Süddeutsche Zeitung

Im Interview: Randy Newman:"Ich liefere, was sie wollen"

Er will es noch einmal wissen: Der Songwriter Randy Newman übers Älterwerden, Kitsch und Barack Obama, den er noch nicht als Gewinner sieht.

Willi Winkler

Randy Newman hat einen mörderischen Schluckauf. Er sitzt in einem überwiegend weißen Hotelzimmer in Hamburg; auch die Haare sind inzwischen weiß. Seit drei Tagen und zwei Städten gibt er pausenlos Interviews, bei denen ihn ein Heer junger Assistenten bewacht, die alle seine Kinder, sogar seine Enkel sein könnten. Heute ist er melancholisch, aber das ist er wahrscheinlich immer. Er formuliert sprunghaft, wechselt die Tonart wie in seinen Songs. Gegen den Schluckauf lässt er sich Mineralwasser einschenken, spritziges.

SZ: Mr. Newman, Sie sind der erste Amerikaner, dem Mineralwasser mit Kohlensäure schmeckt.

Randy Newman: Das hier mag ich einfach nicht. (Er zeigt auf eine Flasche.) Es soll das beste sein, doch wie kann es das beste sein, wenn sich der Name rückwärts wie "naive" liest? Aber was ist das für ein Gespräch? Dass man alt wird, merkt man, wenn es nur noch um Verdauungsbeschwerden und Mineralwässer geht.

SZ: In Ihrem Lied "The World Isn't Fair" schildern Sie den Schock, als später Vater in der Schule auf die vielen jungen Mütter zu treffen.

Newman: Ich habe zwei kleine Kinder auf der Schule. Bei der Einführungsveranstaltung sah ich lauter bildschöne, junge Frauen mit Kerlen wie mir und noch schlimmer. Ich habe mich nie in der Illusion gewiegt, dass ein 24-jähriges Model einen 61-jährigen Fettsack tatsächlich mögen könnte. Wie kann man sich nur einbilden, dass diese jungen Frauen irgendwas an einem Kerl mit sechsfachem Doppelkinn finden, der dummes Zeug brabbelt. Es ist...

SZ: ...das Geld?

Newman: Natürlich liegt es am Geld. Es wäre schön, wenn es anders wäre, aber ich glaube es nicht.

SZ: Sie haben es auch irgendwie geschafft, eine jüngere Frau zu erobern.

Newman: Aber nicht so arg viel. 17 Jahre jünger.

SZ: Immerhin.

Newman: Sie ist eine sehr gute Frau und Mutter.

SZ: Zu Ihnen war das Leben also fair?

Newman: Fair nicht, sondern ich hatte Glück, und dessen bin ich mir auch immer bewusst. Die Leute in meiner Umgebung vergessen gern, wie sehr sie vom Glück begünstigt sind. Sie wissen nichts von den Menschen, denen der Anstieg der Benzinpreise wirklich an die Nieren geht, die von der Wirtschaftsentwicklung tatsächlich getroffen werden, weil es für sie dann schwer wird, zur Arbeit zu kommen.

SZ: Aber nicht für die Leute in Ihrer Umgebung.

Newman: Nein, aber sie jammern, als ginge es um Leben und Tod. (Er macht eine musikalische Pause.) Ich mag die Gegend nicht, in der ich lebe.

SZ: Das ist in Los Angeles. Wo genau - Santa Monica?

Newman: Pacific Palisades.

SZ: Da hat doch Thomas Mann gewohnt.

Newman: Genau dort wohne ich, nur ein paar Hausnummern weiter. In den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren weht dort immer eine amerikanische Flagge.

SZ: Das ist lustig, weil Thomas Mann die USA 1952 wegen der McCarthy-Verfolgung wieder verließ.

Newman: Mit Recht. Ich habe den "Zauberberg" und "Doktor Faustus" gelesen, aber nie "Joseph und seine Brüder". Warum hat er sich so lange mit dieser biblischen Geschichte beschäftigt?

SZ: Die Bücher sind ein recht zeitgenössisches Werk. Im letzten Band behandelt er Franklin Roosevelts "New Deal".

Newman: Ist er für oder gegen den New Deal?

SZ: Dafür natürlich. Sie haben ein "Faust"-Musical geschrieben, für einen Liedermacher nicht unbedingt der nächstliegende Stoff. Lesen Sie tatsächlich diese ganzen schweren Europäer von Goethe bis Thomas Mann?

Newman: Ich kenne mich in der Literatur weit besser aus als in der Musik.

SZ: Glaube ich nicht!

Newman: Doch, ich habe mich immer mehr mit Büchern beschäftigt als mit Musik. Erst neuerdings habe ich die Geduld, mir Musik aufmerksam anzuhören. Sie beruhigt mich, aber nicht nur das. Gustav Mahlers Fünfte oder seine Neunte - das erhebt mich. Beethovens Missa Solemnis hatte mich früher nie interessiert. Jetzt weiß ich, das ist ein unvergleichliches Werk, mit nichts anderem vergleichbar, auch in seinem Werk einzigartig. Ich wusste gar nicht, wie ich mich dazu verhalten soll: Ich war einfach begeistert.

SZ: Und das geht Ihnen erst jetzt so?

Newman: Erst in den letzten zehn, zwölf Jahren. Es muss an der religiösen Grundierung liegen. Man könnte die These wagen und sie auch belegen, dass Kunst das einzig Gute ist, was die Religion je hervorgebracht hat. Sehen Sie sich Johann Sebastian Bach an.

SZ: Für den die Kirche der Auftraggeber war.

Newman: Außerdem war Bach fromm. Vermutlich überlegte er die meiste Zeit, ob er als nächstes ein G oder ein gis brauchte, aber wahrscheinlich half ihm sein Glaube beim Komponieren.

SZ: Angenommen, wir hätten den Anfang des 18. Jahrhunderts. Wer wären Sie dann gern gewesen?

Newman: Georg Friedrich Händel.

SZ: Warum?

Newman: Händel war erfolgreich.

SZ: Das sind Sie doch auch.

Newman: Aber bei ihm kam das ganz von allein, völlig selbstverständlich, ohne jede Anstrengung. Bach war ein richtig fleißiger Arbeiter, der knobelte und alles berechnete und deshalb auch vollenden konnte. Vielleicht ist er der größte Komponist, der je gelebt hat. Händels Musik dagegen ist immer angenehm und liebenswürdig.

SZ: Händel arbeitete in London und musste deshalb nicht so deutsch sein, so sehr "O Haupt voll Blut und Wunden". Er war kommerzieller.

Newman: Kommerziell trifft es, auch wenn das Wort überhaupt nicht ins 18. Jahrhundert passt. Diese Art heiterer Musik entsprach Händels Natur. Vielleicht war er überhaupt eine Ausnahme, etwas, das es sonst nicht gibt: ein Künstler, der auch noch glücklich war.

SZ: Sie haben vorhin Thomas Manns "Doktor Faustus" erwähnt: Haben Sie sich je mit Arnold Schönberg beschäftigt, auf dessen Zwölftonmusik Adrian Leverkühns Kompositionen zurückgehen sollen?

Newman: Ich habe "Moses und Aron" gehört, und es hat mir sehr gefallen.

SZ: Erstaunlich.

Newman: Schönberg verfügt nicht über das dramatische Gespür von Alban Berg, aber immerhin.

SZ: Auch noch Berg! Ist es nicht seltsam, dass einem amerikanischem Musiker ausgerechnet die atonale europäische Avantgarde so geläufig ist?

Newman: Ein bisschen weiß ich schon Bescheid bei richtiger, ernster Musik. Ich kann komponieren, zwar nicht wie Joseph Haydn, aber auch für ein großes Orchester. In meinen Stücken beschäftige ich mich aber mehr mit Figuren, mit Rollen. Der Erzähler in "A Few Words in Defense of Our Country"...

SZ: ...steht Ihnen doch nicht so fern, wenn er sein Land, die USA, scheinbar verteidigt und damit erst recht kritisiert.

Newman: Er interessiert mich, wenn er bei seinen Predigen sein Land so zynisch verteidigt. Wir haben nicht die schlimmste Regierung in der Welt, aber die schlimmste,die wir in den Vereinigten Staaten je hatten.

SZ: Sie sind selber schuld, wenn Sie die Sprache auf das Thema bringen, das in Deutschland alle interessiert. Warum dieser verwöhnte Sohn als Präsident?

Newman: Das ganze Getöse, das diese Regierung um sich veranstaltet hat - "Holt die Kerle!" "Tot oder lebendig" "Achse des Bösen" -, es ist doch furchtbar! Selbst Richard Nixon war kein so schlechter Präsident, der verstand wenigstens die Grundregeln. Nixon hätte nicht so schamlos die Grundrechte außer Kraft gesetzt.

SZ: Jetzt wenn wir die Sache einmal nicht politisch, sondern literarisch betrachten: Ist George W. Bush nicht ein begnadeter Komiker?

Newman: Das können Sie natürlich so sehen. Was die Leute auf jeden Fall für ihn einnimmt, ist sein kumpelhaftes Wesen. Ich habe nie einen Präsidenten erlebt, der sich in Gesellschaft von Schwarzen so ungezwungen verhält.

SZ: Auch Bill Clinton nicht, den Toni Morrison den ersten schwarzen Präsidenten der USA nannte?

Newman: Auch Clinton nicht. Bush kann mit allen. Selbst wenn ein Zebra zu ihm käme, er hätte keine Schwierigkeiten damit: "Wie geht's?" würde er sagen. "Was gibt's Neues?" Hillary Clinton wirkt dagegen wie eine Aristokratin, fern, unnahbar. Ich hoffe, Obama gewinnt. Aber am Ende ist jeder besser als Bush, wirklich jeder.

SZ: Es scheint ja auf Barack Obama zuzulaufen.

Newman: Sicher ist das nicht. Vierzig Prozent der Amerikaner werden in keinem Fall für einen Schwarzen stimmen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Randy Newman in seinem Leben nur ein einziges Mal ein kitschiges Liebeslied verstanden hat.

SZ: Ich muss Sie jetzt endlich doch zu Ihrer Musik fragen: Sie schreiben Filmmelodien, zum Beispiel für den Zeichentrickfilm "Cars", und Sie schreiben Ihre Lieder, die ganz anders sind. Wo ist der Unterschied für Sie beim Komponieren?

Newman: Es sind einfach unterschiedliche Aufträge. Ich bin stolz darauf, dass ich beides kann, dass man mir zutraut, einem Film durch meine Begleitung zum Erfolg zu verhelfen. Mir ist es egal, wie schlicht, wie sentimental mein Beitrag dabei ist. Ich kann ihnen liefern, was sie wollen. Ich mach das gern, sie mögen es meistens auch. Im Unterschied zur Filmmusik sind meine Songs weit weniger leicht zu mögen. Ich schreibe für meine Stimme, und meine Stimme klingt einfach nicht wie die Stimme eines romantischen Helden. Diese Stimme fühlt sich am wohlsten, wenn sie nicht irgendeine eingängige Melodie singt, sondern mehr am Blues orientiert ist oder am Country wie zum Beispiel in dem Song "Losing You". Das passt viel mehr zu mir als "Feels Like Home", das ebenfalls auf der neuen Platte ist.

SZ: Sind Sie für die populäre Musik zu intellektuell?

Newman: Das Sentimentale liegt mir nicht; ich weiß, dass das bei mir ein Defekt ist. Als ich meine neue Platte machte, hörte ich mir meine alten Sachen wieder an, manche hatte ich zehn Jahre nicht gehört, und da war einiges seltsames, ungewöhnliches Zeug dabei. Meine Arbeit entspricht einfach nicht dem, was man an gefälliger Musik erwartet. Diese Musik läuft im Hintergrund, im Radio, man hört nicht richtig zu, sondern macht noch was anderes. Bei mir verpasst man etwas, wenn man nicht zuhört. Meine Musik - sie eignet sich für nichts, man kann sie nicht einfach so bei einer Party spielen.

SZ: Aber diese Hintergrundmusik ist Ihnen doch nicht fremd.

Newman: Nur ein einziges Mal, als ich in jemanden verliebt war und nicht erhört wurde, verstand ich das süßliche Zeug im Radio. Sonst höre ich da nur die dümmsten Wörter, die je erfunden wurden, aber dieses eine Mal haben sie mich gerührt.

SZ: Was war das?

Newman: So Zeug von George Jones.

SZ: Richtig triefender Kitsch?

Newman: Ja, dieses eine Mal funktionierte es. Ich bin im Auto herumgefahren, es ging mir elendiglich schlecht, und ich habe das gehört. Da habe ich begriffen, dass 90, 95 Prozent aller populären Musik, gleich ob von Gershwin, Rodgers und Hammerstein, Carole King, egal von wem, genau das ist: Lieder von der Liebe. Der Autor, der Sänger will die Menschen erreichen, und die Menschen brauchen diesen Trost. Man will hören, dass es Leute gibt, denen es so schlecht ging wie dir, die es aber überlebt haben, und davon berichten können.

SZ: Genau das liefern Sie ja nicht.

Newman: Dieser sentimentale Moment hat meinen Stil, meine Art zu schreiben nicht verändert. Aber ich bin in den letzten Jahren mehr an autobiographischen Sachen interessiert. Es geht darum, Sachen zu finden, die mir näher sind. "Potholes" ist genau so passiert, wie ich es beschreibe. Mein Vater hat genau das bei meiner Frau getan. Ich bin in all meinen Platten, aber bei "Harps and Angels" ist es mehr als früher.

SZ: Sie sind doch auch schon in "Sail Away" oder in diesem schönen, grausamen Lied "In Germany Before the War".

Newman: Ich versuche, in den Kopf der Figur zu gelangen, über die ich singe. Das klingt vielleicht anmaßend, aber ich versuche es.

SZ: Sie können dabei eine schöne Stimmung erzeugen, und trotzdem geht es um so schreckliche Dinge wie den Massenmörder Kürten in Düsseldorf vor dem Krieg. Hat Ihr starkes Interesse an Europa damit zu tun, dass Sie Jude sind?

Newman: Nein, aber in Europa ist einfach so viel passiert. Mich beschäftigt, auch wegen Obama, ein bestimmter Gedanke: Die Menschen kommen nicht miteinander aus. Sie mögen sich nicht. In Belgien jetzt der Streit zwischen Flamen und Wallonen. Holland, das liberalste Land, in dem ich je war, wehrt sich plötzlich gegen alles Fremde. Ich muss an den 30-jährigen Krieg denken. Er war sicherlich wichtiger als die Französische Revolution.

SZ: Warum?

Newman: Weil die Leute verrückt geworden sind. Natürlich gab es schon vorher Akteure in der Geschichte, aber dieser Krieg bestimmte, wie es mit Europa bis Bismarck weiterging. Der Krieg war wie eine schreckliche Kindheit für Deutschland und für Europa.

SZ: Es war ein politischer Krieg, der über die Religion ausgetragen wurde. Klingt wie von heute.

Newman: Wissen Sie, die jüdische Religion wäre nie ein Hit geworden, wenn nicht Mohammed sie groß gemacht hätte.

SZ: Vorsicht, das ist gefährliches Terrain.

Newman: Die Religion des Alten Testaments war einfach zu hart. Dieser eifersüchtige Gott und alles. Die Juden waren damit geschlagen.

.SZ: Gott wollte sein Volk nicht aufgeben, dafür hatte er es ja auserwählt.

Newman: Bis das Christentum und der Islam kamen, wo es eine Aussicht auf etwas anderes, wo es plötzlich eine Belohnung gab. Mohammed machte den Monotheismus populär. Seitdem kann man an ein Leben nach dem Tod glauben.

SZ: Sie meinen doch bloß die Huris im Paradies.

Newman: Das ist doch nicht schlecht. Das Wichtige für mich ist das Leben nach dem Tod.

SZ: Davon handelt "Harps and Angels", aber es klingt nicht sehr fromm. Droht denn die Gefahr, dass Sie milder, sanfter werden mit den Jahren?

Newman: Während ich älter werde, denke ich an einige der früheren Sachen zurück, von denen ich mir heute sage, die haben nichts, gar nichts mit mir zu tun. Ein Vater, der ein Kind erzieht, ganz kalt, dass es nicht an Gott und nichts glaubt. Aber es hatte mit dem zu tun, was mit meinem Vater war. Als er starb, wollte ich etwas sagen zu ihm, aber ich hatte die Worte nicht zur Verfügung, weil sie mir nicht beigebracht worden waren. Wir hatten uns nichts zu sagen und sahen zusammen fern. Vielleicht - aber ich muss schnell mal aufs Klo. Auch ein Zeichen des Alters.

(Randy Newman geht nebenan auf die Toilette, redet von dort weiter. Leider ist nichts zu verstehen. Dann kommt er zurück.)

Newman: Ich kann heute sicherlich besser arrangieren, das lernt man. Es hat sicher mit meiner Familie zu tun.

SZ: Drei Ihrer Onkel, heißt es, waren Komponisten und haben Filmmusik geschrieben.

Newman: Mein Onkel Albert dirigierte bei meiner ersten Platte. Er sagte, deine Stimme klingt gut mit Streichern. Viel später wurde mir klar, dass er meinte, es klingt nicht so gut mit Holzblasinstrumenten, dass mein ganzes Arrangement also falsch war. Es ist nicht nur gut, wenn man aus einer solchen Familie kommt und immer als Teil von ihr betrachtet wird.

SZ: Weil man immer verglichen wird?

Newman: Schlimmer sind die Erwartungen. Für mich ist es eine Frage von Leben und Tod, dass ich gute Sachen schreibe. Das ist so verflucht wichtig, dass es mich jedes Mal bremst, wenn ich zu arbeiten anfange. Es geht nur ganz langsam. In zwanzig Jahren habe ich nur drei Alben, das ist doch furchtbar.

SZ: Warum dauert es so lang? Weil es so viel Aufwand erfordert?

Newman: Es ist, als hätte ich immer noch Angst. Es ist für mich nicht schwer, mit dem Arbeiten anzufangen, mit dem Schreiben, dem Komponieren. Schwierig ist das Durchhalten, das fortgesetzte Arbeiten. Das ist kein Spaß. Man muss jeden Tag weitermachen, Tag für Tag, und dann kommt nichts, es passiert einfach nichts. Man denkt, es seien eineinhalb Stunden vergangen, und wenn man auf die Uhr schaut, sind es doch bloß zwanzig Minuten.

SZ: Das kennen alle Künstler.

Newman: Vielleicht tut es mir gut, wenn ich drüber rede. Ich habe es nie forciert, also dass ich Tabletten genommen hätte, die mir eine halbe, eine ganze Stunde halfen. Am nächsten Tag wäre es mir doch noch schlechter als zuvor gegangen. Ich bin in einem Alter, in dem ich mich entscheiden muss, was ich mit dem Rest meines Lebens anfange, was ich mit den zwölf Jahren tue, die mir noch bleiben.

SZ: Sie sind doch erst 64.

Newman: Vielleicht bleiben mir fünfzehn. Ich mag Musiker so gern, dass ich gern gute Musik für sie schreiben will. Für mich selber ist es viel schwieriger. Es ist, wie wenn man einen Berg errichtet, den man dann nicht ersteigen kann.

Randy Newman, 64, ist sicherlich der bösartigste Liedermacher, den die USA in den letzten vierzig Jahren hervorgebracht haben. Sein Lied "Short People", mit seiner schneidenden Stimme zu Klavierbegleitung vorgetragen, war ein sarkastisches Stück Rollenprosa und wurde sofort als behindertenfeindlich missverstanden. Newman kommt aus einer Musikerfamilie: Drei seiner Onkel arbeiteten in Hollywood als Filmkomponisten, und auch er hat für Dutzende Filme die Musik geschrieben; für "If I Don't Have You" erhielt er 2002 den Oscar. Als sein eigentliches Werk betrachtet er jedoch seine Alben, die in immer größeren Abständen erscheinen. Sein Lied "Louisiana 1927", das er bereits in den Siebzigern schrieb, ist in New Orleans nach dem Wirbelsturm "Katrina" über Nacht zur Hymne geworden. Jetzt ist "Harps and Angels" erschienen, auf dem Randy Newman gnadenlos mit dem für ihn verkommenen Amerika von George W. Bush abrechnet.

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Quelle:
SZW vom 09./10.08.2008/sst
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