"I'm Not a F**cking Princess" im Kino:Zwischen Abscheu und Faszination

Softpornographische Akte mit vier, mit elf Jahren im Playboy - Eva Ionesco verwandelt ihre eigene Geschichte in ihren ersten Spielfilm "I'm Not a F**cking Princess". Eine Geschichte, die skandalös und schamlos ist - und die doch melancholisch und sehr intim erzählt wird.

Fritz Göttler

Von einer traurigen kleinen Rumpffamilie handelt dieser Film, einer bizarren Ménage-à-trois: eine Mutter, alleinerziehend, ihre Tochter und die Kamera der Mutter - und wegen der kommt es dann tatsächlich auch zu Eifersuchtsgefühlen bei den beiden Frauen. Eva Ionesco verwandelt ihre eigene Geschichte in ihren ersten Spielfilm I'm Not a F**cking Princess, eine Geschichte, die skandalös und schamlos ist, und die der Film doch melancholisch und sehr intim erzählt. Und entschärft im Vergleich zu dem, was sich wirklich abspielte - es war mir nicht möglich, sagt Eva Ionesco, im Kino eine Vierjährige mit gespreizten Beinen zu zeigen.

Kinostarts - 'I'm not a F**king Princess'

Die Tochter (gespielt von Anamaria Vartolome) ist schon als kleines Mädchen eine Kopie der Mutter (Isabelle Huppert).

(Foto: dpa)

Der Skandal war wohl kalkuliert, in den Siebzigern, als Irina Ionesco, die Mutter, Bilder von ihrer minderjährigen Tochter Eva machte und an Magazine und in Ausstellungen verkaufte. Ausgefallene Kostümierungen, infantile softpornographische Akte, Kindfrau- und Lolita-Posen, aber auch Anklänge an Präraffaeliten- und Impressionistenkunst. 1976 wurde Eva, mit elf, für den italienischen Playboy fotografiert, sie war dessen jüngstes Nacktmodell. Im selben Jahr hatte sie ihre erste Kinorolle, in Roman Polanskis Der Mieter. Dutzende weitere Rollen sollten folgen.

Von Travestie und Inszenierung lebt das Kino, von der Lust an der Verkleidung, an den phantastischen Kostümen und Kimonos, Diademen und Broschen, Pelzen und Capes, Hüten und Netzstrümpfen, an grellen roten oder künstlichen goldenen Fingernägeln, an weißer Schminke und Lidschatten. Dazu ein entrücktes Lächeln, das unheimlich müde wirkt und wie eingebrannt ins Gesicht. Inszenierung von Extravaganz, Kreation einer kindlichen Diva, totale Künstlichkeit, die schnell zu einer zweiten Natur wird. Das Vorbild ist Marlene Dietrich, die künstliche Kinofrau, geschaffen von Josef von Sternberg - die erste große Liebe, die erste erotische Beziehung, die durch eine Kamera ging.

Eine Groteske der Kindheit, die einen hin- und herreißt zwischen Abscheu und Faszination - das Kino war wohl am schnellsten bereit, Anfang des vorigen Jahrhunderts, Freuds Mahnung zu bekräftigen, man dürfe die Perversionen nicht kategorisch in die Ecke der Anomalien verbannen. Der Film wirkt wie ein surreales Gegenstück zu Maïwenn Le Bescos Polisse, der parallel in dieser Woche anläuft, er behandelt das gleiche Thema, Kindesmissbrauch, gewissermaßen hinter den Spiegeln. Er löst den gesellschaftskritischen, juristischen, feministischen Tatbestand auf in ein Gewebe von Motiven, Sehnsüchten und Träumen.

Die Fotoaktionen der Mutter - sie heißt Hannah im Film und wird gespielt von Isabelle Huppert, in großer säuseliger, exzentrischer Manier - sind ein Emanzipations-, ein Fluchtversuch, sie will Arbeit, Wohlstand, Erfolg. Die Küche, in der sie hausen, ist unerträglich spießig, mit Nähmaschine, Blumentopfhalter, Pfannen an der Wand. Und in einer dunklen Ecke hockt, nörgelig und immer gebetsbereit, Hannahs Großmutter, die hält die Verbindung zur rumänischen Heimat, ein wirres, brummelndes Familien-Über-Ich.

Frauen in lichtlosen Räumen

Das gewohnte Zuhälter-Modell funktioniert nicht zur Erklärung in diesem Film, es sind nicht die geilen Männer, die hier die Frauenkörper sexuell ausbeuten. Im Gegenteil, Hannahs Freund ist ein abstrakter Maler, ein Kommunenzausel, zigarillokauend, anarchisch, der auf dem Land lebt und natürliche Vernunft verkörpert - Denis Lavant spielt ihn, der einst die monströsen Jungen in den frühen Filmen von Leos Carax verkörperte. Er ist der Schutzpatron des Films.

Die Frauen halten sich dagegen in lichtlosen Räumen auf - die kleine Kirche der Orthodoxen, wo die Großmutter unterschlüpft, zwischen ein paar schwachen Kerzen und Ikonen mit goldenen Rändern, oder die schummrigen, verschleierten Zimmer von Hannah und Violetta - so heißt das Mädchen im Film, gespielt von der zwölfjährigen Anamaria Vartolomei. Dunkelkammern der weiblichen Sehnsüchte, Ateliers der Eigeninszenierung. Der Tod ist präsent in diesen Räumen, sagt Eva Ionesco, sie ist für diesen Film inspiriert von den Horrorfilmen Mario Bavas und den Body-Double-Studien von Brian de Palma. Irgendwann klingen auch poetische Inspirationen an, ein Poe-Gedicht: "From childhood's hour I have not been as others were; I have not seen as others saw ..."

Wir müssen die verlorene Zeit wiedergutmachen, sagt die Mutter zur Tochter, als sie sich an die Arbeit macht. Die Nikon ist ein magisch glitzernder Apparat in ihren Händen. Sie leidet an Physiophobie, hat Angst vor körperlichem Kontakt mit anderen. Das sei keine Verkleidung, beharrt sie, wenn sie Violetta und sich ausstaffiert, eher eine zweite Haut. Als Violetta schließlich rebelliert, munitioniert Hannah sich mit Thesen von Bataille. Schließlich kommt das Jugendamt, die Tochter wird ihrer Obhut entzogen. Die Göttinnen der Dekadenz haben ausgespielt.

Man hat es nicht leicht in diesem Film, wenn sich in der Faszination der Mutter angesichts ihres Metiers immer auch Momente eigener Zuschauer-Faszination gespiegelt finden. Und die Diskussion ist nie wirklich entschieden worden um die Dialektik des Kunstbetriebs, wie sie in der Folge von '68 debattiert wurde, die Diskussion um sexuelle und künstlerische Revolution, um Tabubruch und Widernatürlichkeit, um Pop und Punk und die zwanghaften Drohungen des Voyeurismus. Und darum, ob nicht überhaupt das Bildermachen etwas von einem Missbrauch hat, der uns mit unserem Bild auch die Seele raubt.

Regie: Eva Ionesco. Buch: Marc Cholodenko, Philippe Le Guay, Eva Ionesco. Kamera: Jeanne Lapoirie. Schnitt: Laurence Briaud. Musik: Bertrand Burgalat. Mit: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei, Georgetta Leahu, Denis Lavant, Pascal Bongard, Jethro Cave, Louis-Do de Lencquesaing. X-Verleih, 104 Minuten.

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