Humboldt-Forum:Bundeskulturraumschiff

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Das Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem. (Foto: David von Becker)

In der Hauptstadt kursieren Gerüchte und Vorschläge für eine Änderung der Konzeption des Humboldt-Forums: Das Land Berlin, das bisher 4000 Quadratmeter bespielt, soll sich aus dem Projekt zurückziehen. Das wäre Aberwitz.

Von Jens Bisky

Nachdem der Berliner Kultursenator Klaus Lederer einen "diskursiven Neuanfang" für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss gefordert hat, kursieren wieder Gerüchte und Vorschläge, das Land Berlin möge doch aus dem Kulturgroßprojekt aussteigen. Käme es dazu, dann gäbe es keine Berlin-Ausstellung im Schloss, aber die Räume, 4 000 Quadratmeter, ließen sich gewiss füllen. Man könnte mehr zur Geschichte des Ortes erzählen oder das Museum für Europäische Kulturen dort unterbringen, das noch in Dahlem residiert. Ein Ausstieg Berlins würde es gewiss erleichtern, das Humboldt-Forum einer Gesamtintendanz zu unterstellen und damit für Einheitlichkeit zu sorgen, für ein "Konzept aus einem Guss", wie es die sozialdemokratische Kulturpolitikerin Eva Högl jüngst gefordert hat.

Gewiss, ein Ausstieg Berlins würde teuer werden. Das Land beteiligt sich mit 32 Millionen Euro an den Schlossbaukosten und hat dem Bund das Baugrundstück übertragen. Dafür müsste eine Kompensation gefunden werden, aber es wäre, den politischen Willen vorausgesetzt, möglich.

Beim Berliner Stadtmuseum, das gemeinsam mit der Kulturprojekte GmbH die Berlin-Ausstellung erarbeitet, weiß man nichts von Ausstiegsplänen. Auch im Haus des Kultursenators ist man überrascht. Allerdings wurde schon des Öfteren diskutiert, ob Berlin wirklich mit von der Partie sein sollte, schien doch die Stadt stets nur mäßig interessiert zu sein. Und als Michael Müller 2015 Regierender Bürgermeister wurde und das Forum zur Chefsache erklärte, warf er zugleich die vorherigen Planungen über den Haufen. Statt der Zentral- und Landesbibliothek sollte das Nest an der Spree nun in einer Ausstellung zeigen, wie es zur Weltstadt wurde. Auch dafür hat man Paul Spies aus Amsterdam geholt, der Direktor des Stadtmuseums und zugleich Chefkurator des Landes Berlin für das Humboldt-Forum ist.

Das institutionelle Kuddelmuddel führt zu Ausbruchsversuchen und immer neuen Kurzschlüssen

Die Frage nach einem Rückzug aus dem Humboldt-Forum stelle sich nicht, sagt Klaus Lederer der SZ. Hauptgrund dafür, dass die Gerüchte immer wieder auftauchen, ist der Konflikt um die Organisation des Forums. Berlin will keine Gesamtintendanz, die Top-down-Entscheidungen trifft - die einen bestimmen, die anderen arbeiten -, ist aber zur vernünftigen Zusammenarbeit selbstverständlich bereit.

Das Humboldt-Forum verheißt in seiner Selbstdarstellung eine "verflechtende, Grenzen überwindende Arbeitsweise", hat aber noch keine Organisationsform für die Vielfalt der beteiligten Institutionen gefunden. Der größte Akteur, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist in sich schon ein verwickeltes, fragiles Neben-, manchmal Miteinander verschiedenster Einrichtungen. Und neben dem Land Berlin mischt eben auch die Stiftung Stadtmuseum mit. Hinzu kommen die Humboldt-Universität mit dem Humboldt-Lab, die Stiftung Humboldt-Forum, die Humboldt-Forum Kultur GmbH, und der Bund als Bauherr und Oberzuständiger, der die Mittel für den laufenden Betrieb nach der Eröffnung zur Verfügung stellen muss.

Die Probleme liegen im praktischen Klein-Klein. Wer kümmert sich wie um Gebäudebewirtschaftung und Liegenschaftsverwaltung? Wer und wie um die museale Vermittlungsarbeit? Wer entscheidet in Konfliktfällen? Zu jedem Akteur gehören ja noch beratende und kontrollierende Gremien, Stiftungsräte, Expertenrunden, Freundeskreise.

Die Abstimmungsprobleme und die Langwierigkeit des Aushandelns kann man sich ausmalen. Die schwebende Konstruktion der drei Gründungsintendanten entspricht dem und bringt zunächst institutionelle Routinen durcheinander. Und es hat etwas Gewagtes, dass Neil MacGregor, Horst Bredekamp und Hermann Parzinger dieser Aufgabe gleichsam im Nebenberuf nachgehen. Was eine Intendanz leisten soll - Klarheit schaffen, den Fachleuten gute Arbeit ermöglichen -, das kann nicht gelingen, solange die Rolle der Chefs selber unklar ist.

Das institutionelle Kuddelmuddel führt notwendig zu Ausbruchsversuchen, zur Sehnsucht nach Kurzschlüssen. Sie äußern sich regelmäßig im Wunsch umzuplanen oder endlich das feine, endgültige Konzept zu formulieren. Aber organisatorische Schwächen lassen sich durch Konzeptfloskeln höchstens verdecken. Die Rede vom "einen Guss" gehört dazu. Es soll mit dem Humboldt-Forum ein "neues kulturelle Stadtquartier" entstehen. Ja, so etwas kann man von oben und nach einem einheitlichen Entwurf planen. Aber interessante Stadtquartiere entstehen häufiger durch Gegensätze, verschiedene Formen, durch Freiräume, etwas auszuprobieren und dann auch wieder zu verwerfen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach all den Jahren der Debatte, nach Dutzenden Papieren, Büchern, Pamphleten eine neue, erlösende Figur auftritt, ist gering. Wie Kobolde melden sich die alten gleichen Vorschläge und Visionsbeschwörungssätze immer wieder.

Sollte Berlin nicht mehr dabei sein, würde das Projekt unwiderruflich zum Bundeskulturraumschiff, ohne dass auch nur ein Problem wirklich gelöst wäre. Durch abstrakte Debatten hat man das Humboldt-Forum in den gegenwärtigen, fast alle enttäuschenden Zustand geführt. Zur Abwechslung könnte man die Stärke aller beteiligten Institutionen nutzen. Die Kuratoren und Wissenschaftler arbeiten im Regelfall besser als die Konzeptideologen, es sei denn, man zwingt sie dazu, wolkige Programme zu illustrieren.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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