Verrückter, Abenteurer, Obsessiver: Die Liste der Legenden über Filmemacher Werner Herzog ist lang. Er selbst stellt das jetzt mal richtig. Die Bilder. Fragt man Werner Herzog, wie es sich mit dem eigenen Mythos so lebe, fragt er zurück: mit welchem? Es gäbe mindestens fünfzehn verschiedene da draußen, mythische Doppelgänger, hinter denen er sich prima verstecken könne. Das ist das eigentlich Charmante an ihm - dass er so unverdrossen gegen den Ruf ankämpft, der ihn doch überhaupt erst weltberühmt gemacht hat. Gewissen Legenden - auch diese Zeitung nannte ihn erst kürzlich wieder einen "Verrückten" - will und muss er deshalb unermüdlich entgegentreten. Text: Tobias Kniebe/SZ vom 25.02.2010/sueddeutsche.de/rus/lmne Foto: Szene aus Werner Herzogs Film "Bad Lieutenant", Splendid/Fox
Legende I: Werner Herzog lässt sich bei jedem Film auf irrwitzige Abenteuer ein, die seine Produzenten mindestens in den Ruin, wenn nicht gar in den Wahnsinn treiben.Werner Herzog: Ich bin Profi. Inzwischen habe ich fast sechzig Filme gedreht, und wirklich bei jedem einzelnen bin ich exakt im Zeitplan und im Budget geblieben. Mit fünf Ausnahmen - da war ich früher fertig und habe sogar noch Geld gespart. Bei meinem neuen Film "Bad Lieutenant" bin ich sogar 2,6 Millionen Dollar unter Budget geblieben - das ist geradezu unerhört in Hollywood, das gab es noch nie! Avi Lerner, der Produzent, hat auch schon angekündigt, dass er mich jetzt heiraten will.Foto: Szene aus "Bad Lieutenant", Splendid/Fox
Legende II: Werner Herzog erlebt momentan ein Comeback. Davor lief es wegen seines Hangs zu irrwitzigen Abenteuern längere Zeit nicht so gut.Herzog: Ich arbeite permanent, praktisch rund um die Uhr - mehr will ich dazu gar nicht sagen. Nach dem Dreh von "Bad Lieutenant" hatte ich zwei Wochen Zeit für den Schnitt, dann musste ich in Valencia eine Oper inszenieren, "Parsifal". Direkt danach habe ich im Kriegsgebiet zwischen Äthiopien und Kenia, wo jeder Sechsjährige eine Kalaschnikow über der Schulter hat, "La Bohème" gedreht. Dann musste ich die englische Übersetzung meiner "Eroberung des Nutzlosen" begleiten. Anschließend habe ich meinen nächsten Film, "My Son, My Son, What Have You Done", gedreht, geschnitten und fertiggestellt. Sofort danach ging es nach Zentralindien, wo ich einen unglaublichen Geschichtenerzähler aufgespürt habe. Seine Erzählungen habe ich auf Tonband aufgezeichnet, fünf Tage und fünf Nächte, ohne Schlaf, nonstop. Dann bestieg ich ein Flugzeug und... Soll ich weitermachen?Foto: aus dem Film "My Son, My Son, What Have You Done", Kinowelt
Legende III: Alles, was Werner Herzog anpackt, packt er mit beängstigender Intensität an. Bei Auseinandersetzungen mit Schauspielern greift er auch schon mal zum Gewehr.Herzog: Das mit dem Gewehr war nur diese eine Episode mit Kinski - das ist lang vorbei. Ansonsten wirke ich vielleicht manchmal wie ein Workaholic - aber das bin ich nicht. Ich bin äußerst organisiert, professionell, sehr effizient und leise. Auf meinen Sets werden Sie höchstens ein Flüstern hören - niemals ein lautes Wort. Hektik ist für mich ein Fremdwort, Zeitüberziehungen gibt es auch nicht. Ein normaler Drehtag endet bei mir um vier Uhr nachmittags. Dann sage ich: Ladies and Gentlemen, Feierabend, Umzug zum nächsten Set.Foto: Werner Herzog und Klaus Kinski in einer Szene des gemeinsamen Dokumentarfilms "Mein liebster Feind", 1999/AP
Legende IV: Werner Herzog ist so egoman, dass er sich nicht für andere Filmemacher interessiert - nicht einmal dafür, dass sein "Bad Lieutenant" das Remake eines legendären Abel-Ferrara-Klassikers ist.Herzog: Zunächst mal hat mir der Drehbuchautor William Finkelstein versichert, dass der neue Film gar nichts mit dem alten zu tun hat - ein Remake sollte man das also nicht nennen. Wahr daran ist nur, dass ich den alten Film tatsächlich nie gesehen habe. Aber wann hätte ich das auch tun sollen? Bei dem Zeitplan, den ich Ihnen gerade geschildert habe, bleibt fürs Filmeschauen ja nun wirklich kein Platz.Foto: Szene aus dem Film "Bad Lieutenant" von 1993, Filmverleih
Legende V: Werner Herzog gibt sich ohne Sinn und Verstand seinen Obsessionen hin - bei "Bad Lieutenant" war er zum Beispiel davon besessen, Leguane zu filmen, die nicht das Geringste mit der Geschichte zu tun hatten.Herzog: Das war keine Obsession! Ich liebe diese Leguane einfach, das ist alles. Und ich liebe es, ihnen große Rollen in meinen Filmen zu geben, die nicht im Drehbuch stehen. Eines Tages rief ich aus: ,Wir brauchen Leguane! Also wurden Leguane besorgt. Dann kamen sie an und sahen vor der Kamera so wunderbar dämlich und überrascht aus, dass ich sie unbedingt selber filmen wollte. Wir hatten eine Optik mit Fiberglaskabel, da konnte man bis auf Millimeter an ihre Augen herangehen. Es war großartig!Foto: Szene aus "Bad Lieutenant" Splendid/Fox
Legende VI: Wo immer Herzog auftaucht - er wird garantiert angeschossen oder gerät sonstwie in Schwierigkeiten.Herzog: Das ist ausnahmsweise keine Legende - aber was kann ich dafür? Zuletzt saß ich mehrere Tage in einem Gefängnis in Thailand, weil wir dort gedreht haben, und mein Produzent sich als echter Krimineller herausgestellt hat. Es war nicht sehr angenehm - aber mit Hilfe der deutschen Botschaft konnte ich auch dieses Missverständnis aufklären.Foto: Werner Herzog, Nicolas Cage und Eva Mendes bei den Deharbeiten zu "Bad Lieutenant", Splendid/Fox