Holocaust-Mahnmal:Fundamental: Stellt Degussa die Machtfrage?

Degussa will, koste, was es wolle, den Auftrag für das Mahnmal zum Zwecke der Selbstreinigung bekommen. Als "Sponsoring des Graffitischutzes" wird das Projekt konzernintern geführt.

Über die notwendigen "Arbeitsschritte" bei "Hydrophobierung und Graffitischutz" des Berliner Holocaust-Denkmals gibt es kluge Vorschriften: Zunächst soll die Betonoberfläche "mit einer auf das System abgestimmten, lösemittelfreien, hydrophobierenden, nicht-filmbildenden Tiefenimprägnierung" vorbehandelt werden.

Dann braucht es eine "zum System gehörende Grundierung" und schließlich muss auf die "mineralische Oberfläche eine hydro- und oleophobierende, wasserbasierende, permanente und nicht film-bildende Schutzimprägnierung" aufgetragen werden.

Aber völlig aus den Augen haben die Beteiligten verloren, dass alle Akteure bei einem solchen Unternehmen sauber agieren müssen. Schon wegen der Opfer.

Der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post wurde die Nachricht gesteckt, dass ein Teil der Stelen-Fundamente mit einem Betonverflüssiger einer Tochterfirma des Düsseldorfer Degussa-Konzerns gegossen worden sei.

"Intensive Recherchen der Degussa haben ergeben", so war unter der Überschrift "Neue Details über das Mahnmal" zu lesen, "dass der Beton-Verflüssiger von der Degussa-Tochter Woermann stammt." Folglich, schrieb die Zeitung, müsse das Mahnmal abgerissen werden, da das Kuratorium beim Bau bekanntermaßen keine Stoffe von Degussa verwenden wolle. Das ist degoutant.

Derzeit gibt es in Berlin einen Baustopp, weil die 2700 Stelen nach Meinung des Kuratoriums nicht mit einem Graffitischutz von Degussa behandelt werden dürfen. Begründung: Eine Degussa-Tochterfirma hatte im Dritten Reich das Zyklon B zur industriellen Vernichtung der Juden geliefert. In den achtziger Jahren hatte darüber hinaus Degussa die Iraker mit Material zur Reichweitenverlängerung für Scud-B-Raketen versorgt. Andererseits hat sich Degussa in den neunziger Jahren bei dem Fonds für die Opfer der Zwangsarbeit als Vorreiter erwiesen.

In der Zeit hatte Peter Eisenman, der Architekt des Mahnmals, den Auftrag für den Graffitischutz an Degussa mit der Überlegung verteidigt, "dass wir uns sechzig Jahre nach dem Holocaust nicht mehr zu Geiseln der Political Correctness machen dürfen." Mag sein, aber der Hinweis auf den Betonverflüssiger verändert die Diskussion über ein Reinheitsgebot für Mahnmale beträchtlich.

Plötzlich wird gepresst, wird gedrückt. Degussa will, koste, was es wolle, den Auftrag für das Mahnmal zum Zwecke der Selbstreinigung bekommen. Als "Sponsoring des Graffitischutzes" wird das Projekt konzernintern geführt.

Das Unternehmen hat, gegen alle Regeln des Krisen-PR, vor seiner Bewerbung für eine Teilnahme am Bau des Mahnmals, nicht die eigene Rolle im Dritten Reich und die Konsequenzen, die daraus gezogen worden sind, öffentlich erklärt. Nun stehen alle vor einem Loch. Stellt ein Konzern die Machtfrage?

HANS LEYENDECKER

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