Im Interview: Georg Kofler:"ARD und ZDF machen das bessere Fernsehen"

Vor einem knappen Jahr zog sich Georg Kofler überraschend aus dem Fernsehgeschäft zurück. Mit uns sprach er über die Schwierigkeiten der Privatsender und über sein verjüngtes Lebensgefühl.

Caspar Busse

Der Blick aus dem Büro geht auf die Theresienwiese und auf die mächtige Bavaria. Georg Kofler kommt ein paar Minuten zu spät und ist noch ganz der Alte. Inzwischen hat er zwar das Energieunternehmen Gruppe Georg Kofler gegründet. Doch wenn die Sprache auf das Fernsehen kommt, blüht er auf.

Georg Kofler, dpa

Ex-Medienmanager Georg Kofler: "Die Privatsender sind auf Positionssuche und in schlingerndem Fahrwasser."

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Kofler, vor knapp einem Jahr sind Sie bei Premiere ausgestiegen. Vermissen Sie das Fernsehgeschäft?

Kofler: Nein, kein bisschen. Ich bin mit meinen neuen Themen als Unternehmer beschäftigt, das füllt mich aus, das ist meine Zukunft. Es gibt keinen Anlass, nostalgisch in die Vergangenheit zu schauen. Wenn ich manchmal lese, was im Fernsehgeschäft so läuft, bin ich ganz froh, dass ich mich mit anderen Dingen beschäftige.

SZ: Die Lage bei Premiere ist alles andere als rosig, die Aussichten sind auch nicht gut. Haben Sie sich genau zum richtigen Zeitpunkt verabschiedet?

Kofler: Ich glaube nach wie vor, dass Premiere für das digitale Zeitalter strategisch gut gerüstet ist. Premiere hat mit Rupert Murdoch den am besten qualifizierten Gesellschafter gefunden. Und auch die Aktie ist gar nicht schlecht gelaufen. Im Vergleich zur Aktie von Pro Sieben Sat1 ist sie doch geradezu ein Stabilitätsanker.

SZ: Also doch kein guter Zeitpunkt?

Kofler: Für meine persönliche Lebensplanung war der Zeitpunkt für den Ausstieg richtig. Die Frage war doch: Mache ich den Job noch drei bis fünf Jahre weiter, verhandele ich also die neuen Verträge mit der Bundesliga und ziehe das dann durch, oder steige ich gleich aus? Ich musste mich damals binnen weniger Tage entscheiden, weil Aktienverkäufe von Insidern nur innerhalb kurzer Fristen möglich sind. Ich stand an einer Wegscheide. Nach 25 Jahren in der Branche hatte ich das Gefühl, dass das Fernsehgeschäft für mich inhaltlich ausgereizt war. Die Perspektive, zum x-ten Mal Fußballrechte zu verhandeln, fand ich einfach nicht mehr spannend.

SZ: Es gibt viele, die sagen, Sie hätten alles andere als ein bestelltes Haus hinterlassen. Stimmt das?

Kofler: In so bewegten Zeiten ist kein Haus je perfekt bestellt. Ein aktives Unternehmen ist eine ständige Baustelle. Aber ich erlaube mir zu sagen, dass ich Premiere unter schwierigsten Umständen auf einen guten Weg gebracht habe. Daher konnte ich mit gutem Gewissen gehen. Geschäftsübergabe und Nachfolgeregelung haben wir geradezu vorbildlich organisiert.

SZ: Vor 20 Jahren wurden Sie Chef bei Eureka, dem späteren Pro Sieben. Was hat sich seitdem am stärksten geändert?

Kofler: Damals war Privatfernsehen ein stürmischer Wachstumsmarkt. Es war der 13. Oktober 1988, ein Donnerstag, als ich zum Geschäftsführer bei Eureka bestellt wurde. 1989 haben wir dann mit Pro Sieben 10,5 Millionen D-Mark Umsatz erzielt, 1990 stiegen wir auf 60 und 1991 auf 160 Millionen D-Mark.

SZ: Die Zahlen haben Sie alle noch präsent?

Kofler: Na klar: Es folgten 400 Millionen, 700 Millionen, 1,1 Milliarden, 1,4 Milliarden, und so ging es weiter. Heute müssen viele Medienunternehmen schon froh sein, wenn sie den Umsatz des Vorjahres erreichen. Der Markt ist weitgehend gesättigt, wir sprechen über klassischen Verdrängungswettbewerb.

SZ: Eureka war 1988 in keiner guten Verfassung.

Kofler: Eureka stand kurz vor der Pleite, und ich war 31 Jahre alt. Das war schon ein großer Vertrauensvorschuss der Gesellschafter, also der Familien Kirch und Ackermann.

SZ: Haben Sie noch Kontakt zu Leo Kirch?

Kofler: Zu Leo? Ja, ich habe ihn vorgestern gesehen.

SZ: Und, ist er noch fit?

Kofler: Ja, wie immer - ein Naturwunder fast.

SZ: Schafft Leo Kirch sein Comeback?

Kofler: Ganz sicher, ich wünsche es ihm. Leo hat einen unbändigen Unternehmerwillen. Er hat so viel Innovatives und Ungewöhnliches für die Medienbranche geleistet. Jetzt hat er quasi einen Wunsch frei.

SZ: Wie viel haben Sie Kirch zu verdanken?

Kofler: Er hat mir mit Pro Sieben die unternehmerische Chance meines Lebens eröffnet. Damals gab es eine wunderbare Aufbruchsstimmung im Fernsehgeschäft. Heute herrscht über weite Strecken eher Defensivstimmung.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie Kofler die Rolle von Finanzinvestoren im Fernsehgeschäft beurteilt.

"ARD und ZDF machen das bessere Fernsehen"

SZ: Auch bei Pro Sieben Sat1 ist die Stimmung defensiv. Was haben die Leute dort Ihrer Meinung nach falsch gemacht?

Kofler: Der Markt ist schwieriger geworden: Es gibt erstens mehr Fragmentierung, viele neue Fernsehsender und das Internet. Die Auswahl für die Konsumenten ist deutlich größer geworden. Zweitens verfügen die öffentlich-rechtlichen Anstalten heute über viel mehr Geld und Expertise als früher.

SZ: ARD und ZDF waren schon immer Ihre Lieblingsfeinde.

Kofler: Stopp, das ist das falsche Bild. Wir waren nie Feinde, sondern Kontrahenten im Wettbewerb um Einnahmen und Marktanteile, ähnlich wie zwei Fußballmannschaften. Ab dem Jahr 2000 hatten die Privaten mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen, mussten teilweise radikal sparen, während ARD und ZDF weitere Gebührenerhöhungen erhielten. Sat1 war vor zehn Jahren in der Lage, die öffentlich-rechtlichen Sender im Wettbewerb um die Bundesligarechte zu überbieten - heute undenkbar. Früher haben die Privaten die neuen Formate und damit den Markt gemacht. Das Privatfernsehen hatte kreative Spannung. Die Öffentlich-Rechtlichen waren mit der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Selbstdefinition ihrer Rolle befasst.

SZ: Und heute?

Kofler: Heute sind viele Privatsender auf Positionssuche und in schlingerndem Fahrwasser. Die Öffentlich-Rechtlichen haben Punkt für Punkt gutgemacht, erfolgreiche Formate eingeführt, die sie teilweise auch von den Privaten kopiert haben, Stars aufgebaut oder von den Privaten wieder zurückgeholt. Da gab es bei den Privaten über die Jahre hinweg einen erheblichen Aderlass.

SZ: Lenkt jemand dagegen?

Kofler: Naja, viele mögliche Lenker sitzen in den Gremien von ARD und ZDF. Hinzu kommt, dass die Privaten in den vergangenen Jahren an Akzeptanz im politischen Raum eingebüßt haben. Durch die eine oder andere Eskapade in sehr flache Programme sind auch Imageschäden entstanden. ARD und ZDF treten gleichzeitig mit größerem Selbstbewusstsein auf und konnten, durchaus mit taktischer Raffinesse, ihren Expansionskurs stetig fortsetzen.

SZ: Derzeit geht es auch um die Expansion von ARD und ZDF ins Internet. Wie beurteilen Sie die Pläne?

Kofler: Bei manchem Leitartikel der vergangenen Wochen habe ich still in mich hineingelächelt: Mit denselben Argumenten haben wir vom Privatfernsehen vor 15 Jahren gearbeitet. Wir haben frustrierend wenig erreicht. Aber die Verleger haben eine deutlich stärkere Lobby, als das Privatfernsehen sie je hatte. Denn die Politiker finden sich jeden Tag in den Zeitungen der Verleger wieder.

SZ: Wird es Privatfernsehen in zehn Jahren überhaupt noch geben?

Kofler: Selbstverständlich, aber die Privaten müssen aufpassen, dass sie im dualen Rundfunksystem auf Augenhöhe mit den Öffentlich-Rechtlichen bleiben. ARD und ZDF haben auf vielen Feldern einen deutlichen Vorsprung, und sie machen insgesamt das bessere Fernsehen.

SZ: Viele der Probleme werden auch auf die Investoren zurückgeführt. Sind Finanzinvestoren in der Medienindustrie schädlich?

Kofler: Die Rolle von Finanzinvestoren ist grundsätzlich immer nützlich, auch in der Medienwirtschaft. Durch ihre Engagements bringen sie Bewegung in den Markt, schaffen mit Risikokapital unternehmerische Chancen und legen lange verdeckte Probleme bisweilen radikal offen. In einer lebendigen Volkswirtschaft muss es Elemente der Kreativität, aber auch der Zerstörung geben.

SZ: Mit Permira und dem Engagement bei Pro Sieben Sat1 verbindet man derzeit eher Zerstörung. Permira war in Ihrer Zeit auch an Premiere beteiligt. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Kofler: Ohne Permira wäre die Rettung von Premiere nicht möglich gewesen. Und auch Pro Sieben Sat1 wurde von Finanzinvestoren übernommen, weil die deutschen Medienunternehmen alle die Hosen voll hatten. Die deutsche Medienindustrie hat nach dem Kirch-Kollaps kläglich versagt. Die Mutlosigkeit und das kleingeistige Denken sogenannter Medienunternehmer waren geradezu beschämend. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank gab es die Finanzinvestoren! Meine Erfahrungen mit Permira waren ohne Ausnahme gut.

SZ: Lag das an Ihnen?

Kofler: Zu einer guten Beziehung gehören immer zwei. Ich bin da für eine klare Aufgabenteilung: Die Geschäftsführung führt die Geschäfte, die Gesellschafter beaufsichtigen und beraten. Wenn ein Gesellschafter meint, er kann es besser, dann soll er gefälligst den Job auch selber machen. Es gibt zuweilen Vertreter von Beteiligungsgesellschaften, die mit großem Ego alles besser wissen. Die werden auf Dauer nicht erfolgreich sein, weil sie damit das Management systematisch demotivieren.

SZ: Wie ist das bei KKR und Permira?

Kofler: Konkrete Fälle kommentiere ich nicht. Grundsätzlich brauchen Unternehmen Führungskräfte mit unternehmerischer Initiative. Und die entsteht nicht bei angestellten Befehlsempfängern von halbwüchsigen Investmentprofessionals. Ich habe Premiere führen können, als ob es mein Unternehmen gewesen wäre. Und Permira hat mit Premiere am Ende ein glänzendes Geschäft gemacht.

SZ: Derzeit wird ein Nachfolger für Pro-Sieben-Sat-1-Chef de Posch gesucht - ein Job für Sie?

Kofler: Derzeit kein Interesse, siehe Antwort auf Frage eins.

SZ: Wie ist Ihr neues Leben?

Kofler: Damit wir uns richtig verstehen: Ich hatte beim Fernsehen tolle Jahre, an die ich mich immer gern erinnern werde. Aber jetzt ist die Zeit reif für ein neues Kapitel. Ich habe eine riesige Energiequelle entdeckt: Sie liegt in den Heizungs- und Klimaanlagen großer Gebäude, wo 30 bis 40 Prozent des Energieverbrauches einzusparen sind. Wir reden über ein Einsparpotential von mindestens 15 Milliarden Euro und 50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, und das nur in Deutschland. Das Thema heißt Energieeffizienz. Ich möchte jetzt gleichsam ein neues Pro Sieben im Bereich der Energieeffizienz aufbauen. Und so bin ich mit meinem Lebensgefühl wieder bei knapp über 30 angelangt.

Georg Kofler wurde in Südtirol geboren, sein Vater arbeitete später als Gastarbeiter bei Mannesmann in München und starb früh. Kofler, 51, finanzierte sein Studium auch als Skilehrer. 1987 wurde er Büroleiter von Leo Kirch. Der betraute ihn 1988, vor 20 Jahren, mit der Geschäftsführung des Privatsenders Eureka, aus dem dann Pro Sieben wurde. Im Juli 1997 brachte Kofler den Sender mit großem Erfolg an die Börse, Anfang 2000 schied er schließlich aus, weil er für mehr Unabhängigkeit gegenüber Kirch eingetreten war. Dann engagierte sich Kofler beim Homeshopping-Sender HOT. Kirch holte ihn Anfang 2002 als Chef des kriselnden Bezahlsenders Premiere zurück. Kirch ging in die Insolvenz, Kofler sanierte Premiere und verabschiedete sich im August 2007 aus der Medienbranche.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: