brauteltern sich - nolens volens - zu verschulden gewillt sind. Es ist die Vorstellung von Überschwang und Überfluss, die dieses Fest bestimmt, von Großzügigkeit, Vergeudung, Völlerei. Von einer einmaligen Freiheit also, die durchaus absurde Züge tragen darf.

Auf Annie lastet der Organisationsdruck der Hochzeit in diesem Film, denn Lillian, die Braut - die zwei sind allerbeste Freundinnenen von Kindheit an -, hat sie zur maid of honour gemacht, zur Verantwortlichen in der Fünferbande ihrer Bridesmaids. Eine Funktion, die ihr von einer anderen aus der Bande streitig gemacht wird, Helen, die eine Klasse für sich ist, großbürgerlich, zickig, superelegant, besserwisserisch, boshaft und skrupellos, wenn es darum geht, die Ideen der anderen für sich zu reklamieren.

Rose Byrne ist Helen, Kristen Wiig ist Annie; bei der Vorstellung der Braut fetzen sie sich zum ersten Mal richtig, sie halten kleine launige Reden auf die Braut, und das dauert und provoziert peinliche Momente, weil halt keine der andern das letzte Wort gönnt. "Brautalarm/Bridesmaids" war in den USA ein unerwarteter Kinoerfolg, an den Kassen - bislang über 150 Millionen Dollar US-Einspiel bei etwa 35 Millionen Produktionskosten - und bei den Kritikern und Kritikerinnen: Frauen dürfen Komödie, Frauen können Komödie. Eine Revolution? Ein später Sieg des Feminismus gar?

Die personifizierte Misere

Kristen Wiig kommt aus der "Saturday Night Live"-Show, dieser irren Schule der Improvisation, die schon einige starke - weil komische - Frauen ins Kino gebracht hat. Eine kleine Rolle hatte Wiig in "Knocked Up", dem Großerfolg von Judd Apatow, der in den letzten zehn Jahren mit seinen drastischen, tabubrechenden, dabei durchaus emotionalen Männergeschichten um Seth Rogen und Adam Sandler die amerikanische Komödie umkrempelte. (In "Knocked Up" hat Wiig die Helen-Rolle, sie schikaniert Katherine Heigl, die sich Hoffnungen macht auf eine Bildschirmkarriere, aber dafür . . . "Natürlich würden wir Sie nie auffordern, Sie sollten abnehmen . . .") Nach diesem Film forderte Apatow Wiig auf, ein eigenes Drehbuch zu schreiben, das er ihr produzierte (Regie: Paul Feig).

Überforderung und Unterlegenheit, das ist der Stoff, aus dem das Drama dieses Films geformt ist, daraus hat von Anfang an, seit dem Slapstick, die amerikanische Kinokomödie ihren Drive entwickelt. Mit ihrer Stupsnase und ihren langen Beinen ist Wiig wirklich attraktiv, aber Annie, die sie spielt, ist die personifizierte Misere. Sie macht eine klägliche Figur am Verkaufstisch eines kleinen Schmuckladens, an ihrem Auto geht das Rücklicht nicht, was ein wirklich liebenswerter Wisconsin State Trooper (Chris O'Dowd) ihr anzeigt, aber Annie ist sinnlos verbohrt in eine blöde Beziehung mit einem Alphatier - Jon Hamm aus den "Mad Men" -, der ihr im Bett seinen eigenen hastigen Rhythmus aufzwingt, bis ihre Beine wild ins Schlenkern kommen.

Sie hat Flugangst und vermasselt dadurch den Vegas-Trip der Maids, ins "Hangover"-Paradies. Die größte Erniedrigung im Kampf um Eigenständigkeit aber ist, wenn die Mutter ihr fröhlich bekundet, eigentlich brauche sie doch gar keine eigene Wohnung, warum sie denn nicht wieder bei ihr einziehen wolle. Jill Clayburgh ist, in ihrer letzten Kinorolle, die Mutter, sie hat in den Siebzigern die jungen emanzipierten Frauen gespielt.

Saukomischer Konkurrenzkampf

Es ist ein verzweifelter, brutaler, sinnloser, aber saukomischer Konkurrenzkampf, wenn Annie versucht, Helen aus dem Feld zu schlagen. Eine feminine Version des buddy movie - eine Braut und ihre besten Freundinnen, Ehemänner sind da kaum im Bild. Zugegeben, nicht alle Kritikerinnen waren amused - haben wir dafür gekämpft, fragten sie erbittert, dass wir uns nun auch auf einer Männerdomäne tummeln dürfen, all die dämlichen Ferkeleien der unreifen Kino-Jungs nun machen dürfen? Der Time-Kritiker Richard Corliss musste seine Blog-Kollegin Nikki Finke (Deadline Hollywood) trösten, die gewettet hatte, "Bridesmaids" würde keine zwanzig Millionen einspielen am ersten Wochenende.

Fünf Jahre hat Kirsten Wiig gebraucht, bis sie ihre Geschichte zusammenhatte, dieses Bild einer weiblichen Frustration und Verlorenheit, einer Frau, bei der man nicht weiß, was sie treibt, Naivität oder Masochismus. Umwerfend, revolutionär ist an "Brautalarm", dass er einen neuen Blick auf das Apatow-Werk ermöglicht - schon in diesen Filmen ging es nicht wirklich um die animalischen Exzesse, sondern um die Traumata, zu denen sie Symptome sind. Die Eskalation im Brautladen hat in der Tat Judd Apatow Kristen Wiig und ihrer Koautorin Annie Mumolo nahegelegt, um das Publikum flachzulegen. Vier- bis fünfmal pro Film, erklärt er, will er "that the place would go completely shithouse".

BRIDESMAIDS, USA 2011 - Regie: Paul Feig. Buch: Kristen Wiig, Annie Mumolo. Kamera: Robert D. Yeoman. Mit: Kristen Wiig, Maya Rudolph, Rose Byrne, Wendi McLendon-Covey, Ellie Kemper, Melissa McCarthy, Chris O'Dowd, Jill Clayburgh. Universal, 124 Minuten.

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