Im Interview: David Lynch:"Ich verstehe nicht, was ich da gesagt habe."

In einem lichten Hotel in Iowa sitzt der Meister des Dunklen: David Lynch. Im Kino porträtiert er das Gruseltum der Menschen. Jetzt bietet er eine Lösung für unsere Ängste an, einen Weg zum absoluten Glück: Transzendentale Meditation.

Marie Pohl

David Lynch, 1946 in Montana geboren, gilt als Amerikas bekanntester Avantgarde-Filmemacher. Zu seinen Filmen gehören Eraserhead, The Elephantman, Blue Velvet, Wild at Heart, Lost Highway, Straight Story, Mulholland Drive, und die legendäre TV-Serie Twin Peaks. Momentan arbeitet er an seinem neuesten Film: Inland Empire. David Lynch lebt in Los Angeles.

Im Interview: David Lynch: "Ich kann nur sagen: Es geht um eine Frau in Schwierigkeiten."

"Ich kann nur sagen: Es geht um eine Frau in Schwierigkeiten."

SZaW: Mister Lynch, Sie machen hier in Iowa gerade Panchakarma, eine ayurvedische Reinigungskur. Wie fühlen Sie sich?

David Lynch: Phantastisch! Ich habe mich neulich mit jemandem unterhalten, der sagte, eines Tages werden Luft, Wasser und Erde so verschmutzt sein, dass Panchakarma kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit sein wird. Ich bin heute Nachmittag fertig und fahre hoffentlich ein bisschen sauberer zurück nach Los Angeles.

SZaW: Sie haben außerdem an der Maharishi University of Management mit Studenten über Transzendentale Meditation (TM) gesprochen. Was hat Sie in diese spirituelle Welt geführt?

David Lynch: Ich meditiere seit 32 Jahren. Ich war, als ich damit anfing, Student am American Film Institute in Los Angeles. Das erste Jahr war reine Zeitvergeudung. Ich wollte nur weg. Am ersten Tag des zweiten Jahres wollte ich mich abmelden. Aber der Direktor sagte: Wenn David Lynch sauer ist, machen wir was falsch. Er fragte, was ich will. Ich wollte Eraserhead drehen. Also sagte er: Dreh Eraserhead! Und ab da veränderte sich alles. Am Fuße einer alten Villa stellte er mir eine Landschaft von Gebäuden zur Verfügung, Gartenlaube, Werkstatt, Gesindehaus, Heuboden, Schuppen und Garagen ...

SZaW: Als Studio?

David Lynch: Ja! Dazu hatte ich einen Volkswagen mit einem ein mal zwei Meter großen Dach-gepäckträger, den ich fünfmal vollladen musste, um die Technik zu transportieren. Zwei 35 mm Kameras, Kabel, Lichter, alles, was ich mir jemals erträumt hatte. Eines Tages saß ich an einem Tisch, stützte den Kopf in die Hände und dachte: Jetzt muss ich der glücklichste Mensch der Welt sein. Doch ich fühlte mich unendlich leer. Ich hatte aber mal diesen Satz gehört: Wahres Glück ist nicht da draußen. Wahres Glück kommt von innen. Stimmt, dachte ich, und der Weg nach innen ist die Meditation. Kurz darauf erzählte mir meine Schwester, sie hätte mit TM begonnen. Das wollte ich auch.

SZaW: Sie fingen an, jeden Tag zu meditieren?

"Ich verstehe nicht, was ich da gesagt habe."

David Lynch: Ich hörte mir einen Vortrag in einem Zentrum für TM an, und da wusste ich: Das ist der Ort, wo ich lernen will. Aber ich wusste nicht, was ich lernen würde. Ich hatte Zweifel. Aber der Instinkt zog mich hin. Ich traf meinen Lehrer. Er stellte mir ein paar Fragen und sagte, okay, David, Samstag bringe ich dir TM bei. Am Samstag um 10.30 Uhr gehe ich also hin und bekomme mein Mantra - ein Wort aus dem Sanskrit, ein bestimmter Klang, ein Ton, ein Gedanke, von dem man nicht weiß, was er bedeutet. Ich werde in ein Zimmer geführt, soll die Augen schließen und dieses Mantra verinnerlichen, es immerzu wiederholen. Und uhuhuh, man taucht, man sinkt, man rutscht eine rutschige Rutsche hinunter - und? Fällt ins Glück! Das Wort "einzigartig" sollte für dieses Erlebnis reserviert sein. Sowas passiert einem sonst nicht, und wenn, dann nur durch Zufall, und man kann es nicht wiederholen. Aber mit dieser Technik versinkt man jeden Tag in der Glückseligkeit, morgens und abends, jeweils für zwanzig Minuten taucht man in ein formloses, inhaltsloses Bewusstsein. In das reine Bewusstsein.

SZaW: Wie wirkte sich die Meditation denn auf Ihr Leben aus?

David Lynch: Zwei Wochen später fragt mich meine Frau: Was ist denn mit dir los? Ich schweige. Schließlich frage ich, was sie genau meint. Deine Wut, sagt sie, wo ist deine Wut? Weil ich immer alles an ihr ausgelassen habe. Diese Wut war verschwunden. Das war eine sehr reale Sache. Das Gleiche passiert mit der Traurigkeit und den Ängsten. Diese Angst, Angst, Angst, die sich überall auf der Welt manifestiert!

SZaW: Die Angst vor was?

David Lynch: Vor dem Ungewissen, vor dem Was-wird-nur-werden! Und du stehst mitten im Gerangel, weißt es selbst nicht und beschuldigst den Nachbarn für Dinge, die nur mit dir zu tun haben. Die Ängste und die Beklemmungen lösen sich. Man wird ruhig, erhebt sich über die Alltagssorgen. Es ist, als hätte man Millionen auf dem Konto, und jeden Tag, morgens und abends, stopft man sich wieder die Taschen voll. It's money in the bank!

SZaW: Haben Sie auch andere Arten von Meditation ausprobiert?

David Lynch: Oh, ich bin kein Experte. Mein Ziel ist: Glücklich zu sein. Wenn man meditiert, sollte man sich was suchen, was einen schnell zum Ziel bringt - nicht nach hundert Leben, sondern jetzt. Auf den Super Highway! TM ist nur das Transportmittel, wichtig ist, wo sie einen hinbringt und was man dort erfährt, dieser Zustand ruhevoller Wachheit.

SZaW: Transzendentale Meditation wurde von Maharishi Mahesh Yogi in den fünfziger Jahren entwickelt und im Westen verbreitet. Er ist der Führer dieser Bewegung. Haben Sie ihn kennen gelernt?

David Lynch: Ich habe ihn öfters getroffen. Aber man braucht den Maharishi nicht zu kennen. Man braucht seine Technik. Man fügt nichts hinzu, man nimmt nichts weg. Man macht es einfach zwei Mal am Tag. Das Mantra kehrt den Geist nach innen und man taucht in den Ozean des Bewusstseins, den sie im Sanskrit das Atma nennen ...

SZaW:...das Selbst ...

David Lynch:...mein Selbst, dein Selbst, unser aller Selbst! Maharishi nennt es auch das Einheitliche Feld, das Energiefeld aller Existenz, das uns alle miteinander verbindet. Es ist das Recht eines jeden, sich selbst zu kennen. Es ist dein Potenzial. Stellen Sie sich bitte einen Donut vor! Wenn die Welt ein Donut ist, guck nicht durchs Loch, iss den Donut! Und Maharishi sagt: Das sollte die Bildung tun, sie sollte dieses Potenzial fördern. Aber die Bildung macht heute Sklaven aus Schülern, auswendig lernende Sklaven, vollgestopft mit Frust und Angst. Und wenn sie aus der Schule kommen, geht's ab ins nächste Rattenrennen.

SZaW: Deshalb haben Sie jetzt eine Stiftung gegründet: The David Lynch Foundation for Consciousness-Based-Education and World Peace. Stimmt es, dass Sie an allen Schulen in den USA die TM einführen wollen?

"Ich verstehe nicht, was ich da gesagt habe."

David Lynch: Wir wollen sieben Milliarden Dollar sammeln und jedem Kind die Möglichkeit geben, TM zu lernen, wenn es das Bedürfnis hat. Consciousness based Education - Bildung mit Bewusstsein. So viele Kinder leiden unter enormem Stress. TM kann ihnen diesen Druck nehmen. . . Es klingt wie ein Luftschloss, aber es ist wirklich eine sehr spannende Sache.

SZaW: Sie meditieren seit 32 Jahren, was hat Sie dazu bewegt, jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen und TM zu verbreiten?

David Lynch: Ich mochte an TM immer, dass man nirgendwo beitreten muss, dass man für sich meditiert und sonst im Leben weitermacht wie gewohnt. Wir leben in einer komischen Welt. Wenn Leute hören, oh, du meditierst, oh, du folgst dem Maharishi, dann fangen sie an, deine Filme danach zu beurteilen. Ich wollte es für mich behalten. Aber die Zeiten haben sich geändert. Es gibt viele Probleme. Kinder bekommen Stress schon in die Wiege hineingelegt. Es gibt viele Lern-störungen, von denen ich früher nie gehört hatte. Und wie heißt sie? Reese Witherspoon gewinnt so ein Ding ...

SZaW:...einen Oscar ...

David Lynch:...und sagt, sie will Weltfrieden - und alle lachen! Weltfrieden. Jeder will ja Weltfrieden. Aber keiner glaubt, dass es jemals Weltfrieden geben kann. Eine nette Idee. Eine hübsche, nette Teekränzchenidee. Ein Zierdeckchen. Ohne Bedeutung. Es passiert sowieso nie. Wir leben in dieser Hölle und denken: So muss es sein. Aber Maharishi hat einen Plan. Eine Wissenschaft und eine Technologie für Frieden, die auf uralten vedischen Prinzipien, auf Sanskrit-Texten basiert. Frieden heißt ja nicht nur: kein Krieg. Frieden heißt: keine Negativität.

SZaW: Wollen Sie auf die "Friedenspaläste" hinaus, die weltweit gebaut werden, um den so genannten Maharishi-Effekt zu erzeugen? Wenn ein Prozent der Bevölkerung TM ausübt, so die Theorie, kann man damit das kollektive Bewusstsein der ganzen Gesellschaft beeinflussen. Kriminalität sinkt, Harmonie steigt. Glauben Sie, dass man durch weltweite Meditation mehr erreichen kann als durch politisches Engagement?

David Lynch: Schauen Sie, jeder sollte das machen, was er für richtig hält. Aber Menschen mit guten Absichten versuchen ständig alles Mögliche. Ein gutes Bild dafür ist ein Baum. Den Blättern geht's nicht gut, sie sind bräunlich. Dann hast du eine Gruppe von Rette-die-Welt-Menschen oben im Baum sitzen, die Nährstoffe verteilen, damit die Blätter wieder grün werden. Blatt für Blatt. Das Aids-Blatt, das Afrika-Blatt, das Irak-Blatt. Sechs, sieben kleine Vogelgrippe-Blättchen, die ein bisschen komisch aussehen. Aber es bleibt an der Oberfläche. Maharishi sagt: Der erfahrene Gärtner wässert die Wurzel - und der ganze Baum wird wieder grün! Die Wurzel wässern bedeutet: das einheitliche Feld, das Selbst eines jeden und das Selbst des Universums zu aktivieren. Endlich entdeckt die Quantenphysik, was die vedische Wissenschaft schon seit Jahrhunderten sagt: dass wir alle miteinander durch dieses einheitliche Feld verbunden sind.

SZaW: Aber ...

David Lynch:...das ist kein Schwachsinn, kein Quark! Was wir bisher gelernt haben, das ist Quark! Schlechter Quark! Denn eigentlich mag ich ja Quark! Eines Tages wird den Leuten ein Licht aufgehen, und sie werden sagen: Was machen wir? Wir töten Menschen im Namen von Frieden! Im Namen der Freiheit! Wir knallen sie ab! Das ist kein Film. Das passiert wirklich! Wir knallen sie ab! Das ist ekliger, verfaulter Quark. Irrsinn! Good night, Louise!

SZaW: Ist TM für Sie eine Art Religion?

"Ich verstehe nicht, was ich da gesagt habe."

David Lynch: Nein. Es ist keine Religion. Ich war früher ein Presbyterianer. Meine Eltern schickten mich zur Sonntagsschule. Mit vierzehn Jahren hab ich keinen Sinn mehr darin gesehen. Ich sah nur, dass viele Leute sonntags anders lebten als während der restlichen Woche. Ich bat meinen Vater, nicht mehr hingehen zu müssen. Gott hab' ihn selig, er sagte: Du musst nicht mehr in die Kirche gehen. Viele religiöse Menschen meditieren, weil sie dadurch ihre Religion mehr schätzen. Für mich sind die verschiedenen Religionen wie Flüsse, die alle in einem Meer münden. Ich schwimme darin auf meine Art, werde nass und liebe es.

SZaW: Ich habe mal folgendes Zitat von Ihnen gelesen: "Ich glaube, die Menschen können nicht akzeptieren, dass das Leben keinen Sinn macht. Es scheint, dass alle Religionen und Mythen deshalb erfunden wurden, als Versuch, dem Leben einen Sinn zu geben."

David Lynch: Ich verstehe nicht, was ich da gesagt habe.

SZaW: Vielleicht meinten Sie, dass die Menschen Angst vor der Tatsache haben, dass das Leben eigentlich sinnlos ist?

David Lynch: Aber es macht doch Sinn! Vielleicht nicht so, wie die Menschen denken. Aber es macht mehr und mehr Sinn.

SZaW: Als Künstler lieben Sie das Geheimnis, das Ungewisse - wie vereinen Sie das mit einer Lehre, die auf alles Antworten gibt?

David Lynch: Das Geheimnis des Lebens ist wunderschön. Aber Geheimnisse muss man aufdecken. Wir sind alle Detektive. Sobald es dunkel wird, fragen wir uns: Was ist da? Was ist dort? Wir suchen nach Hinweisen, bis wir etwas finden. Und langsam öffnet sich die Welt. Mehr und mehr Verständnis. Mehr und mehr Bewusstsein. Jetzt kann man natürlich sagen: Ich liebe Geheimnisse so sehr, ich will sie gar nicht aufdecken! Aber das scheint mir ein bisschen dumm, weil man sich dann nicht entwickelt, nicht wächst.

SZaW: Ein Freigeist wie Sie unterstützt eine Bewegung, die Richtlinien vorschreibt? Man darf auf dem Unigelände beispielsweise nicht rauchen, Mädchen und Jungen lernen getrennt.

David Lynch: Ich rauche! Ich hasse Vorschriften. Aber es gibt Gesetze, wo man sagt: Wenn du gegen die Natur gehst, rächt sie sich an dir. Nehmen Sie die vedische Architektur!

SZaW: Haustüren müssen nach Osten gerichtet sein, Licht muss auch durchs Dach kommen . . .

David Lynch: Man fühlt sich einfach gut in diesen Häusern. Mein Freund Hovard hat eins gebaut. Auf der Einweihungsparty sah er einen Mann auf dem Sofa liegen, der weinte! In seinem Glückspalast! Als er ihn fragte, warum, sagte der Mann: "Vor Glück. Ich habe eine schlimme Krankheit, und kaum betrat ich dein Haus, waren alle Symptome verschwunden."

SZaW: Sie sprechen vom absoluten Glück - aber Ihre Filme sind düster und manchmal grausam komisch.

David Lynch: Du musst ja nicht leiden, um Leid im Film zu zeigen. Du kannst Dinge verstehen. Geschichten werden immer Konflikte haben. Aber man selbst steht da und muss versuchen, das Leben zu genießen. Viele Menschen arbeiten nur auf das Resultat hin und genießen dabei weder ihre Arbeit noch ihr Leben. Das ist doch hier kein Fühl-dich-besser-Kurs, verstehen Sie? Filme machen ist gut. Singen ist auch gut. Ein schönes Lied macht glücklich, während man es hört. Aber es hat keine langfristige Wirkung, es verändert einen nicht. Die Menschen, die TM machen, strahlen. Sie haben die dreckige Decke von sich geworfen, die ich das erstickende Narrenkostüm nenne. Der Stoff des Kostüms stinkt, der stinkt so stark, man merkt erst, wie sehr er stinkt, wenn man ihn endlich los ist.

SZaW: Kommen Ihnen während der Meditation Ideen für Ihre Filme?

David Lynch: Bei "Mulholland Drive" kamen mir während einer Meditation, wie eine Perlenkette: das Ende, die Mitte und der Anfang zugeflogen, die Lösungen, wie ich aus einer TV-Serie mit offenem Ende einen abgeschlossenen Kinofilm machen konnte. Aber eigentlich ist die Meditation nicht mein Benzin für Inspiration, eher sind es Spaziergänge oder Musik.

SZaW: Musik?

David Lynch: Film ist wie Musik. Der Fluss einzelner Sequenzen. Ein Gemälde steht still, aber im Film hast du Bewegung und Zeit. Ein Beispiel: Ich arbeitete am "Elephant Man". Es war Sonntag. Ich lag auf dem Sofa. Da hörte ich ein Adagio für Streicher. Es spülte über mich hinweg, so unglaublich schön - und: Es war das perfekte Ende des Films. Ich rief Samuel Sanger an und sagte: Wir brauchen dieses Adagio für Streicher. Er kaufte neun verschiedene Versionen, weil ich nicht wusste, welche ich gehört hatte. Keine war die richtige. Endlich fand er André Previns Version. Dieselben Noten, dieselbe Orchestrierung - aber ein komplett anderes Gefühl. Wichtig ist, wie man sich in der Zeit bewegt, das eine kommt zuerst, das andere folgt, und wie beides zusammenkommt: das ist Kino! Wie in der Musik, wenn die Klarinette auftaucht, wann sie es tut und wie sie erstirbt, das macht den Film aus. Die Zeit kann dein Freund sein, aber auch dein Feind, und wenn du mit Publikum siehst, dass es nicht funktioniert, stirbst du tausend Tode.

SZaW: Ihr neuer Film "Inland Empire", den Sie gerade gemacht haben ...

David Lynch: Den ich gerade noch mache.

SZaW: Den Sie noch machen?

David Lynch: Oh ja.

SZaW: Worum geht es?

David Lynch: Ich kann nur sagen: Es geht um eine Frau in Schwierigkeiten.

SZaW: Hat der Titel etwas mit der gleichnamigen Region in Los Angeles zu tun?

David Lynch: Viele Menschen sehen in L.A. nur eine wuchernde Ausbreitung von Gleichheit. Aber - und das stimmt vielleicht für jeden Ort - wenn du eine Weile dort lebst, siehst du, dass jedes Viertel eine eigene Stimmung hat. Das goldene Zeitalter des Kinos lebt noch: Der Geruch von Jasmin in der Nacht und das Licht. Das Licht in L.A. ist so inspirierend! Das Licht hat sie damals alle nach L.A. gelockt! Also, ich hab' mich mit Laura Dern unterhalten, ihr Mann Ben Harper kommt aus dem Inland Empire. Ich weiß nicht mehr, wann, aber ich sagte: "Inland Empire" - das ist der Titel für meinen nächsten Film. Über den ich damals nichts wusste und auch heute nicht viel mehr weiß. Und dann: Meine Eltern haben eine Berghütte in Montana. Mein Bruder hat da eines Tages geputzt und hinterm Schrank ein altes Zeichenbuch gefunden. Es war mein altes Zeichenbuch, aus der Zeit, als ich fünf Jahre alt war. Das erste Bild ist eine Landschaftsansicht von Spokane, drunter steht: Inland Empire. Also dachte ich, ich bin auf dem richtigen Weg. Aber es gibt sicherlich viele Inland Empires ...

SZaW: Wussten Sie schon als kleiner Junge, dass Sie Künstler werden wollen?

David Lynch: Ich malte viel, als ich klein war. Aber wo ich aufgewachsen bin, im Nordwesten von Amerika, da, dachte ich immer, hört man auf zu malen, wenn man erwachsen wird. Mein Vater wurde an die Ostküste versetzt. 1960 stand ich im Vorgarten bei meiner Freundin und traf Toby Keeler. Toby war - was ich damals nicht ahnte - gerade dabei, mir meine Freundin auszuspannen. Was ich ihm heute längst verziehen habe, so toll war sie eh' nicht. In diesem Vorgarten jedenfalls erzählte mir Toby, dass sein Vater Maler sei. Zuerst dachte ich, er meint Malermeister, aber Toby hat es mir erklärt. Es gibt Wendepunkte im Leben, und das war so einer. Von da an wusste ich: Ich werde Maler.

SZaW: Und dann wurden Sie Regisseur.

David Lynch: Aber nicht gleich, früher hatte ich gar kein Interesse an Film. Ich wollte malen, und ich malte. Ich ging auf die Kunstschule. Ich hatte ein kleines Atelier und arbeitete gerade an einem Bild, ein Garten in der Nacht. Es war hauptsächlich schwarz, mit nur so ein paar grünen Dingern. Ich betrachtete das Bild, plötzlich bewegte es sich. Ich hörte den Wind. Ich hatte keine Drogen genommen und dachte: Das ist ja interessant! Die Akademie veranstaltete einen Wettbewerb, und ich wollte dafür ein Bild machen, das sich bewegt und baute eine 2 mal 2,5 Meter große Leinwand, auf die ich ein unbeholfen animiertes Bewegungsding projizierte. 200 Dollar hat mich das damals gekostet, und ich weiß noch, wie ich dachte: Diese Filmschiene kann ich mir niemals leisten. Aber ein älterer Student sah das Ding und bestellte sich eins für sein Wohnzimmer. Das brachte den Ball ins Rollen.

SZaW: Mister Lynch, was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?

David Lynch: Ich liebe es, wenn Menschen aus der Dunkelheit hervortreten.

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