Hugh Jackman im Gespräch:"Verliebt in ein Münchner Mädchen"

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Schauspieler und Sexsymbol Hugh Jackman redet derzeit viel über seinen neuen Film "Real Steel". Im SZ-Interview spricht er aber auch über amouröse Jugenderinnerungen, Trinkgelage in München - und über Rückenhaare.

Martin Wittmann

Smart und schön, nett und bodenständig - Hugh Jackman kann sich vor Komplimenten kaum retten, seit er sich in Hollywood als Megastar etabliert hat. Beim "Sexiest Man Alive" ( People Magazin im Jahr 2008) findet die Klatschpresse weder Skandale noch Allüren. Stattdessen gibt es massenweise Paparazzi-Fotos, die ihn liebenswürdig mit seinen Kindern oder anbetungswürdig mit nacktem Oberkörper zeigen. Als Schauspieler wird ihn das Publikum auf ewig mit seiner Rolle als "Wolverine" in den Comicverfilmungen "X-Men" verbinden. Außerdem drehte er mit den besten Regisseuren deren schwächste Filme: "Australia" (von Baz Luhrman), "Scoop" (Woody Allen) oder "Prestige" (Christopher Nolan). Die Leute lieben ihn trotzdem. Vor allem die Frauen. Auch an diesem sonnigen Herbsttag sind viel mehr weibliche als männliche Interviewer in München erschienen, um im Bayerischen Hof den Familienfilm "Real Steel" (ab 3. November im Kino) und danach dessen Hauptdarsteller zu sehen. Der Film ist nett, aber nicht so interessant, dass man damit in ein Interview einsteigen sollte. Lieber leicht starten, der Mann ist schließlich Australier.

SZ: Mr. Jackman, sind Sie mir böse, wenn wir heute nicht von Ihnen als "Sexiest Man Alive" sprechen?

Jackman: Sie sind gerade zu meinem Lieblingsinterviewer geworden.

SZ: Sie sind auf weltweiter Werbetour für Ihren neuen Film. Wissen Sie eigentlich, in welcher Stadt Sie gerade sind?

Jackman: Natürlich, München ist großartig. Als ich gestern angekommen bin, hab' ich mir ein Rad geliehen und bin durch die Stadt gefahren. Und heute Morgen bin ich im Englischen Garten in den Eisbach gesprungen.

SZ: Wie bitt e? Wurden Sie nicht sofort von rolligen Fans angefallen?

Jackman: Nein, ich bin extra früh aufgestanden, damit ich nicht so vielen Leuten begegne. Man muss sich mit der eigenen Bekanntheit zu arrangieren wissen.

SZ: Waren Sie schon mal in München?

Jackman: Ja, das ist lange her. Wie die meisten 18-jährigen Touristen habe ich mich in den Wirtshäusern mit Bier betrunken und am Bahnhof übernachtet.

SZ: Sehr klischeehaft.

Jackman: Ich weiß, sehr australisch. Ich erinnere mich daran, meinen Freunden so fest zugeprostet zu haben, dass die Krüge zerbrochen sind. Ich glaube, wir wurden rausgeschmissen. Und ich habe mich in ein Mädchen verliebt. Ich erinnere mich daran, ihr einen Abschiedskuss gegeben zu haben, bevor ihre Bahn abgefahren ist. Ich habe mir kurz überlegt, meine Freunde stehen zu lassen und auch einzusteigen. Ich habe es nicht getan. So bin ich dann auf dem Fußboden des Bahnhofs gelegen und habe gedacht, ich hätte den größten Fehler meines Lebens begangen. Ich habe sie nie wieder gesehen.

SZ: Vielleicht treffen Sie die Frau ja heute wieder. Draußen warten eine Menge Journalistinnen. Wie viele Frauen interviewen Sie im Vergleich zu Männern?

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Jackman: Das Verhältnis ist wahrscheinlich zwei zu eins.

"Ich kann auch ein Bastard sein": Hugh Jackman als Charlie Kenton in "Real Steel". (Foto: N/A)

SZ: Die Kolleginnen schwärmen von Ihrem Charme und Ihrer Lockerheit.

Jackman: Ich kann auch ein Bastard sein, wenn Ihnen das lieber ist.

Sehr charmant, sehr locker. Jackman sitzt tiefenentspannt auf dem Sofa, mit Dreitagebart und Kurzhaarfrisur. Ein 1,89 Meter großer Energieriegel, der beim Bankdrücken angeblich 150 Kilo auflegt. Ab und zu nimmt er sich ein paar Ananasstücke aus der Schale auf dem Tisch. Er sieht gepflegter aus als vorhin im Film. Ja, der Film. Der spielt in einer nahen Zukunft, in der zur Erheiterung der Massen Roboterkämpfe veranstaltet werden. Jackman gibt einen abgebrannten Ex-Boxer, der mit seinem rostigen Roboter von Kirmes zu Kirmes reist. Doch als er die Verantwortung für seinen elfjährigen Sohn übernehmen soll, muss er sich als Vater beweisen. Ob das klappt? Nun gut, es ist ein Disney-Film.

SZ: Ihre Figur in "Real Steel" muss sich damit abfinden, als menschlicher Athlet nicht mehr interessant genug zu sein. Stattdessen werden Maschinen umjubelt, die sich das Blech beulig schlagen.

Jackman: Es ist wie mit Videospielen: Durch Maschinen können wir uns Phantasien hingeben, ohne widerlich zu sein oder uns unmoralisch zu fühlen. Der Film bringt das Showbusiness mit dieser Art von Gewalt zusammen.

SZ: Bevor Sie den "X-Men"-Ableger "Wolverine" drehten, haben Sie Kämpfe von Mike Tyson analysiert. Wie haben Sie sich dieses Mal vorbereitet?

Jackman: Alle Boxszenen des Films hat der frühere Weltmeister Sugar Ray Leonard choreographiert. Was aber für mich wichtiger war als das Training: Er hat mir viel über das Verhältnis zwischen dem Boxer und dem Mann in der Ecke erzählt. Wie sich die beiden durch Blicke verständigen, zum Beispiel. Das spielt auch im Film eine wichtige Rolle.

SZ: Der Roboter kopiert im Ring Ihre Bewegungen. Als Trainer reden Sie auf ihn ein, als wäre er ein Mensch.

Jackman: Mich hat tatsächlich nicht nur die Vater-Sohn-Geschichte emotional berührt, sondern auch das Wesen der Roboter. Nicht weil ich einen Fetisch für visuelle Effekte habe, das interessiert mich in Wirklichkeit überhaupt nicht.

Sein Handy klingelt. Jackman entschuldigt sich und holt ein uraltes Telefon aus der Hosentasche. Es gebe nur eine Person, die diese Nummer habe, sagt er: seine Frau. Deborra Lee-Furness ist ebenfalls Schauspielerin und 13 Jahre älter als er. Die beiden haben sich beim Dreh einer australischen Serie kennengelernt. Nach zwei Fehlgeburten entschied sich das Paar, zwei Kinder zu adoptieren. Er geht nicht ans Telefon.

SZ: Wir waren eh gerade bei der Technik. Geht es Schauspielern nicht wie den Boxern im Film: Die Technik ist spektakulärer als der Mensch, der Schauspieler muss folglich den Computern weichen?

Jackman: Mehr Sorgen als die Special Effects machen mir die animierten Filme, die ja auch die Kinocharts dominieren. Ich habe "Toy Story 3" gesehen und die Hälfte des Films gedacht, das Geschehen sei real. Hier werden wir eher obsolet als in Action-Filmen, wo Körperlichkeit immer noch eine große Rolle spielt.

SZ: Schleicht sich die omnipräsente Technik auch in Ihren Alltag ein?

Jackman: Ich entziehe mich ihr, so weit es geht. Was meinen Lifestyle betrifft, bin ich vom alten Schlag. Mit der Technik verhält es sich doch wie mit frischen Beziehungen - erst ist es aufregend, aber nach drei Wochen denkt man: wie langweilig. Meine Frau sagt, ich solle mir ein iPhone kaufen. Aber ich will keine Mails auf dem Telefon.

SZ: Für Journalisten ist so ein Smartphone recht praktisch.

Jackman: Versteh ich ja. Ich habe selber mal Journalismus studiert. Ich war im ersten Jahrgang, der nicht mehr Steno lernen musste.

SZ: Heute sind Sie selbst ein Objekt von Journalisten. Hilft Ihnen Ihre Erfahrung beim Umgang mit der Presse?

Jackman: Sehr. Ich habe wahrscheinlich mehr Verständnis für Journalisten als die meisten anderen Schauspieler. Ich fühle mit ihnen, wenn es ihnen peinlich ist, dass sie eine dumme Frage gestellt haben. Auch gebe ich wahrscheinlich mehr preis als andere. Wobei eine gewisse Zurückhaltung für meinen Job nicht das Schlechteste ist. Zum Beispiel weiß ich nicht viel über Judi Dench, und das hilft wohl dabei, ihr die Charaktere abzunehmen, die sie spielt. Auch Jack Nicholson tritt nie im Fernsehen auf.

SZ: Haben Sie nie schlechte Erfahrung mit der Presse gemacht?

Jackman: Doch. Nachdem ich einmal von meinen Eltern erzählt habe, suchten Journalisten meine Mutter in England auf. Sie ist eine nette Person und hat die Reporter auf eine Tasse Tee eingeladen. Später standen wirklich fiese Geschichten über sie in den Zeitungen.

Als Hugh Jackman acht Monate alt war, begab sich seine Mutter laut Sydney Morning Herald wegen Depressionen ins Krankenhaus. Der Junge wurde vorübergehend zu Pateneltern gebracht. Den Vater sah er am Wochenende, die Mutter nie. Nach einem Jahr kam sie wieder, verließ ihren Mann und die fünf Kinder aber sechs Jahre später von heute auf morgen. Sie zog nach England, in ihre Heimat, zurück. Heute ist die Familie versöhnt.

SZ: Sie waren aber kein Opfer der Abhörmethoden von "News Of The World", der mittlerweile eingestellten Zeitung von Rupert Murdoch, oder?

Jackman: Ich hoffe nicht. Natürlich wäre ich sauer, wenn auch meine Mailbox gehackt worden wäre. Darüberhinaus wäre es besonders unangenehm, da ich mit Rupert Murdoch befreundet bin.

SZ: Haben Sie ihn je nach dem Skandal gefragt? Immerhin wurden viele Ihrer Kollegen abgehört.

Jackman: Nein. Unsere Familien kennen sich seit zehn, 15 Jahren, wir sprechen niemals übers Geschäft. Aber ich denke mal, er war entsetzt, als er von den Abhöraktionen hörte.

SZ: Murdoch stammt aus Melbourne, Sie wurden in Sydney geboren. Gibt es in Hollywood ein australisches Netzwerk?

Jackman: Durchaus, wenn auch kein offizielles. Australien ist ein kleines Land, wir sind nur 20 Millionen Einwohner. Man kennt sich, fühlt eine gewisse Kameradschaft. Ich drehe auch demnächst mit Russell Crowe "Les Miserables". Mit Cate Blanchett habe ich einmal Ende der Neunziger für eine Fernsehserie vorgesprochen. Doch dann hat sie die Hauptrolle im Kinofilm "Elizabeth" bekommen. Sie hat die Serienrolle sausen lassen. Für die Schauspielerin, die sie dort ersetzt hat, war ich aber zu groß. So habe ich meine Rolle auch nicht gekriegt.

SZ: Sie sind nach der Schauspielschule erst zum Theaterspielen nach England, später als angehender Filmstar in die USA gezog en. Sie kommen rum.

Jackman: Ich habe das Reisen schon immer geliebt, als Kind hatte ich eine Weltkarte neben dem Bett hängen. Und als ich in die USA gezogen bin, fühlte ich mich ohnehin nie als Fremder, da meine Frau schon mehrere Jahre hier gelebt hatte und wir bereits viele Freunde hatten. Nicole ( Kidman) und auch Tom ( Cruise), zum Beispiel. Ich hatte nur einen Vorsatz: nie nach Los Angeles zu ziehen. Immer wenn ich dorthin musste, hatte ich das Rückflugticket schon in der Tasche.

Heute lebt Hugh Jackman mit seiner Familie in New York, wo er demnächst mit einer eigenen Show am Broadway auftritt. Dazu der "Les Miserables"-Dreh mit Crowe. Der Mann kann mehr als oben ohne: Er ist ein formidabler Moderator, hat auch schon durch die Oscar-Verleihung geführt. Er ist ein exzellenter Theaterschauspieler, hat sogar einen Tony verliehen bekommen. Vor dem großen Rugby-Endspiel der australischen Liga hat er einst vor mehr als 100.000 Zuschauern die Nationalhymne gesungen. Und trotzdem geht der Mann noch zur Schule.

SZ: Sie besuchen die School of Practical Philosophy. Was ist das?

Jackman: Ich besuche die Schule seit 20 Jahren, wenn es geht, jede Woche. Man ist dort Teil einer festen Gruppe, in meiner sind zwölf Leute. Zusammen nehmen wir uns anspruchsvolle Werke vor. Das kann die Bibel sein, oder Shakespeare, Sokrates, die Upanishaden. Wir lesen die Werke und überlegen, was sie mit unserem Leben zu tun haben.

SZ: Was bringt Ihnen das?

Jackman: Es ist, als lernte man, präsent zu sein. Ich habe anfangs gedacht: Großartig, das wird mir als Schauspieler helfen, denn darum geht es in dem Beruf ja. Schon bald habe ich gemerkt, dass es um viel mehr geht.

SZ: Was meinen Sie?

Jackman: Ich habe den spirituellen Pfad gefunden, den ich schon immer gesucht hatte. Ich bin in einem sehr religiösen Haushalt aufgewachsen, aber mit 15, 16 fand ich das sehr engstirnig. Die Schule hingegen ist sehr weltoffen. Sie hat mein Leben verändert, wirklich.

Man stellt sich Jackman vor, wie er auf einer Hollywood-Party davon erzählt und sich die anderen Smalltalker denken: Klugscheißer. Die Schule freilich, von der Jackman so schwärmt, ist wegen angeblich sektenähnlicher Methoden ziemlich umstritten. Zum Schluss also lieber wieder etwas Leichtes.

SZ: Eine Frage noch: Wer so viel Brusthaar hat, dem wächst es doch sicher auch büschelweise auf dem Rücken, oder?

Jackman: Nein, schauen Sie!

Jackman steht auf und lupft sein Hemd, erst vom Nacken, dann vom unteren Rücken. Tatsächlich: alles glatt, bis auf drei verstreute Alibihaare, die beweisen, dass er nicht wachst. Bleibt eigentlich nur noch die logische Frage nach einem Brusthaartoupet. Aber die Zeit ist um. Als letzte Notiz schreibt man sich noch "Ananas" auf, für den Einkaufszettel. Eine Kollegin wartet schon zitternd vor der Tür auf ihr Interview. Eine halbe Stunde später kommt sie selig aus der Suite: "Ich bin verliebt."

© SZ vom 02.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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