Satire:Seit Komiker "investigative Comedy" machen, hat sich ihre Rolle verändert

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Nicht zuletzt in Deutschland gibt es eine lange Tradition politischer Comedy, die nichts anderes tut, als die Vorurteile seines Publikums zu bestätigen. Wir nennen es Kabarett. Ob man Comedy und Satire im öffentlichen Diskurs eine andere, kritischere, nachhaltigere Rolle zutraut, ist natürlich die Frage. Amerikanische Comedians wie Jon Stewart oder John Oliver, aber auch deutsche Kollegen wie Claus von Wagner oder Jan Böhmermann praktizieren inzwischen jedoch, was "investigative Comedy" genannt wird, und erreichen damit im Netz ein Millionenpublikum. Seit also nicht mehr nur mit alten Vorurteilen dem nächsten faden Gag hinterhergejagt wird, sondern Comedy-Nummern offensichtlich skrupulöse Recherchen zugrunde liegen und der Klamauk am Ende einen tatsächlich aufklärerischen Ehrgeiz hat, seitdem ist die Hoffnung nicht mehr völlig unbegründet, dass Komiker die Rolle der letzten wirklich wirkmächtigen Kritiker unserer Zeit übernehmen.

Dann aber ist es nicht mehr genug, bloß mehr oder weniger gekonnt nachzuäffen, wie sich Trump und Co. so geben. Es ist vielmehr faul und selbstgerecht und am Ende das glatte Gegenteil des ersten kämpferischen Anscheins. Es ist das leichte Lachen, die schnellstmögliche Vermarktung der Fassungslosigkeit. Aber was bleibt übrig, wenn man sich eine zu lange Krawatte um den Hals bindet, eine blonde Perücke aufsetzt und ein paar offensichtlich unverschämte Trump-Phrasen zum Besten gibt? Nichts, was den Irrsinn im fürchterlichen Original nicht auf perverse Art sogar feiert. Statt ihm die Stirn zu bieten.

Das leichte Lachen ist bloß die schnelle Vermarktung der Fassungslosigkeit

Niemand hat so unerbittlich auf die Untiefen des leichten Lachens hingewiesen wie der französische Philosoph Henri Bergson in seinem 1899 erschienenen Essay "Das Lachen" über die Bedeutung des Komischen. Ein Gesicht etwa, so Bergson, könne noch so regelmäßig sein, das Gleichgewicht sei nie vollkommen. Immer wieder könne man darin eine Spur eines Ticks, den Schatten einer möglichen Grimasse entdecken, irgendeine besondere Deformation erkennen.

Die Kunst des Parodisten sei nun wiederum, dass er das erfasst und überbetont: "Er lässt die Personen, die er zeichnet, die Grimassen schneiden, die sie schneiden würden, wenn sie ihre schon vorhandene Grimasse jemals zu Ende schnitten." Deshalb würden auch Gebärden, über die zu lachen uns nicht eingefallen wäre, in dem Moment lächerlich, sobald ein Fremder sie gekonnt nachahmt. Das aber habe nun nicht nur etwas Diabolisches, weil es "den Dämon, den der Engel zerschmettert hatte, wieder auferstehen" lasse, es werde auch etwas Lebendiges, ein Mensch, von etwas Mechanischem überdeckt.

Selbst wenn man den lebensphilosophischen Überschwang abzieht, hat diese Argumentation im Moment etwas Zwingendes. Nur wenn man die Ereignisse als unbeteiligter Zuschauer betrachtet, verwandelten sich die Dramen in Komödien. Die Komik bedürfe einer "vorübergehenden Anästhesie des Herzens". Ganz anders sehe es aus, wenn man versucht, an allem Anteil zu nehmen: "Handeln Sie im Geist mit den Handelnden, empfinden Sie mit den Empfindenden - und Sie werden sehen, wie die gewichtslosesten Dinge wie unter der Berührung eines Zauberstabes gewichtig werden, wie alles sich düster färbt."

Das klingt vielleicht moralischer, als man es sich wünschen würde. Aber man besiegt den Wahnsinn nicht, indem man ihn bloß besonders gekonnt imitiert.

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