Im Gespräch: David Fincher:Die Geschichte ist zu absurd

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Was das kostet: "Benjamin Button"-Regisseur David Fincher spricht über die Anstrengung, Brad Pitt in einen Greis zu verwandeln. Fast hätte man Tom Cruise genommen.

C. Fromme

SZ: Warum hat es mehr als 85 Jahre bis zur Verfilmung von "Benjamin Button" gedauert? Immerhin sicherte sich Paramount die Filmrechte schon, kurz nachdem F. Scott Fitzgerald seine Kurzgeschichte veröffentlicht hatte.

Polternder Schauspieler und schüchterner Regisseur: David Fincher (links) und Brad Pitt (rechts) bei der Vorstellung ihres Films in Tokyo am 28. Januar. (Foto: Foto: Reuters)

Fincher: Da gibt es viele Gründe. Die Rechte haben ein paar Mal den Besitzer gewechselt, und viele haben sich seit den späten achtziger Jahren an dem Stoff versucht. Steven Spielberg, Ron Howard und Spike Jonze zum Beispiel. Tom Cruise war ebenso im Gespräch für die Hauptrolle wie John Travolta. Irgendwie fehlte am Ende wohl ein gutes Drehbuch, wie Eric Roth es für mich geschrieben hat.

SZ: Oder fehlte doch eher die entsprechende Technik? Eine Zeitspanne von mehr als achtzig Jahren mit nur einem Schauspieler abzudecken, vom Baby bis zum Greis . . .

Fincher: Ja, natürlich. Vor fünf, sechs Jahren hätte ich den Film auch noch nicht machen können, da hätten wir uns blamiert, da waren die Computereffekte noch nicht so weit. Tatsächlich war es die größte Herausforderung, Brad Pitt digital zu verjüngen oder älter zu machen, was sehr teuer wurde. Allein 30 Millionen Dollar sind für die visuellen Effekte draufgegangen.

SZ: Es gab zuvor Ideen, Benjamin Button mit unterschiedlichen Schauspielern zu besetzen, je nach Alter im Skript.

Fincher: Ich glaube an das digitale Kino. Ich will direkt am Monitor sehen, was passiert - und nicht erst nach 24 Stunden herausfinden, ob die Aufnahmen gelungen sind. Beim Casting für den Part des greisen Kindes Benjamin Button habe ich mir den Kopf einfach weggedacht, weil wir in der Postproduktion sowieso den von Brad Pitt reingesetzt haben, der mit Make-up und Prothesen ins entsprechende Alter gebracht wurde. In allen anderen Szenen war Brad Pitt mit vollem Körpereinsatz dabei. Allein sein Make-up dauerte fünf Stunden, das Abnehmen nochmal zwei. Aus den üblichen 80 Drehtagen wurden 150, da steigen die Kosten natürlich rapide.

SZ: Haben Sie je gedacht, dass vom Lesen des Skripts bis zum fertigen Film acht Jahre vergehen würden?

Fincher: Ich wusste, dass es aufwendig sein würde. Aber bei "Panic Room" war es auch so, alles zusammen habe ich da zehn bis elf Jahre dran gearbeitet.

SZ: Fitzgerald erzählt seine Geschichte auf zwanzig Seiten, Sie brauchen zweidreiviertel Stunden.

Fincher: Ist der Film wirklich so lang? Ich weiß nicht, wie das wieder passiert ist. Aber diese Länge war die Schmerzgrenze, drunter wollte ich keinesfalls gehen. Da ist schon so viel herausgeflogen! Eine halbe Stunde habe ich noch rausgeschnitten, mehr ging nicht.

SZ: Von der Vorlage blieb dennoch praktisch nur die Grundidee.

Fincher: Ich kannte die Kurzgeschichte nicht, ich habe 2001 zuerst das Drehbuch gelesen. Und als ich die Geschichte danach gelesen habe, fand ich sie absurd, vielleicht zu absurd. Ein hässlicher Mensch, der mit einem langen weißen Bart zur Welt kommt und redet wie ein Erwachsener - das war mir zu viel.

SZ: In der Kurzgeschichte empfindet man zuweilen Abscheu vor Benjamin Button. Verhindert ein populärer Schauspieler wie Brad Pitt, dass man das auch im Film so erlebt?

Fincher: Ich glaube nicht. Es geht mir auch nicht um die Hässlichkeit, es geht um einen Menschen, der verflucht ist, dessen Zeit sich rückwärts dreht, während alle um ihn herum altern. Brad Pitt macht das meisterhaft - aber ich glaube, dass das trotzdem noch nicht seine definitive Rolle ist.

SZ: Die Rahmenhandlung spielt in New Orleans, während draußen der Hurrikan Katrina aufzieht. Warum?

Fincher: Wir hatten uns für New Orleans entschieden, weil die Stadt im Original für verschiedenste Zeitepochen stehen kann. Dann kam Katrina und hat alles verwüstet. Wir hatten die Chance, aus dem Vertrag auszusteigen. Brad war es, der sagte: Lass uns den Film nun erst recht hier machen. Da wir diesen Film dann in New Orleans angesiedelt haben, hätte sich jeder unweigerlich beim Sehen gefragt: Ist das nun vor oder nach Katrina? Daher kam die Idee, Katrina mit in die Geschichte aufzunehmen.

SZ: Sie sind nicht dafür bekannt, die Kinogänger zu schonen. Passt ein Märchen wie "Benjamin Button" in die Reihe Ihrer düsteren Thriller?

Fincher: Ich habe sechs Filme gemacht und alle waren ziemlich unterschiedlich, finde ich zumindest. "Benjamin Button" ist auch gar nicht so anders als die anderen Filme. Auch darin geht es um das wirkliche Leben, auch darin spielt der Tod eine Rolle.

SZ: Der ewige Kreislauf von Leben und Tod ist in der Tat ein Grundthema . . .

Fincher: Es geht um Liebe und Verlust. Du kannst keinen Film über das Leben machen, ohne Reue zu thematisieren. Du kannst keinen Film über das Leben machen - und den Tod ignorieren. Du kannst keinen Film über Liebe machen - ohne die begrenzte Zeit zu zeigen, die man zusammen hat. Alle großen Liebesgeschichten enden im Tod.

© SZ vom 28.1.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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