Humboldt-Forum:Genug der Ehre

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Zur Eröffnung wurde dem geschätzten Großspender Bödecker (rechts oben) noch mit Relief gedankt. (Foto: imago images/Stefan Zeitz)

Ein Großspender des Humboldt-Forums fiel mit rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen auf. Nun bittet seine Familie, eine Ehrenmedaille abzuhängen.

Von Jörg Häntzschel

Erst vor wenigen Tagen hatte der Berliner Tagesspiegel die rechtsradikalen und antisemitischen Äußerungen von Ehrhardt Bödecker, eines Großspenders des Humboldt-Forums, dokumentiert und dessen Ehrung mit einer Medaille in einem Portal des Schlosses kritisiert. Am Mittwochabend nun haben dessen Sohn und Schwiegertochter die Richtigkeit der Vorwürfe eingestanden. In ihrer Pressemitteilung schreiben sie, Bödecker, der 2016 gestorben ist, sei als "streitbarer Konservativer und Preußen-Enthusiast" bekannt gewesen. Doch die ihnen bislang unbekannten Texte, die er in seinen letzten 15 Lebensjahren geschrieben habe, enthielten "Thesen und Formulierungen", die "falsch und teils sogar rechtsextrem sind". Sie bestätigen auch, dass ihr Vater und Schwiegervater diese "inakzeptablen" Thesen in "rechtsextremen Kreisen" vorgetragen habe. Sie bitten die Verantwortlichen deshalb, die Medaille, die die Porträts von Bödecker und seiner Frau Anneliese zeigt, abzuhängen.

Bödecker war ursprünglich Richter und Anwalt. 1966 übernahm er von seinem Schwiegervater die Weberbank, eine Berliner Privatbank. Nachdem er 1995 in den Ruhestand ging, richtete er im brandenburgischen Wustrau das private Brandenburg-Preußen-Museum ein.

Milde Formen der Preußen-Nostalgie dürften unter den 40 000 privaten Spendern des Humboldt-Forums verbreitet sein. Bei Bödecker war sie allerdings Teil eines antidemokratischen, revanchistischen und rassistischen Weltbilds. Doch darauf wurde man im Humboldt-Forum, wie auch in Bödeckers Familie, offenbar erst durch den Zeitungsbeitrag des Kasseler Architekturprofessors und ehemaligen Leiters der Dessauer Stiftung Bauhaus, Philipp Oswalt, aufmerksam.

Bödecker sprach auch im Institut für Staatspolitik, das der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft

Auch die meisten von Bödeckers Essays und Aufsätze kreisen um das Thema Preußen. Er verteidigt darin Preußen gegen den Militarismusvorwurf, stellt das Kaiserreich als "erfolgreichsten Staat der deutschen Geschichte" dar und beklagt den Niedergang Deutschlands, der in seinen Augen mit Preußens Ende begann. Den Echoraum für seine Texte fand Bödecker im neurechten Milieu. Sein Buch "Preußen und die Wurzeln des Erfolgs" etwa wurde posthum im Kopp-Verlag aufgelegt, der etliche rechte Titel im Programm hat. Er soll Vorträge in dem vom Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt als rechtsextrem eingestuften Institut für Staatspolitik gehalten haben. Mehrfach schrieb er auch in der Jungen Freiheit.

Bödecker beschränkte sich zuletzt nicht mehr nur auf die Preußen-Feier, sondern ließ immer offener seinen Antisemitismus durchklingen. Er beklagte das "talmudische ,Niemals vergessen'", unter dem Deutschland seit 1918 leide. Er prangerte die "Selbstvergottung der Sieger" nach dem Zweiten Weltkrieg an und die "Gehirnwäsche", der sie die Deutschen unterzogen hätten. Schuld daran seien die jüdischen Soziologen der Frankfurter Schule gewesen. Sogar von der "inzwischen wissenschaftlich nachgewiesenen Unrichtigkeit der behaupteten Zahl von sechs Millionen Opfern" des Holocausts schwadronierte er.

Das Humboldt-Forum ist durch diese überraschende Wendung nun doppelt blamiert. Erst hatte man offenbar auf eine Prüfung des publizistischen Output Bödeckers verzichtet. Dann wiegelte man am Dienstag mit dem Versprechen ab, dessen Äußerungen von einem "renommierten zeithistorischen Institut prüfen" zu lassen, obwohl diese ja kaum Spielraum für Interpretation lassen. Immerhin distanzierte sich das Humboldt-Forum von Bödeckers Haltung. Man teile "in keiner Weise" die Ansichten Bödeckers und spreche sich "klar gegen jede Form von Gewaltverharmlosung, Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus" aus.

Der Einfluss der Stifter auf die Gestaltung des Schlosses wurde immer wieder kritisiert

Anders ist es mit dem für die Schlossspenden zuständigen Förderverein Berliner Schloss des früheren Traktorfabrikanten Wilhelm von Boddien. "Wir haben auf bürgerliche Reputation geachtet, nicht auf politische Einstellungen", sagte er gegenüber der Berliner Zeitung. Gegenüber der SZ war er nicht zu einer Stellungnahme bereit. Das Schlimme ist, so der Architekturkritiker Oswalt gegenüber der SZ, dass Bödeckers Weltbild für viele durchaus kompatibel sei mit "bürgerlicher Reputation". Boddiens Zurückhaltung dürfte aber auch darin begründet liegen, dass er und Bödecker teils in ähnlichen Kreisen verkehrten und in denselben Büchern publizierten, auch wenn Boddien sich nie in ähnlicher Weise geäußert hat wie Bödecker.

Der Einfluss, den Millionäre auf die Gestaltung des Schloss-Neubaus nahmen, wurde immer wieder kritisiert, vor allem im Zusammenhang mit der Spende der Versandhaus-Erbin Maren Otto für das Kreuz auf der Kuppel. Er geht zurück auf das Arrangement, auf das sich der Bundestag 2002 einigte. Danach trägt der Staat die Kosten für den Wiederaufbau, die Rekonstruktion der historischen Fassade wird aber über private Spenden finanziert. 105 Millionen Euro sind dafür gesammelt worden.

Bödecker hat gemeinsam mit seiner Frau Anneliese 500 000 Euro für die Rekonstruktion der "Nordkartusche" links vom Eosander-Portal des wiederaufgebauten Schlosses gespendet. Darüber hinaus haben die beiden mindestens weitere 500 000 Euro gegeben. Die Ehrung mit Reliefmedaillon gab es erst für Spenden ab einer Million Euro. Wie viel die Bödeckers insgesamt gespendet haben und wofür, bleibt das Geheimnis der Stiftung.

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