Im Gespräch: George Clooney:"Ich altere vor Ihren Augen"

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"Die junge Frau in der Sexszene, das könnte meine Tochter sein": ein Gespräch mit George Clooney über das Glück mangelnden Erfolgs, die Wirkung von Furzkissen und ein verzwicktes Dinnerproblem mit Marilyn.

Patrick Roth

SZ: In der Rolle des einsamen - und eiskalten - Killers sah man Sie bisher nie. Sie haben The American auch produziert - hatten aber zunächst Probleme mit dem Drehbuch, wenn ich richtig informiert bin.

"Die Rolle war eine Herausforderung. Weil ich wusste, dass das meiste, was sich in diesem Mann abspielt, nicht durch Dialoge, nur über sein Gesicht, seine Haltung, seine Gesten zum Ausdruck kommen würde": Am Donnerstag kommt George Clooneys neuer Film "The American" in die Kinos. (Foto: ddp)

George Clooney: Ja, das stimmt. The American basiert auf einem Buch, das wir lange nicht zu knacken, nicht filmisch zu übersetzen wussten ( A Very Private Gentleman von Martin Booth). Bis es Rowan Joffe dann gelang. In der ersten Hälfte des Buchs weiß man zunächst überhaupt nicht, dass der Protagonist verfolgt wird. Es gibt nur immer wieder Verdachtsmomente. Aber man könnte es auch mit einem Verrückten zu tun haben, der sich das alles einbildet. Das kann man natürlich im Film nicht machen. Unsere erste Szene schon schafft klare Verhältnisse. Man weiß jetzt, dass er gejagt wird - auch wenn man seine Verfolger noch nicht kennt.

SZ: Die Schwierigkeit bestand also darin, einen inneren psychischen Zustand zu dramatisieren - fühlbar, erfahrbar zu machen. Das erinnert mich an eine Aussage Paul Schraders, der meinte: In europäischen Filmen implodiert der Held, in amerikanischen explodiert er. Die Waffe richtet sich auf die anderen.

Clooney: Und mich erinnert es an die Zeit, als ich Schmetterling und Taucherglocke las, und jemand behauptete: "Jemand will das verfilmen." Und ich dachte: Was, bitte? Ein Film über einen Typ, der sich nen Roman abzwinkert?! Später, als ich die Verfilmung von Julian Schnabel gesehen hatte, war ich begeistert. Das war der Film des Jahres für mich. Aber hier, bei diesem Film, haben wir's mit einem Suspense-Thriller zu tun. Die "implosiven Momente" hat unser Film ja auch. Es gibt da durchaus ein Gleichgewicht durch die stilleren und die völlig stillen Sequenzen in der Einsamkeit jenes italienischen Städtchens, in das der Mann sich flüchtet. Es ist eine Frage der Struktur: Womit beginnen wir? Dass dieser Mann, Jack, den ich spiele, ein höchst problematischer, verzweifelter und einsamer Mensch ist, das wird nach den ersten zwei Minuten unseres Films jedem schockartig klar. Gerade darauf baut sich die Spannung ja dann auf. Im Übrigen haben Sie völlig recht: Die Rolle war eine Herausforderung. Weil ich wusste, dass das meiste, was sich in diesem Mann abspielt, nicht durch Dialoge, nur über sein Gesicht, seine Haltung, seine Gesten zum Ausdruck kommen würde. Es ist eine Charakterrolle, wie ich sie, auf ganz andere Weise, in Up in the Air und in Michael Clayton übernommen habe. Ich bin in dieser Hinsicht ja zum Glück nicht festgeschrieben.

SZ: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Clooney: Das liegt am mangelnden Erfolg. Nein, wirklich. Ein Mega-Erfolg mit einer bestimmten Rolle oder in einem bestimmten Genre, und du riskierst, abgestempelt zu werden. Bisher hab ich da Glück gehabt - Glück in Maßen, wenn Sie so wollen. Ein zweiter Grund ist sicher mein fortgeschrittenes Alter. Ich bin jetzt 49. Sie staunen? Ich altere quasi vor Ihren Augen.

SZ: Wie jeder Schauspieler.

Clooney: Ich bin aber nicht eitel, ich begrüße das eher, das Altern. Sonst hätte ich mir schon längst die Haare gefärbt. Trotzdem, mir war bei diesem Film zum Beispiel klar: die junge Frau in der Sexszene, das könnte meine Tochter sein ... Nein, Moment mal - das war jetzt unglücklich formuliert. Sie sehen, ich werde konfus, wenn ich an die Szene nur denke! Ein enormes Talent, diese junge Italienerin. Nein, so meine ich's nicht. Was ich meinte, war: Die romantischen Heldenrollen nehmen ab, ganz natürlich, dafür wird das Angebot an Charakterrollen in meinem Alter immer größer. Vom Standpunkt des Produzenten oder des Regisseurs kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Man lässt mich machen, was ich will - auch was ich an Rollen spielen will -, weil ich die Budgets meiner Filme niedrig halte. 15 bis 20 Millionen Dollar, nicht höher. Das heißt, dass der Film ab Einnahmen von 50 Millionen schon Profit macht - und man mich den nächsten machen lässt.

SZ: Die längere Sequenz, während der Sie den Schalldämpfer für das bestellte Gewehr bauen, hat einen besonderen Reiz ...

Clooney: Pistolen, Gewehre haben etwas Beängstigendes für mich, müssen Sie wissen. Immer noch. Obwohl ich mit ihnen in Kentucky ja aufgewachsen bin. Obwohl ich sie in vielen Filmen immer wieder benutzen musste. Ich habe das gelernt, aber ... habe auch Schiss davor.

SZ: Ich wollte auf etwas anderes hinaus. Solche Sequenzen, in denen wir minutiös sehen, wie etwas zusammengebaut, vor unseren Augen zusammengesetzt wird - ich denke an ähnliche Szenen in Scorseses Taxi Driver oder in Bressons Un condamné à mort s'est échappé -, haben den Reiz eines kleinen abgeschlossenen Films-im-Film. Aus der Sicht des jeweiligen Protagonisten entsteht etwas durch und durch Sinnvolles, Sinn- und Zielgeladenes. Wie kommt eine solche Sequenz zustande? Was davon war schon im Drehbuch beschrieben?

Clooney: Wirklich nicht viel. Das ist so ein typischer Fall von "Er baut sich das Gewehr." Mehr ist im 90-Seiten-Drehbuch nicht angegeben. "Rom brennt" - der Rest wird dem Regisseur überlassen. Aber wir hatten einen wirklich guten Waffenschmied, einen Experten auf diesem Gebiet. Und Anton (Corbijn, der Regisseur) hat ihm einfach detaillierte Fragen gestellt: Was wäre das Rohmaterial, von dem ich ausgehen muss, um so eine Waffe zu bauen? Was könnte Jack zum Beispiel in einer Autogarage finden, davon umbauen, benutzen - und wie genau? Wir haben z.B. mehrere Garagen in den Abruzzen - in der Nähe von Castel del Monte, unserem Drehort - abgeklappert, haben einiges gefunden, was Jack beim Bauen seines Schalldämpfers verwenden konnte. Andere Teile, hieß es, müsste man sich per Post kommen lassen. Daraus entstand dann nochmals eine separate Sequenz. Es sind also Fragen, die dann die visuelle Lösung - das gefilmte mechanische Detail - suggerieren. Ich saß drei, vier Tage lang an jenem Arbeitstisch, den Sie im Film sehen und ließ mir zeigen, wie man so ein Ding zusammenbaut. Ich versuchte vor allem - das war die Herausforderung -, es schneller und schneller zusammensetzen zu können. Wir benutzten die Stoppuhr dafür. Und Thekla (Reuten), die Mathilde spielt, war anfangs um einiges schneller als ich. Vor versammelter Crew. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Bis ich 'ne Abkürzung fand, einen Trick - denn das konnte ich ja nicht auf mir sitzen lassen.

SZ: Weil wir gerade von Charakterrollen sprechen: Sie sind kein method actor - oder?

Clooney: Ich würde mich nicht zu dieser Riege von Schauspielern zählen - und es sind phantastische Talente darunter. Ich trage eine Rolle nicht für längere Zeit mit mir rum. Denn, verstehen Sie, das könnte vor allem für andere Leute im Team, für die Gesamtstimmung bei der Arbeit problematisch werden. Ich meine, wenn man sich zum Beispiel wegen einer Rolle absondern, die andern strikt meiden würde. Bei Dreharbeiten gilt: Das Team ist deine Familie, jeder muss sich wohl fühlen, um gute Arbeit zu leisten. Das ist ganz wichtig, nicht nur von meinem Standpunkt als Produzent aus. Ich habe das bei der Fernsehserie ER gelernt. Da mussten wir doch ständig irgendwelche grauenhaft verzweifelten Schicksale ausagieren: Jemand lag sterbend vor uns, verendete auf dem Operationstisch. Dann hieß es "Cut!", und schon setzte sich einer auf einem Furzkissen ab. Furioses Gelächter. Alle waren wieder bei Stimmung, inklusive der Leiche. Um auf Ihre Frage zurückzukommen - ich war abends stets erleichtert, gerade diese Rolle los zu sein und mich meiner Crew widmen zu können.

SZ: Außer der Lektüre für mögliche Verfilmungen und neunzigseitiger Drehbücher - kommen Sie viel zum Lesen?

Clooney: Vor ein paar Wochen schenkte man mir eine signierte Erstausgabe von Harper Lees Wer die Nachtigall stört - ich glaube, das Buch kam in meinem Geburtsjahr raus. Als Kind hatte ich es natürlich gelesen. Seither, muss ich gestehen, nicht mehr. Jetzt sehe ich, wie großartig geschrieben es ist. Nein, ich habe das Gros der Lesestunden meiner Kindheit mit Guadalcanal Diary (von Richard Tregaskis) verbracht. Das Buch habe ich mindestens zehn Mal verschlungen!

SZ: Was steht denn als nächstes Regieprojekt für Sie an?

Clooney: Anfang nächsten Jahres werde ich Farragut North verfilmen, die Adaptation eines Theaterstücks, das einem demokratischen Kandidaten durch die Hölle eines Primary-Wahlkampfs folgt. Es geht um all die schmutzigen Tricks, mit denen da manövriert und manipuliert wird. Ziemlich lustig, was da alles zusammenkommt. Wir hatten das ganze Projekt schon fertig geplant, als Obama gewählt wurde. Und das Ding ist so zynisch, dass ich damals dachte: Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Heute aber fühlt sich's so an, als sei die Zeit reif dafür - meinen Sie nicht? Die zynische Perspektive ist wieder gefragt.

SZ: Sie waren damals einer der namhaften Filmstars, die für Obama regelrecht geschwärmt haben. Wie stehen Sie denn jetzt, zwanzig Monate nach seinem Amtsantritt, zu ihm?

Clooney: Ich stehe ganz und gar zu ihm. Mehr denn je. Vorhin fragte mich jemand, wen ich gern zu einem Traum-Dinner einladen würde - es dürften auch Persönlichkeiten aus der Vergangenheit sein, hieß es. Er, Obama, hat für mich eine so starke Gegenwart, er wäre auf jeden Fall eingeladen.

SZ: Und wer sonst noch?

Clooney: Jack Kennedy, hab ich gesagt, klar - die ikonische Figur meiner Zeit. Nur ... dann könnte ich natürlich Marilyn nicht haben. Da seh' ich ein Problem. Und Bobby (Kennedy) und Martin Luther King, die dürften natürlich nicht fehlen! Komisch, sobald ich Marilyn am Tisch sitzen sehe, ist mein Traum-Dinner gefährdet.

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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