Im Interview: Pam Grier:"Es geht nur um Körper"

Früher hat Pam Grier Halunken verprügelt, dann war die Schauspielerin Tarantinos "Jackie Brown". Grier über Obama, Tampons und Toleranz.

M. Stocker, Vancouver

Pam Grier hört man, bevor man sie sieht: Laut schallt ihr Lachen durch die Kulissen der Coast Mountain Film Studios in Vancouver. Hier wird die letzte Staffel der amerikanischen TV-Serie "The L Word" gedreht, die von einer lesbischen Frauenclique in Los Angeles handelt.

Im Interview: Pam Grier: Kultfigur Pam Grier: Die 59-Jährige hält die Zuschauer seit den Siebzigern auf Trab.

Kultfigur Pam Grier: Die 59-Jährige hält die Zuschauer seit den Siebzigern auf Trab.

(Foto: Foto: dpa)

Pam Grier spielt die Sängerin und Barbesitzerin Kit Porter. Als sie aus der Kulisse tritt, zieht die 1,73 Meter große Schauspielerin alle Aufmerksamkeit auf sich. Die 59-Jährige mit den langen schwarzen Locken erzählt lautstark, ihre Augen funkeln. Wenn es nach Pam Grier ginge, lebten wir in einer toleranten Traumgesellschaft. Fast möchte man ihr glauben, dass das gar nicht so utopisch ist.

sueddeutsche.de: Wie geht es Ihnen, Frau Grier?

Pam Grier: (lacht laut) Oh, wie Sie sehen können, bin ich total deprimiert. Ich fürchte, ich kann nicht mit Ihnen sprechen.

sueddeutsche.de: Das wäre äußerst schade. Sind Sie traurig, weil Sie derzeit die letzte Staffel von "The L Word" drehen?

Grier: Wollen Sie mich veräppeln? Ich denke positiv. Wir haben den Samen der Toleranz gesät, jetzt liegt es an den Zuschauern, Angst und Ignoranz zu besiegen.

sueddeutsche.de: Und wie steht es um die Toleranz in der Welt?

Grier: Wissen Sie, jeder wird mit einem bestimmten Attribut versehen. Zum Beispiel "schwarz" oder "weiß". (Sie macht Anführungszeichen mit den Fingern und spuckt die Worte geradezu aus.) Man denkt: Pam Grier ist schwarz. Aber ich trage neben den afroamerikanischen noch philippinische, chinesische, rumänische und indianische Wurzeln in mir. Aber nein: Pam Grier ist schwarz. Verstehen Sie? Halle Berry: schwarz; Mariah Carey: schwarz. Dabei haben sie alle unterschiedlichste Wurzeln. Diese Etikettierung ist so überflüssig.

sueddeutsche.de: In seiner Berliner Rede hat auch Barack Obama seine multinationalen Wurzeln erwähnt.

Grier: Obamas Mutter stammt aus Kansas, sein Vater aus Kenia. Ich habe mir seine Berliner Rede angehört. Er bringt uns Amerikaner zum Nachdenken. John Mayer singt: "Someone gets power by taking it." Und wenn das für Generationen, für Jahrzehnte außer Kontrolle gerät und dann die Kinder heranwachsen und sagen: "Oh, warte einen Moment! Du hast unrecht! Wir können so nicht weiterleben, wir machen große Fehler!" Das ist wunderbar.

sueddeutsche.de: Also setzen Sie große Hoffnungen in die Wahlen im November?

Grier: Obama ist einer, der es schaffen kann. Er hat verstanden, dass der Dialog wichtig ist und dass wir alle voneinander lernen können. Auf seiner Europareise hat er einen Republikaner mitgenommen, einen Wirtschafts- und Kriegsstrategen. Und in Utah sagte ein 40-jähriger Republikaner: "Ich wähle Barack Obama. Aber deshalb muss ich nicht aufhören, Republikaner zu sein. Genau dafür wähle ich." Nur so kommen die besten Köpfe zusammen.

sueddeutsche.de: Was ärgert Sie in der US-Gesellschaft am meisten?

Grier: Als "schwarzer", afroamerikanischer Frau wurden mir viele Hindernisse in den Weg gelegt, nur aufgrund meiner Hautfarbe. Dieses Thema betrifft jeden, da es durch die Globalisierung eine Weiterentwicklung der Kulturen und die Mischung verschiedener Kulturkreise gibt. Ich meine, man kann doch nicht dasitzen und sagen: "Ich bin Ire, meine Familie war schon immer irisch, das soll für immer so bleiben." Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe Irland, ich liebe die Landschaft, und ich liebe es, im Pub zu sitzen und mir die Männer dort anzusehen. (lacht)

sueddeutsche.de: Worin besteht Ihrer Meinung nach die größte Gefahr?

Grier: Wenn die Leute sich nicht weiterentwickeln, leben sie in einer archaischen Gesellschaft, die gefährlich und abweisend ist. Wir sehen, was daraus werden kann, wenn in geschlossenen muslimischen Gesellschaften Frauen keine Ausbildung bekommen. Aber wir sehen auch, wohin uns das gebracht hat. Wir sind in einen Krieg gezogen und wussten nicht einmal, was der Islam eigentlich ist.

sueddeutsche.de: Wissen wir es denn inzwischen?

Grier: Nein, wir wissen es immer noch nicht. Wenn wir gewusst hätten, was im Koran steht, hätten wir keinen Krieg. Du kannst nicht einfach da einmarschieren und sagen: "Deine Bibel ist falsch, und Frauen können eine Ausbildung bekommen." Versuch das mal bei einem aggressiven Bibelverfechter am Mississippi. Das funktioniert genauso wenig.

sueddeutsche.de: Haben Sie eine Mission?

Grier: Keine Mission, aber es ist mir wichtig, eine Art Leuchtturm für die afroamerikanische Gemeinschaft zu sein und Ihnen Ihre Ängste zu nehmen. Zum Beispiel ist Homophobie noch ein sehr großes Problem. Nach der Bürgerrechts- und der Frauenbewegung ist jetzt die Schwul-Lesbische-Bewegung am Zug. Man kann nicht jeden mögen, aber man kann sein Gegenüber zumindest respektieren. Ansonsten stehen uns düstere Zeiten bevor. Die Leute reden immer vom Himmel. Wenn es einen gibt, hätte ich gerne einen Tennisplatz und einen Swimmingpool. (lacht) Für mich ist der Himmel hier auf Erden, deshalb sollten wir es uns hier schön machen.

sueddeutsche.de: Wie wichtig ist Ihnen die politische Aussage einer Rolle?

Grier: Meine ersten Filme waren einfach Leichen, Tod und Mafia...und Zeugenschutzprogramme. Ich halte Ausschau nach aussagekräftigen Rollen, aber es gibt sie nicht immer. Das hängt von der Stimmung in der Unterhaltungsindustrie ab. Im Grunde geht es doch immer nur um Körper. Bei "The L Word" wollten die Zuschauer Unterhaltung und heiße Körper. Gut, damit haben wir ihre Aufmerksamkeit bekommen und dann ernste Inhalte einfließen lassen und die wirklich wichtigen Dinge thematisiert. Abtreibung, Adoption, Homosexualität im Militär, multikulturelle Familien, Krebs.

sueddeutsche.de: Sie wurden in den 1970er-Jahren mit den Blaxploitation-Filmen "Coffy" und "Foxy Brown" bekannt. Stets verkörperten Sie starke "schwarze" Frauen, "Badass Ladies". Sehen Sie sich als Vorbild für die Emanzipierung der afroamerikanischen Frau?

Grier: In meinen Filmen aus den siebziger Jahren ging es zum ersten Mal um schwarzen Stolz. Foxy Brown oder Coffy sind starke Frauen, die ihre Weiblichkeit trotz ihres gerechten Zorns nicht verlieren.

sueddeutsche.de: Gibt es heute eine neue Art der Frauenbewegung?

Grier: Es gibt jedes Jahr eine neue Generation, aber ich hoffe, dass sich die Bewegung der lesbischen und der heterosexuellen Frauen vereint und sie gemeinsam kämpfen. Nur so können sie ihr Ziel erreichen. Wir Frauen haben eine Gebärmutter, wir haben Dinge, vor denen die Leute Angst haben. Wenn man ein Tampon in eine Gruppe kleiner Jungs wirft, rennen sie weg und kreischen: "Es ist benützt...iiieh." Heutzutage sieht man Hygieneartikel im Fernsehen, und es ist ganz natürlich. Es hat sich schon viel getan. Neulich fragte mich zum Bespiel ein fünfjähriges Mädchen: "Pam, warum gibt nur es einen Gameboy und kein Gamegirl?" Die Frage zeigt, dass ihr das als weibliches Wesen etwas bedeutet. Ein kluges Kind.

sueddeutsche.de: Sie haben in Ihrem Leben viel erlebt. Was muss man immer wieder erzählen?

Grier: Mein Großvater ging mit mir jagen und fischen, weil ich nicht zu den Pfadfindern durfte. Das erzähle ich den Mädchen, die nicht einmal wissen, dass die Rassentrennung überhaupt existiert hat. Als ich 1972 nach Los Angeles kam, sah ich aus wie die letzte Landpomeranze. Ich kaufte mir Rock und Bluse und fragte, ob es möglich sei, die Kleidung anzuprobieren. Man verstand meine Frage überhaupt nicht. Aber da, wo ich herkam, konnte ich die Sachen nur mit nach Hause nehmen, im Kaufhaus anprobieren durfte ich sie nicht. Aus heutiger Perspektive ist das zum Glück unvorstellbar.

Pam Grier ist 1949 in North Carolina geboren. In den 1970er Jahren wurde sie als Schauspielerin in harten Actionfilmen bekannt. Nach einer Krebsdiagnose 1988 gaben ihr die Ärzte noch 18 Monate zu leben. Grier besiegte die Krankheit und spielte sich 1997 mit der Rolle der Jackie Brown im gleichnamigen Film von Quentin Tarantino zurück in die Riege der Hollywoodstars. Zurzeit schreibt sie ihre Autobiographie. Ein Film über ihr Leben soll ebenfalls in Planung sein. Auf die Frage, wer die perfekte Besetzung für die Rolle der Pam Grier sei, antwortet sie: "Rihanna". Wenn Pam Grier nicht vor der Kamera steht, lebt sie mit ihren Pferden auf einer Farm in Colorado.

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