Die amerikanische Performance-Künstlerin Laurie Anderson war zwei Jahre lang artist in residence bei der Nasa. In einem Interview erklärt sie, was sie gelernt hat über das All, die Wissenschaft und die Kunst.
SZ: Wie war es denn bei der Nasa?
Laurie Anderson: Ich durfte durch das Hubble Teleskop schauen. Ich war in Ames und habe die Nanotechnologie kennen gelernt, und ich war in Houston bei Mission Control. Die Wissenschaftler waren mir gar nicht so fremd: Sie wissen auch nicht genau, wonach sie suchen.
SZ: Was heißt das?
Anderson: Die Nasa liebt Gleichungen. Da wird gern davon geredet, dass uns 90 Prozent des Universums unbekannt seien. Da frage ich mich: warum 90 Prozent du nicht 99,9 Prozent? Wie kann man in Prozenten über etwas spekulieren, das man nicht kennt? Und dann diese bizarre Männerterminologie. Die Wissenschaftler behaupten, es gebe im All aktivere und passivere Teilchen. Die aktiveren nennen sie "Machos", die passiven "whimps", Weichlinge. In welchen Kategorien denken diese Herren eigentlich? Es geht hier ja nicht um ein alkoholgeschwängertes Gespräch an der Bar - sondern um Wissenschaft.
SZ: Hat es Sie schockiert zu erfahren, dass viele Aufträge der Nasa vom Militär stammen - und dass die nanotechnologisch erprobten Raumanzüge die Soldatenuniformen der Zukunft sind?
Anderson: Nein. Ich habe ja schon in den 60er Jahren vom militärisch-industriellen Komplex gehört.
SZ: Die Nasa erwartete von Ihnen ein Kunstwerk. Hat sie es bekommen?
Anderson: "Das Ende des Mondes" ist eine Art langes Gedicht. Der Titel bezieht sich auf Gedankenspiele unter der Regierung Kennedy, Atomexperimente auf der dunklen Seite des Mondes durchzuführen, damit niemand davon erfährt.
SZ: Hat Sie die Nasa inspiriert?
Anderson: Ich habe mir jedenfalls viele Fragen gestellt. Da werden diese Daten gesammelt, die sich kein Mensch vorstellen kann. Die Nasa aber präsentiert angebliche Fotos in pink und blau, die auf diesen Daten basieren und aussehen wie Disney-Kitsch. Ich fragte die Forscher, wie sie auf diese Farben kommen, und sie sagten: "Wir dachten, sie würden den Leuten gefallen." Bei der Nasa gibt es also Künstler. Nur: Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun, eher mit PR.
Interview: Werner Bloch