Illustrationen:Ferd trifft Mulegutten

Nadja Budde Vor meiner Tür auf einer Matte

Die Mäuse frönen der Völlerei, während das Männlein mittendrin leer ausgeht in Nadja Buddes: "Vor meiner Tür auf einer Matte".

(Foto: Peter Hammer Verlag)

Die Ausstellung "Zum Kuckuck. Tiere im Bilderbuch" in der Städtischen Galerie Rosenheim

Von Yvonne Poppek, Rosenheim

Ziemlich lässig lehnt der grüne Hase da im Bild herum. Sein linker Arm, der in einem eleganten, schwarzen Handschuh steckt, stützt sein Kinn, die rechte hält eine Zigarette. Und neben ihm steht in schwarzer Krakelschrift die rotzige Frage: "wird dAs HiER NOCHMA WAS mit deR GescHichte?" Dabei schaut er nicht so aus, als ob ihn die Antwort interessierte. Und den Betrachter, der vor ihm in der Städtischen Galerie in Rosenheim steht, interessiert ihn das? Nein und ja. Nein, weil das Bild einen wunderbar pointierten und witzigen Schlusspunkt zu einer zwölfteiligen Reihe bildet. Mehr erwartet man an dieser Stelle nicht. Ja, weil man irgendwie doch die ganze Geschichte lesen und anschauen will, so erfrischend und amüsant sind Stefanie Harjes' absolut unkonventionelle Illustrationen und Texte.

Aber in der Städtischen Galerie ist erst einmal Schluss. Es bleibt bei den zwölf Bildern von Harjes als Teil der Ausstellung "Zum Kuckuck! Tiere im Bilderbuch!". Zum fünften Mal widmet sich das Haus den Illustrationen aus Kinderbüchern, zeigt sie als Arbeiten, die sich hinter zweckfreien, also nicht hinter für die Buchwelt bestimmten Werken verstecken müssen, begreift sie als selbständige Kunst. Wobei diese auch in dieser Schau ihrem eigentlichen Kontext verhaftet bleiben. Es bleiben Werke, die Geschichten erzählen und die Spaß machen sollen. Und das sind grundsätzlich einmal keine schlechten Parameter. Im Gegenteil.

Kuratorin Christine Knödler hat die schöne, unterhaltsame Ausstellung mit rund 300 Originalen von 30 Illustratoren in neun Themenbereiche unterteilt, jedem Saal ist ein Schwerpunkt gewidmet. So beginnt die Runde mit "Kleinvieh & Großwild", zeigt Leo Lionnis kulleräugige Mäuse aus "Wer macht die Blumen bunt?", Janoschs sehr menschlichen, zotteligen und widerspenstigen "Bärenkönig Zampano" oder auch Marcus Pfisters berühmten, schillernden "Regenbogenfisch". Bei diesen putzigen Tierchen bleibt es aber nicht. Knödler kontrastiert sie mit dem durchaus bedrohlichen Wolfsrudel aus Friedrich Karl Waechters "Der rote Wolf" oder Oyvind Torseters gruseligen "Mulegutten", einer Geschichte mit Fantasiegestalten, die erst 2017 erscheinen wird.

Die unterschiedlichen Charaktere dieser Fabelwesen sind das eine, die Gestaltung ist das andere. Jeder Illustrator hat seine eigene Technik, mal Aquarell, mal Collage und Zeichnung, mal Bleistiftzeichnungen mit Aquarell und Heißfolienprägung oder digitale Entwürfe, kombiniert mit Tusche. Saal 1 eröffnet gleich das große Panorama, das sich in den folgenden Räumen fortsetzen soll. Wer es sich noch nicht bewusst gemacht hat, dem wird spätestens hier deutlich, wie intensiv gut gemachte und unterschiedliche Illustrationen das Kunstverständnis von Kindern prägen können. Sie bergen Chancen und ihre Qualität wird besonders sichtbar, wenn sie isoliert vom Text ihre Wirkung entfalten.

Das Kleinvieh und Großwild hinter sich lassend, trifft man in Saal 2 auf Stefanie Harjes' wohl einzigartiges "Ferd" und die 16 Bilder aus Christine Knödlers Kinderbuch "Das Schaf im Morgenmantel", das 2016 erschienen ist. 31 Autoren und Illustratoren sind an der gemeinsamen Geschichte beteiligt, jeder kannte nur das Bild oder den Text seines Vorgängers. Diversität ist auch hier das Ergebnis - und natürlich keine Überraschung, wenn man so unterschiedliche Künstler wie Quint Buchholz, Nadia Budde, Kathrin Schärer oder Rotraut Susanne Berner zusammenstellt. In der Galerie fügen sich die Illustrationen dann unabhängig von der Geschichte noch einmal zu etwas Eigenem, sie wirken wie das fantastische Panorama eines wüsten Kindertraumes, in dem Fliegen ebenso möglich ist wie die Kommunikation mit Tieren.

"Tatzentanz", "Federlesen", "Nichtfischnichtfleisch" sind weitere Stationen durch das Tierleben in Kinderbüchern überschrieben. Und so spielerisch wie die Titel klingen, ist man in Rosenheim auch mit der Präsentation der Werke umgegangen. Nicht nur in den Bildern, sondern auch in der Raumgestaltung spiegelt sich das jeweilige Thema wider. Im Raum mit Fritz Koch-Gothas "Häschenschule" stehen alte Schulpulte, rund um die Bilder von Axel Schefflers "Grüffelo" gruppieren sich Birken und Nadelhölzer und unterhalb von Nadia Buddes Schabenserie steht eine Mülltonne, umringt von Kakerlaken. In mehreren Räumen stehen und liegen zudem Stühle, Tische, Kissen. Man soll es sich gemütlich machen dürfen in der Bilderwelt. Am besten mit einem der Bücher, die zu den Exponaten gehören und die griffbreit in den Sälen ausliegen.

Wer jetzt aber meint, die Ausstellung richte sich vorwiegend an Kinder, der täuscht sich. Viele der Bilder - die übrigens nicht auf Kinderhöhe hängen - ziehen auch Erwachsene in ihren Bann. Sei es durch ihren pointierten Witz, durch ihre Qualität oder auch durch ihren Bekanntheitsgrad. Manch einer wird hier auf alte Bekannte stoßen und kann nun das Original betrachten. Und tatsächlich lassen sich auch Entdeckungen machen: Die liebevollen Details, die Genauigkeit, die kleinen fiesen Randerscheinungen, die präzise Montagetechnik von Kathrin Schärer etwa. Oder die Eleganz und Stille von Quint Buchholz, die gerade im Kontrast mit den anderen Arbeiten so augenfällig wird. Oder die Komik von Friedrich Karl Waechter. Oder Unveröffentlichtes wie "Das Ferd" von Stefanie Harjes. Bereits 1993 hat sie die Geschichte gezeichnet, einen Verlag fand die mehrfach ausgezeichnete Illustratorin dafür aber nicht. Leider, denkt man, wenn man in Rosenheim vor den zwölf Bildern steht. Stefanie Harjes selbst bemerkt dazu nur lakonisch: "Es scheint immer noch zu innovativ zu sein!"

Zum Kuckuck! Tiere im Bilderbuch, bis 5. März, Di. bis Fr. 10-17 Uhr, Sa. u. So. 13-17 Uhr, Städtische Galerie Rosenheim

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