Im Kino: 13 Semester:Und was machst du so?

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Partys, verbummelte Semester, Sinnsuche und Liebesleid: Frieder Wittich folgt über "13 Semester" der Unentschlossenheit der Jugend.

Rainer Gansera

Es gibt da einen hübsch provokanten Tocotronic-Song mit dem Titel "Michael Ende, du hast mein Leben zerstört". Er ist Klagelied und Kampfansage zur Lage der Nation, "zur Unentschlossenheit der Jugend / Zur Verdrossenheit der Tugend". Das fällt einem unwillkürlich ein, wenn ein Filmheld den Namen einer Michael-Ende-Figur trägt.

Der Kuss von Kerstin (Claudia Eisinger) verwandelt Momo (Max Riemelt) nicht zum Prinzen, im Gegenteil: Er zieht sich in eine menschenscheue, juvenile Übellaunigkeit zurück. (Foto: Foto: Fox)

Nicht dass Moritz (Max Riemelt), der Protagonist von "13 Semester", freiwillig Momo hieße - wie Michael Endes Kämpferin gegen die Zeit-Diebe. Gleich zu Beginn, wenn er nach dem Abitur zum Studium aufbricht, erhofft er sich die große Befreiung: "Nach 20 Jahren endlich wieder Moritz heißen und nicht Momo!" Doch es wird ihm nicht gelingen, den Spitznamen abzuschütteln - was als Menetekel verstanden werden muss: Moritz/Momo wird 13 Universitätssemester lang die Zeit durch die Finger rinnen. Er hätte mal Tocotronic hören sollen.

Aufbruchstimmung am Anfang: Mit seinem Freund Dirk (Robert Gwisdek) verlässt Momo fluchtartig das brandenburgische Provinzstädtchen Osterhausen, wo ihn die Eltern in ihren Gaststättenbetrieb einspannen wollten, um an der Technischen Universität Darmstadt ein Studium der Wirtschaftsmathematik zu beginnen. Es sieht nach dem Aufbruch in die große Freiheit aus und führt doch nur in die Wirrnisse des Erwachsenwerdens: Partys, verbummelte Semester, Sinnsuche, Selbstsuche und Liebesleid.

Regisseur Frieder Wittich, Absolvent der Münchner Filmhochschule, hat sich für sein Spielfilmdebüt eine "Komödie über das Studentenleben" vorgenommen und konstruiert dafür ein markantes Figuren-Dreieck. Er stellt den schüchternen, taumelnden, etwas arg bieder geratenen Momo zwischen zwei Figuren, die Gegenprogramme verkörpern: den karrierebewussten Überflieger Dirk und den WG-Kumpel Bernd (Alexander Fehling), der als charmanter Frauenheld das studentische Dolce Vita vorbildlich ausleben darf.

"13 Semester" ist ein eigentümlicher Mix aus authentischen Momenten und Komödien-Klischee, aus bewegenden Augenblicken der Wahrheit und bemühten Witzeleien. Seine stärksten Passagen hat der Film dann, wenn er tief hineintaucht in die Einsamkeit und Orientierungslosigkeit Momos, in Situationen des Scheiterns von Liebe, Studium, Freundschaft. Da gelingen ihm eindringliche Stimmungsbilder: die Tristesse eines Waschsalons, die Enge einer Studentenbude, die Melancholie einer Fußgängerzone im Herbst, die Weltverlorenheit einer Heimfahrt als letzter Passagier im Bus.

Obwohl der Film einen geradezu epischen Erzählzeitraum von sechseinhalb Jahren umfasst, tritt er doch eigentümlich auf der Stelle - weil er seinem Helden keine Entwicklung oder Verwandlung gönnt. Da nützt es auch nichts, wenn Momo sich nach der ersten Begegnung mit der schönen Architekturstudentin Kerstin (Claudia Eisinger) seinen Gymnasiastenzopf abschneidet. Während alle um ihn herum Wandlungsprozesse durchmachen - Dirk mutiert zum Anzugträger, Bernd kommt von einer Indienreise mit neuem Namen und Bart zurück, sogar der indische Kommilitone Aswin (Amit Shah) versteht, dass man bei Partys irgendwann mal von Bier auf Wodka umsteigen muss - verbleibt Momo im Larvenstadium. Der Kuss von Kerstin verwandelt ihn nicht zum Prinzen, im Gegenteil: Momo zieht sich in eine menschenscheue, juvenile Übellaunigkeit zurück, so dass ihm die genervte Freundin zu Recht vorwerfen muss: "Du solltest aufhören, dir selber leid zu tun."

Momo ist eine Figur, wie sie derzeit auffällig viele deutsche Debütfilme zeichnen. Ein Junge, der aus seiner Jungsclique nicht heraus will. Für ihn ist die Liebe mit keiner Erlösungshoffnung verbunden. Frauen sind allzu eigenwillige, selbstbewusste Wesen, wandelnde Vorwürfe gegenüber der eigenen Haltlosigkeit. Zuflucht findet Momo nur bei den Kumpels.

Dazu gehört auch, dass er sich um die gesellschaftlichen Dimensionen des Studentendaseins keinerlei Gedanken macht, anders als jeder aktuelle Hörsaalbesetzer. Stattdessen wird der Story ein etwas zusammenhangsloses Happy End in Australien angeklebt. Wie heißt es so schön bei Tocotronic: "Michael Ende, nur du bist schuld daran / Dass aus uns nichts werden kann / Du hast uns mit deinen Tricks / Aus der Gesellschaft ausgeixt."

13 SEMESTER, D 2009 - Regie: Frieder Wittich. Buch: Wittich, Oliver Ziegenbalg. Kamera: Christian Rein. Mit: Max Riemelt, Alexander Fehling, Claudia Eisinger, Robert Gwisdek. Verleih: Fox, 102 Minuten.

© SZ vom 7.1.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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