Humor:Sad. Super sad!

´Morgestraich" in Basel

Donald Trumps Sprache ist überall in unserem Alltag. Ist das eine gute Kompensation - oder gefährlich?

(Foto: dpa)

Medien, Politiker, eigentlich wir alle imitieren Donald Trumps Sprache immer häufiger. Nimmt man dem Populismus damit das Bedrohliche? Oder verharmlost man ihn?

Analyse von Jakob Biazza

Die Diskussion wird sowieso bei Hitler enden, also kann sie ebenso gut mit ihm anfangen. Bei der Frage, ob man sich über Politiker lustig machen darf, die Schreckliches tun und sagen, und ob es sie eher entlarvt oder gefährlich verharmlost, wenn man es tut, ist er schließlich eine Art argumentativer Endgegner. Deshalb vorab ein kurzer Test: Wenn der Name Adolf Hitler fällt, welche Bilder kommen Ihnen da in den Kopf? Und? Ist auch einer seiner Parodisten dabei? Die "Switch Reloaded"-Version? Helge Schneider? Ein Meme? Oder irgendwas aus dem Timur-Vermes-Kosmos von "Er ist wieder da"? Behalten Sie den Gedanken im Hinterkopf. Wir kommen später darauf zurück.

Die Frage nach Hitler-Witzen ist deshalb wieder aktuell, weil man, falls man denn über Hitler lachen darf, wohl auch über alles lachen dürfte, das im Grusel niederschwelliger ist. Was zu Donald Trump führt. Es ist ja gerade billiger Brauch, die Dinge, die der US-Präsident sagt, in - nun, hier stockt man ja auch schon - in was eigentlich zu verwandeln? In Satire? Ironie? In plumpes bis überhebliches Nachäffen? Oder eben in Verniedlichungen, die mittelfristig gefährlich werden könnten?

Hält den Irrsinn wirklich eine Armlänge entfernt, wer Trump imitiert?

Es findet sich jedenfalls kaum noch ein Fernsehsender, auch kein öffentlich-rechtlicher, der sich nicht erblödet, sein Programm mit Abwandlungen von "Make XY great again" anzukündigen. Kaum eine Zeitung, auch keine süddeutsche, die überraschend anführungszeichenfrei vermeldet, dass sich irgendwo in der Kommunikation zwischen zwei Personen wohl "alternative Fakten" eingeschlichen hätten. Und wenige Bierrunden, in denen nicht irgendwer irgendwann "XY first" blökt. Dazu das langgezogene "Saaaad!" Sein "Failing irgendwas", das "Crooked so und so", das "Tremendous!". Trump ist überall. Überall in der Alltagssprache. Und damit im Denken.

Unheimlich ironisch natürlich. Aber reicht das als Distanzierung?

Hält den Irrsinn also wirklich eine Armlänge entfernt, wer so spricht? Oder holt er sich im Gegenteil Sprachbilder in den Kopf, die dort zur launigen Normalität werden? Entlarvt es Trumps Vereinfachungen, seine Nationalismen, seine Isolationspolitik, wenn man die Phrase vom "großartigen Amerika" nachplappert? Oder verwässert es sie? Befreit es sarkastisch, über "alternative Fakten" zu witzeln? Oder bringt es einen Gewöhnungseffekt an das, was der politische Euphemismus ja eigentlich verschleiert: dreiste Lügen?

Das ist keine Nischenfrage. Wir leben in einer Zeit, in der der Kampf um Sprachbilder vielleicht noch wichtiger ist als der um die visuellen. Sprache ist nicht nur Kommunikation. Sprache bestimmt die Art, wie die Menschen die Welt wahrnehmen. Weil sie einen Deutungsrahmen für ihr Denken einzieht. Und weil sie den mit Bildern füllt, die bleiben. Öfter mit solchen, die Ängste ansprechen. Das Rechte, das Reaktionäre hat es ohnehin ungleich leichter, seinen Weg in den Alltag zu finden. Die Sprache der Spaltung und Abgrenzung zielt direkter auf die Emotionen ab. Daraus schöpft sie ihre zersetzende Kraft.

Für Freud war Humor "Abfuhr seelischer Erregung"

Die Frage, wessen Worte eine Gesellschaft benutzt und wie, ist damit hochgradig politisch. Sie kann Wahlen entscheiden. Nein, sie hat schon Wahlen entschieden. Es lohnt sich, sehr genau zu überlegen, ob man Bilder der Angst in den aktiven Sprech hieven muss, indem man sie selbst benutzt. Und sei es noch so ironisch.

Das ist die eine Sichtweise. Die andere findet sich zum Beispiel bei Sigmund Freud. In "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten" beschreibt der das Lachen - noch aus der Physiologie des 19. Jahrhunderts heraus - als "ein Phänomen der Abfuhr seelischer Erregung". Gefühle wie Wut oder Empörung über eine Person oder ein Ereignis werden durch einen Witz ersetzt. Wenn wir lachen, werde demnach überschüssige Energie abgeführt, und das empfänden wir als lustvoll. "Comic relief" nennt man das im Englischen. Erlösung durch Humor.

Wer bloß nachäfft, stellt nur seine Fassungslosigkeit aus

Witze über Dinge, die Menschen fassungslos machen, sind also gut für deren Psychohygiene. Und sie haben darin - theoretisch jedenfalls - ebenfalls eine politische Dimension. Wer sich in aussichtslose Wut versteigt, wirkt hilflos. Er wirkt klein. Wer Gegner verlacht, wahrt wenigstens vordergründig Souveränität. Vielleicht sogar Deutungshoheit. Humor kann dann als Waffe funktionieren. Donald Trump soll beispielsweise tief getroffen davon sein, dass sein Regierungssprecher Sean Spicer in der Satiresendung "Saturday Night Live" von einer Frau gespielt wird. Weil es Spicer angeblich schwach erscheinen lässt. Entlarvender geht es kaum.

Humor kann als Waffe aber auch schnell stumpf werden. Dann, wenn er sich abnutzt. Wenn er selbst zur schalen Phrase verkommt - siehe "Tremendous", siehe "Make xy great again". Oder, schlimmer, wenn die Persiflage zum eigenständigen Bild heranwächst. Was zurück zum Hitler-Test führt: Tauchen beim Namen des Diktators vor dem geistigen Auge nur noch oder überwiegend Helge Schneider oder andere Imitatoren auf, ist das ein Problem. Wenn die Persiflage an die Stelle der grausigen Realität tritt, ist die Banalität des Bösen nämlich nur noch banal - und damit nicht mehr böse. Überall "Switch Reloaded". Nirgends mehr der reale Schrecken.

Man besiegt den Wahnsinn nicht, indem man ihn bloß besonders gekonnt imitiert

Am Ende des Tages ist aber auch Donald Trump keine Comic-Figur. Er ist ein realer Präsident mit realer Macht. Seine Slogans sind reale Stimmungsmache, auf die gerade sehr reale Ab- und Ausgrenzungspolitik folgt - und sehr, sehr veritable Lügen. Die Komik könnte hier wirken. Sie hätte die Chance, sich als wichtige, vielleicht sogar wichtigste Instanz der Aufklärung zu etablieren. Dazu bräuchte sie aber zum Beispiel die Art von Recherche, die Art von Investigativ-Humor, die man etwa bei John Oliver und Jon Stewart erleben kann - oder in Deutschland seltener bei Jan Böhmermann. Nur zu parodieren, reicht nicht. Oder, wie es ein Kollege jüngst schrieb: "Man besiegt den Wahnsinn nicht, indem man ihn bloß besonders gekonnt imitiert."

Das liegt auch begründet im Wesen der Parodie. Wer bloß nachäfft, egal wie gekonnt, der agiert eben nicht im Geiste irgendeiner Aufklärung. Er entlarvt nichts, er bricht die Realität nicht. Er gewinnt gerade keine Deutungshoheit, sondern stellt bloß seine Fassungslosigkeit aus. Er macht sich klein. Im schlimmsten Fall feiert und adelt er das Original sogar.

Das gilt im besonderen Maße für alle, die die Welt professionell verhandeln - für die Medien, die Werbung, die Politik, die Comedians. Es gilt, zumindest dosiert, aber auch für private Runden. Trumps Worte nachzuäffen, mag dem Einzelnen "Comic relief" sein - und darin wohl auch legitim. Gesamtgesellschaftlich aber bringt es nichts. Außer Abnutzung. Das ist beim Bier wohl nicht gefährlich. Aber sehr, sehr überflüssig.

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