Im Interview: Bernd Kundrun:"Ich warte jetzt"

Der Gruner + Jahr-Chef spricht über Führungsprinzipien beim Spiegel-Verlag - und über das Festhalten an Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank.

Interview: Christopher Keil

SZ: Herr Kundrun, wann haben Sie das letzte Mal mit Geschäftsführern der Mitarbeiter KG des Spiegel-Verlages gesprochen?

Bernd Kundrun: Wir hatten eine Gesellschafterversammlung (23.4.) zwei Tage bevor bekannt wurde, dass die Mitarbeiter KG nicht mehr hinter dem Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank steht. Auf dieser Gesellschafterversammlung haben alle Gesellschafter einvernehmlich den Geschäftsführer entlastet.

SZ: Die KG-Geschäftsführung hat am Mittwoch dieser Woche in der Jahresversammlung der Stillen Gesellschafter des Spiegel-Verlages erklärt, dass Sie und Ihr G + J-Vorstandskollege Achim Twardy umgehend informiert worden seien über das Votum gegen Frank.

Kundrun: Das ist so nicht richtig. Das öffentlich gewordene Meinungsbild der Mitarbeiter KG war uns so nicht bekannt.

SZ: Die Mitarbeiter KG hält 50,5 Prozent, aber nur mit Gruner + Jahr (25,5 Prozent) können grundlegende Unternehmensentscheidungen wie die Absetzung eines Geschäftsführers getroffen werden. Wie definieren Sie die Gesellschafter-Rolle von G + J beim Spiegel?

Kundrun: Wir wollen die Unabhängigkeit und Autorität der Geschäftsführung garantieren. Wir wollen sicherstellen, dass ihr seitens der Gesellschafter verlässlich das Vertrauen und die notwendigen Entscheidungsfreiräume eingeräumt werden, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Um nichts anderes geht es. Es wurde letzte Woche geschrieben, dass sich jetzt eine Machtfrage stellte auf Gesellschafterebene. Das ist nicht der Fall. Die Machtverhältnisse auf der Gesellschafterebene sind eindeutig geklärt und zwar noch von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein. Das heißt: Die Mitarbeiter KG und G + J müssen zusammenwirken, idealerweise mit Augsteins Erben (24 Prozent).

SZ: Sie haben sich schnell für Mario Frank stark gemacht. Sie finden, dass er Gutes leistet, dass der Spiegel-Verlag erfolgreich abgeschnitten hat 2007. Sie sehen keinen Grund, Frank abzulösen. Wissen Sie, was Frank vorgeworfen wird?

"Ich warte jetzt"

Kundrun: Ich kenne nur Büro-Anekdoten, die kolportiert wurden. Und ich kenne so manche nicht zutreffende Schuldzuweisung, zum Beispiel im Hinblick auf die schwierige Nachfolgesuche für Chefredakteur Stefan Aust. Herr Frank hat da viel Verantwortung für die bei der Kommunikation entstandenen Pannen übernommen - Verantwortung, die er gar nicht allein tragen musste. Da will ich uns wie die anderen Gesellschafter nicht aus der Verantwortung nehmen.

SZ: Die drei zentralen Kritikpunkte sind offenbar: sein Führungsstil, sein Nicht-Verständnis für die Spiegel-Kultur, das Fehlen einer Vision, was aus dem Spiegel-Verlag einmal werden soll.

Kundrun: Ich kann das Fehlen einer Vision im operativen Geschäft nicht erkennen. Wir haben eine Menge interessanter Weiterentwicklungsvorschläge von Herrn Frank gesehen. Er ist auch schwierige Aufgaben angegangen, etwa die Restrukturierung von "Spiegel TV". Er hat Konflikte nicht gescheut. Es mag sein, dass er dabei gegen eine Konsenskultur verstoßen hat. Natürlich muss ein Geschäftsführer auf der einen Seite den Konsens suchen. Auf der anderen Seite verlangt die Führungsaufgabe aber, dass er für das einsteht, was er für richtig hält und sich dann dafür die Rückendeckung der Gesellschafter holt. Und solange diese nichts anderes entscheiden, müssen sie die Geschäftsführung oder die Chefredaktion konsequent unterstützen und ihr den Rücken stärken. Das setzt eine gewisse Selbstdisziplin voraus.

SZ: Wann wollen Sie mit Armin Mahler, dem Sprecher der KG-Spitze und Wirtschaftsressortleiter des Spiegels, über Veränderungen reden?

Kundrun: Derjenige Gesellschafter, der für sich Klärungsbedarf feststellt, der also seine Position revidiert, der sollte vertraulich auf den anderen Gesellschafter zugehen. Darauf warte ich jetzt. Ich würde allerdings meinen, dass wir nur für Lösungen zu haben sind, die der Spiegel-Führung Unabhängigkeit gewährt. Sollten künftige Chefredakteure und Geschäftsführer aus der jetzigen Situation den Schluss ziehen, sich nur einseitig am Mitarbeiterwillen zu orientieren und nicht an dem, was für das Unternehmen notwendig ist, wäre das völlig falsch.

SZ: Die Mitarbeiter KG will offensichtlich nicht mehr mit Frank arbeiten. Gegen den Willen des Mehrheitsgesellschafter wird es für den Geschäftsführer auf Dauer sehr schwer.

Kundrun: Persönlichkeiten wie Gerd Schulte-Hillen (ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr) oder Stefan Aust (von 1994 bis Februar 2008 Chefredakteur des Spiegel) standen am Anfang ebenfalls einer ablehnenden Mehrheit im eigenen Haus gegenüber. Sie wurden aber von ihren Gesellschaftern unterstützt und stellten sich anschließend als die Richtigen heraus. Wir verwehren uns überhaupt nicht dem Gespräch mit anderen Gesellschaftern. Es muss nur eins klar sein: Ein Geschäftsführer des Spiegel-Verlages ist allen Gesellschaftern gegenüber verantwortlich. Das war auch der Wille Rudolf Augsteins, deshalb hat er die Konstruktion so angelegt. Dabei hat er einkalkuliert, dass es auch mal zu unterschiedlichen Auffassungen kommen kann, dass man sich dann zusammensetzen und seine Positionen austauschen muss.

SZ: Er hat allerdings auch versucht, die Prozentverschiebung nach seinem Tod, die zur 76-Prozent-Regel führte, wieder zurückzuholen aus dem Gesellschaftervertrag.

Kundrun: Augstein hat es aber nicht getan. Wir sind gut beraten, wenn wir jeden Eindruck vermeiden, es könne künftig zu Mitarbeiterabstimmungen kommen, von denen die Unternehmensführung abhängig ist. Wir müssen auch Abstand gewinnen von einem Stil, der die vertrauliche Beratung durch das Lancieren von Interna oder durch die öffentliche Demontage ersetzt. Wir als Gesellschafter müssen dafür sorgen, dass die lang laufenden Verträge für Chefredaktion und Verlagsgeschäftsführung auch ein lang laufendes Mandat bedeuten.

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