Humboldt-Forum in Berlin:Kompensation der Verpeiltheit

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Lange ging wenig bis nichts, jetzt soll alles gleichzeitig passieren. Das Humboldt-Forum in Berlin im vergangenen Jahr. (Foto: dpa)

Baupannen, interne Kämpfe und die Kolonialismusdebatte: Das Humboldt-Forum soll im Herbst eröffnet werden. Ob das gelingt, ist fraglich - aber das ist nicht das größte Problem.

Von Jörg Häntzschel

Diese Woche soll endlich alles gut werden für das Humboldt-Forum. Am Mittwoch trifft sich der Stiftungsrat, bald darauf soll der Eröffnungstermin verkündet werden, 11. September, 24. September oder 3. Oktober. Das von Baupannen, internen Kämpfen und der Kolonialismusdebatte verfolgte Großprojekt muss auf die Zielgerade, Kulturstaatsministerin Monika Grütters besteht darauf.

Doch ob das wirklich gelingt, daran haben die Verantwortlichen immer größere Zweifel. Das geht aus einem Papier hervor, das die Ergebnisse der "Akteursrunde" vom 12. Februar zusammenfasst und das der SZ vorliegt. Dort trafen sich Vertreter der vier beteiligten Institutionen - Stiftung Humboldt-Forum, Staatliche Museen, Humboldt-Universität und Stadtmuseum Berlin -, um sich auf den Terminplan zu einigen: in diesem Herbst also die Eröffnung von Erdgeschoss und erstem Stock mit einer Ausstellung zum Thema Elfenbein, mit der Berlin-Schau und dem Humboldt-Lab der Humboldt-Universität (HU). Im nächsten Jahr dann erst der West- dann der Ostflügel der oberen Stockwerke, bespielt von Ethnologischem Museum und Museum für Asiatische Kunst.

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Doch es ging bei der Sitzung auch um vieles andere: um Veranstaltungsräume, um Außenflächen, sogar um Maßnahmen gegen Terroranschläge. Vor allem ging es darum, was "eröffnungskritisch", was "in Verzug" oder "ablauferschwerend" ist, was "Eröffnung 1 gefährden" kann, und wo "Imageschäden" drohen. In einer Datenbank sollen die Mitarbeiter alle "Vorgänge" nach diesen Kriterien klassifizieren.

"Irgendwie eröffnen", "irgendwas eröffnen", so sagen Beteiligte, nur das zähle noch nach 20 Jahren Planung für das wohl größte neue Kulturprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik. Letztlich konstatieren aber auch die Verantwortlichen, dass die "Baufertigstellung zu August realisierbar, aber risikobehaftet" sei, und: "Es gibt keine weiteren Puffer für Verzögerungen und eintretende Risiken."

Eine solche Verzögerung gibt es bereits: Der für die Luftbefeuchtung zuständige Teil der Klimaanlage war zu klein bemessen, Kompressoren seien ausgefallen, sagt ein Mitarbeiter. Deshalb müssten jetzt neue Leitungen verlegt werden. Die Stiftung bestätigt - und beschwichtigt: Noch im März würde die Sache behoben.

Es gibt Teile des Schlosses, in denen der Aufbau Monate im Verzug ist

An diesem Punkt stand man schon einmal: Die Eröffnung im November 2019 fiel unter anderem deshalb aus, weil die Klimaanlage nicht funktionierte und weil Museen ihre Stücke nicht in ein Haus ohne stabiles Klima verleihen. Wenn nun, wie im Papier festgehalten, bis Juli ein "4-monatiges Klimaprotokoll erzeugt werden" soll, was notwendig sei "um die Leihgaben zu erhalten und im August einzubringen", müsste die Klimaanlage ab sofort stabil laufen.

Auch für die Außenflächen sind "Beschleunigungsmaßnahmen erforderlich", heißt es, vieles soll nur "provisorisch hergerichtet" werden. Und selbst bei der Vorsorge vor Anschlägen gegen das Haus und seine 3,5 Millionen jährlich erwarteten Besucher denkt man pragmatisch: "Ein temporärer Schutz vor großen LKWs" könne "nur mit immensen Aufwänden erreicht werden. ... Es wird deshalb nach einer vorläufigen Sicherung gegen PKWs gesucht".

Es gibt durchaus Teile des Schlosses, so die Berlin-Ausstellung, in denen der Aufbau nach Plan läuft. In anderen aber ist man lange im Verzug. Dazu gehört auch das "Lab" der HU, dessen Macher seit Monaten darauf warten, mit der Installation beginnen zu können. "Wir hätten die Flächen im Oktober übernehmen sollen, dann hieß es ,Anfang Januar', jetzt haben wir März. Wir kompensieren viel von der Verpeiltheit, aber irgendwann sind wir mit unserem Latein am Ende", so ein Beteiligter.

Jetzt soll alles gleichzeitig passieren: der "Baubetrieb" soll "beschleunigt" werden, "Baufertigstellung und Probebetrieb weitgehend parallel" laufen (aber so, "dass sich die beiden Vorgänge möglichst nicht gegenseitig einschränken"), die "Spendertage" im August sollen als "Generalprobe" firmieren, und außerdem wird ab sofort "zügig" mit der "Besiedelung" von Büros im Schloss begonnen. Und das, obwohl die Betriebsgenehmigung, wenn überhaupt, erst Ende August erteilt wird.

Die Museumsleute fühlen sich an den Rand gedrängt von den Kollegen der Stiftung

Offiziell spricht die Stiftung von "Zwischennutzung" und "Vorbereitung der IT- oder Veranstaltungstechnik", andere sagen, man quartiere die Mitarbeiter dort ein, weil deren Zahl, zur Zeit sind es 200, bald fast 400, so schnell wachse, dass anderswo kein Platz mehr sei.

Es knirscht aber auch zwischen den Institutionen, die hier in eine irre Struktur von Kreuz- und Quer-Loyalitäten und -Zuständigkeiten gezwungen wurden. Auf der einen Seite stehen die wenigen, mager ausgestatteten Kuratoren von den Museen und der HU, auf der anderen das Heer neu angestellter Mitarbeiter der üppig finanzierten Stiftung. Die Museumsleute fühlen sich an den Rand gedrängt von den selbstbewussten Kollegen, denen sie nicht viel zutrauen. Die Stiftungsleute klagen über die "Engstirnigkeit" der Museumsmenschen, die nicht auf der Höhe der Debatte seien. Als Raffael Gadebusch, Sammlungsleiter des Museums für Asiatische Kunst, sein Konzept für die Elfenbeinschau vorstellte, war "der Gegenwind", so die einen, die "Übergriffigkeit", so die anderen, so heftig, dass er als Kurator hinschmiss.

Nicht überforderte Kompressoren, sondern überforderte Menschen sind das wahre Problem des Humboldt-Forums. Es ist die Angst, das Festhalten an teils 20 Jahre alte Konzepte und die Erwartung, wenn das Haus nur fristgerecht fertig würde, seien alle zufrieden. Es wird umgekehrt sein: Jeder Konflikt, den man heute, weil "ablauferschwerend", unterdrückt, jede Debatte, die man nicht führt, wird den Verantwortlichen um so krachender auf die Füße fallen, wenn das Haus eröffnet ist.

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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