Süddeutsche Zeitung

"Ice Age 4 - Voll verschoben" im Kino:Dumme Nuss

Dass Familie schon zu Mammut-Zeiten anstrengend war, zeigt der vierte Teil von "Ice Age" sehr deutlich. Während ausgestorbenes Viehzeug über die Leinwand marschiert, hat der Zuschauer endlich wieder Zeit, über die eigene Selbstausrottung nachzudenken.

Susan Vahabzadeh

Die Gier ist aller Wesen Untergang. Wer wenn nicht das Säbelzahneichhörnchen Scrat könnte ein Lied davon singen? In "Ice Age 4 - Voll verschoben" ist Scrat natürlich wieder dabei, berührt manchmal die Handlung und führt sonst sein Eigenleben und versenkt dabei nebenher eine Säbelzahneichhörnchen- Hochkultur, ein atlantisgleiches Schlaraffenland voller Nüsse. Eigentlich ist er am Ziel seiner Träume, aber nicht mal das Paradies ist vor seiner Raffgier sicher.

Das ist ja das Schöne an "Ice Age" - dass man gelegentlich, während man dem ausgestorbenen Viehzeug zuschaut, über unsere eigene Selbstausrottung nachdenken kann. Diese Mischung aus Kleinkindertauglichkeit und Erwachsenengags ist im Zeichentrickfilm, "Shrek" sei Dank, keine Besonderheit mehr - aber ganz angenehm ist es natürlich trotzdem.

Seit dem dritten Teil sind in "Ice Age 4" einige Jahre vergangen, das Baby des Mammut-Paares Ellie und Manni ist inzwischen halbwüchsig. Peaches benimmt sich wie ein gewöhnlicher Teenie - sie findet den blödesten Typen in der ganzen Herde gut, übt sich, um zu gefallen, in Selbstverleugnung und hört nicht auf Manni, typischer Vater einer Teenietochter, der alle Mammutjungs am liebsten zum Teufel jagen würde.

Soweit zu dieser Familie - Sid, vermeintliches Waisenfaultier, bekommt Besuch von seinen widerlichen Anverwandten, die ihn einst ausgesetzt haben und nun fix die verwirrte Oma bei ihm parken. Nur Diego, der Säbelzahntiger, hat keinen Anhang, aber das wird sich im Verlauf des Films noch ändern. Familie, das ist hier klar, ist ganz nett, vor allem aber anstrengend.

"Ice Age 4" ist vergnüglich und sieht großartig aus - aber der Film hat der Reihe nicht viel hinzuzufügen; in 3D war ja auch schon der dritte Teil. Immerhin aber ist der Plot dann doch noch mal um einen Dreh erweitert worden, weil ein neues Zeitalter anbricht - während sich das Getier wegen Nichtigkeiten in den Haaren liegt, ertönt ein erstes Knacken. Dann tun sich Risse auf im Eis. Und plötzlich ist die ganze Welt, wie Sid, Manni und Diego sie kennen, in Bewegung - die Kontinentalplatten verschieben sich. Das gehört zu den schönsten Effekten dieses Films - wie man unserer Welt im Zeitraffer bei ihrer Ausformung zusehen kann, und die Konturen der Kontinente langsam aus Wasser und Erdplatten hervortreten.

Mit der Oma auf der Eisscholle

Jetzt geht's erst richtig rund, denn während von hinten eine Felsplatte langsam sich auf das Gebiet zuschiebt, in dem die Tiere bislang gelebt haben, werden die drei Helden Manni, Sid und Diego mitsamt der Oma auf einer Eisscholle abgelöst und treiben plötzlich im tollsten Sturm auf hoher See. Schlimmer noch: Als sie endlich ein anderes Gefährt auf dem Meer entdecken, entpuppt sich das aus Eis geschliffene Schiff als Piratennest - Fluch der Antarktis, Captain Sparrow lässt grüßen -, sie landen bei den Sirenen und müssen sich den Rückweg zu ihrer Familie hart erkämpfen - aber richtig albtraumfördernde Dramen gibt es dann doch nicht.

Es wird bei den Piraten eine höchst anziehende weiße Tigeramazone Diego den Kopf verdrehen - in dem sie keine Gelegenheit auslässt, ihm eins überzubraten. Voll verschroben. Diego jedenfalls findet das rabiate Weibchen, im Original leiht ihr Jennifer Lopez ihre Stimme, unwiderstehlich.

Angeführt wird die Piratengang von einem Affen, einem rechten Widerling - man weiß zwar nicht so recht, wie der auf der Eisscholle gelandet sein könnte, aber Affen sind ja menschliche Ahnen, und da darf man wieder kurz darüber nachdenken, ob Steve Martino und Michael Thurmeier, die schon bei der letzten Folge das Ice-Age-Franchise von Chris Wedge und Carlos Saldanha übernommen haben, uns damit irgendwas sagen wollen - darüber, welche Spezies der Welt eine neue Dimension der Bosheit hinzugefügt hat.

ICE AGE - CONTINENTAL DRIFT, USA 2012 - Regie: Steve Martino und Michael Thurmeier. Drehbuch: Michael Berg, Jason Fuchs. Kamera: Renato Falcao.Im Original mit den Stimmen von Ray Romano, John Leguziamo, Denis Leary, Queen Latifah und Jennifer Lopez. Twentieth Century Fox, 87 Minuten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1401960
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.07.2012/feko
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.