Hommage:Windmühlenkämpfer

Schon vor 30 Jahren wollte Terry Gilliam einen Film über Don Quixote machen. Zunächst platzte das Projekt. Nun hat es endlich geklappt. Das Filmfest widmet dem Regisseur eine eigene Reihe.

Von Josef Grübl

Es gibt jene Regisseure, die bekannt sind für das, was sie gemacht haben. Die sich ihr Lebenswerk auf silberne Scheiben gepresst ins Regal stellen können, feinsäuberlich nach Titel, Genre oder Entstehungsjahr geordnet. Und dann gibt es noch die anderen Regisseure. Die sind für Filme berühmt, die sie nicht gemacht haben, die auf halber Strecke verloren gegangen sind und es nie ins Kino geschafft haben, geschweige denn ins Regal.

Terry Gilliam gehört eher zur zweiten Kategorie, trotz seiner vielen großartigen Regiearbeiten: Brazil, Der König der Fischer oder Die Ritter der Kokosnuss sind moderne Klassiker, letzterer entstand gemeinsam mit seinen Kollegen von der legendären Komikergruppe Monty Python. Das Filmfest zeigt diese Werke, man hat ihren Regisseur eingeladen und ehrt ihn mit dem Cinemerit Award. Doch für Gilliam geht es nicht so sehr ums Preisabholen, er hat einen neuen Film gemacht, den er in Deutschland vorstellen will. Dieser galt etwa 20 Jahre lang als der berühmteste nicht verfilmte Film aller Zeiten. Die Entstehungsgeschichte von The Man Who Killed Don Quixote ist lang und hat etwas mit Düsenjägern, Regenstürmen, Bandscheibenvorfällen und wackligen Finanzierungskonzepten zu tun. Einzeln hätte man die Probleme vermutlich lösen können, in ihrer Gesamtheit führten sie aber dazu, dass die im Jahr 2000 begonnen Dreharbeiten abgebrochen werden mussten. In den Jahren darauf versuchte der Regisseur immer wieder, das Projekt wiederzubeleben, mit neuen Partnern, überarbeiteten Drehbüchern, anderen Schauspielern als den ursprünglich vorgesehenen Stars Jean Rochefort und Johnny Depp. Doch nichts klappte, es war ein sprichwörtlicher Kampf gegen die Windmühlen - den übrigens auch schon Gilliams Regiekollege Orson Welles verloren hatte, der zwölf Jahre lang an einem Don-Quixote-Film drehte, ihn aber nie vollenden konnte.

In der legendären britischen Komikergruppe Monty Python war er der einzige Amerikaner

Doch Terry Gilliam gab nicht auf, er ist nicht nur kreativer Bilderstürmer, sondern auch unermüdlicher Kämpfer. Und so konnte er im Juni 2017 auf seiner Facebook-Seite den Abschluss der Dreharbeiten zu The Man Who Killed Don Quixote bekannt geben - fast 30 Jahre nach der ersten Idee zu diesem Film. Die Dreharbeiten verliefen angeblich ohne größere Komplikationen, doch ganz ohne Katastrophe ging es auch dieses Mal nicht: Kurz vor der Premiere bei den Filmfestspielen Cannes im Mai 2018 klagte ein portugiesischer Produzent auf Urheberrechtsverletzung, er war vor Jahren an dem Film beteiligt und wollte die Aufführung verhindern. Es hätte also gut sein können, dass Gilliams Herzensprojekt auf den letzten Metern doch noch gestoppt worden wäre - und so ganz in trockenen Tüchern ist es wohl immer noch nicht. Hinter den Kulissen tobt immer noch eine Anwaltsschlacht, die selbst ihm zu viel wurde. Wenige Tage vor Cannes erlitt er einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus. Britische Medien spekulierten sogar über einen Schlaganfall des 77-Jährigen, was sich glücklicherweise nicht bestätigte. Und so konnte er doch noch nach Cannes, der Film wurde aufgeführt, der Regisseur zeigte sich gut gelaunt auf dem roten Teppich.

Sein Monty-Python-Kollege Terry Jones sagte einmal, dass Gilliam nur arbeiten könne, wenn er einen Gegner hätte. Erst dann laufe er zu großer Form auf. An Gegnern hat es ihm nie gemangelt, davon zeugen auch die Filme, die er nicht machen konnte: Er war J. K. Rowlings erste Wahl für den ersten Harry Potter-Film, auch Charlie und die Schokoladenfabrik oder die Comicverfilmung Watchmen sollten unter seiner Regie entstehen. Doch den jeweiligen Produzenten erschien Gilliams überbordende Fantasie als unkontrollierbar. Im Jahr 1993 arbeitete er an einem Hollywoodfilm namens The Defective Detective, Nicolas Cage und Robin Williams wollten die Hauptrollen spielen, es sah ziemlich lange ziemlich gut aus - doch irgendwann zog das Studio den Stecker. Genauso lief es bei der Dickens-Verfilmung A Tale of Two Cities mit Mel Gibson, danach hatte Terry Gilliam von Amerika die Nase voll.

Hommage: Terry Gilliam und sein Don Quixote (Jean Rochefort) im Jahr 2000 in Spanien bei Dreharbeiten, kurz darauf musste das Projekt bis auf weiteres abgebrochen werden.

Terry Gilliam und sein Don Quixote (Jean Rochefort) im Jahr 2000 in Spanien bei Dreharbeiten, kurz darauf musste das Projekt bis auf weiteres abgebrochen werden.

(Foto: imago)

Es war nicht das erste Mal in seinem Leben: 1940 im amerikanischen Minneapolis geboren, arbeitete er nach einem Studium in Los Angeles als Zeichner für ein New Yorker Satiremagazin. Ein junger Engländer, den er dort kennenlernte, vermittelte ihm einen Job bei der BBC. Sein Name lautete John Cleese, gemeinsam mit anderen Komikern gründeten sie Monty Python. Terry Gilliam war der einzige Amerikaner in der Gruppe, er kümmerte sich vor allem um die schrägen Animationen, die die Sketche in ihrer Fernsehserie Monty Python's Flying Circus zusammenhielten. Im Jahr 1975 kam Die Ritter der Kokosnuss ins Kino, es war der erste Spielfilm der Pythons, Gilliam führte gemeinsam mit Terry Jones Regie. In den Jahren darauf arbeitete er neben den Monty-Python-Projekten auch schon an eigenen Filmen.

Die Liste an Leuten, die sich an dem Tischlersohn aus Minnesota aufgerieben haben, ist lang, sein Verhältnis zu John Cleese ist schwierig. 1988 brachte er den deutschen Produzenten Thomas Schühly mit gewaltigen Budgetüberschreitungen bei Die Abenteuer des Baron Münchhausen in finanzielle Schieflage, im Jahr 2005 legte er sich mit dem mächtigen Harvey Weinstein an: Dessen ständiges Einmischen habe den Film Brothers Grimm verhunzt, behauptete Gilliam später. Der längst in England sesshaft gewordene Regisseur war schon öfter in München zu Gast, 2009 eröffnete er mit Das Kabinett des Doktor Parnassus sogar das Filmfest. Auch bei diesem Film gab es große Probleme, Hauptdarsteller Heath Ledger starb während der Dreharbeiten - und Gilliam musste kämpfen. Wieder einmal.

Ledgers noch fehlende Szenen übernahmen die Hollywoodstars Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law. Das funktionierte wider Erwarten sogar, dementsprechend erleichtert zeigte sich der Regisseur am Eröffnungsabend. Er brachte sogar seine Produzentin mit, die Zusammenarbeit mit ihr sei einfach großartig gewesen, schwärmte er. Ein Zeichen von Altersmilde? Nicht wirklich: Amy Gilliam ist seine Tochter, sie war auch jetzt beim Don-Quixote-Projekt beteiligt. Die beiden wissen vermutlich sehr genau, was sie aneinander haben.

Terry Gilliam ist am Mo., 2. Juli, um 15.30 Uhr bei Filmmakers Live in der Black Box/Gasteig zu Gast

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: