Hollywood und Krankheit:Ein Faible für den Tod

Abseits der Streifen, die man nach einer Woche schon wieder vergessen hat, häufen sich in Hollywood Filme über Krankheit, Demenz, Tod - und darüber, was man vorher noch erledigen wollte.

Fritz Göttler

Der Himalaya kam groß raus in der vorigen Woche, und das nicht nur durch den Tod von Sir Edmund Hillary, einem der Erstbezwinger des Mount Everest. Auch im amerikanischen Kino spielte er wieder seine Rolle als Traum- und Selbstbewährungsziel, in Rob Reiners neuer Komödie "Bucket List" (deutscher Titel: "Das Beste kommt zum Schluss").

Der Film hat am Wochenende, durchaus überraschend, den Spitzenplatz des Box-Office geschafft, mit 19,5 Millionen Dollar, eine sterbenskluge Komödie mit Jack Nicholson und Morgan Freeman. Es war kein rasanter Sturmlauf, kein Hit-Effekt, der Film ist bereits die vierte Woche im Kino, er startete klein und steigerte sich von Woche zu Woche. Eine Alternative zum hektischen Blockbustergeschäft, mit seinem Eine-Woche-ein-Film-Prinzip, das inzwischen auch die Branche selbst zu nerven scheint.

Die Schönheit der Geistesabwesenheit

Was hat die Leute in diesen Film gezogen, der von Alter, Krankheit und Tod handelt - und welche Leute waren das überhaupt? Sollte es wirklich ein älteres Publikum sein, auf das sich umzustellen den Produzenten und Kinobetreibern inzwischen immer öfter geraten wird?

Es ist ja nicht der einzige Film, der von Krankheit und Verfall handelt - bevor "Bucket List" nächste Woche bei uns anläuft, könnten wir noch "Spuren eines Lebens" besichtigen, von Lajos Koltai, nach Susan Minots Roman "Hochzeitsnacht". Da krümmt sich Vanessa Redgrave auf dem Krankenbett und kehrt für kurze Momente der Erleichterung in die Jeunesse dorée an der Ostküste zurück, wo sie die Liebe erfuhr.

Und in "An ihrer Seite", dem ersten Film der Schauspielerin Sarah Polley, kann man Julie Christie erleben, als Alzheimerpatientin - es ist bewegend, wie die Krankheit ihr immer noch zartes Gesicht mit der Schönheit der Geistesabwesenheit überzieht. Am Sonntag hat sie einen Golden Globe für diese Rolle bekommen.

Vanessa Redgrave und Julie Christie, natürlich hat man ihre jugendlichen Körper in Erinnerung, in den Sixties-Klassikern "Blow-Up" und "Darling", und das Kino weiß um den Effekt, den es hat, wenn man sie der Zerstörung durch Zeit und Krankheit aussetzt. Bei Nicholson und Freeman ist das nicht ganz so delikat, sie geben die Buddys, die sich, dem Genre gemäß, zusammenraufen müssen im gemeinsamen Krankenzimmer, Bett an Bett, mit der gleichen Endstadiumsfrist vor Augen. Der eine edel und elegant - Morgan Freeman hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert in seiner Erscheinung -, der andere unförmig und träge - dabei war Nicholson, man muss nur mal an die Sechziger zurückdenken, auch mal ein fixer Bursche.

Freeman bringt die Geschichte mit der "Bucket List" auf - eine Liste all jener Dinge, die man doch noch machen sollte, möchte, müsste, bevor man den Löffel abgibt -, kick the bucket, heißt es im Englischen. Der Lotterbube Nicholson sorgt für die nötige Überarbeitung, bringt Girls ins Spiel und stellt einen Privatjet, um all die Traumziele anzusteuern, von den Pyramiden bis zur Chinesischen Mauer, und auch den Himalaya.

Was noch getan werden sollte

Das ist eine merkwürdige Beziehung, die Hollywood - und damit die amerikanische Gesellschaft - mit der Krankheit, dem physischen Verfall, dem Tod unterhält. Die Stadt, die dem Glamour gewidmet ist, hat immer auch ein Faible für den Tod gezeigt. Für das Schauspiel, das der Tod bietet. Eine Schaulust, die zwischen Hin- und Weggucken wechselt.

Ein Paradebeispiel lieferte Humphrey Bogart, der 1956 gegen seinen Krebs kämpfte und diesen Kampf im Januar 1957 verlor. Der aus der Verleugnung ein zähes Spiel machte und seine Freunde durch seinen Anblick traurig stimmte und erschreckte - denen er sein unermüdliches "Ich muss nur wieder arbeiten, dann wird alles wieder gut . . ." entgegenhielt.

Die Krankheit ist präsent in vielen aktuellen Filmen Hollywoods, und immer häufiger bis zum tödlichen Ende. Schmerzen, Krämpfe, Kanülen, Chemotherapie. Roger Ebert hat in seiner Kritik zu "Bucket List" nüchtern seine eigene Wirklichkeit gegen die des Films gestellt: "Ich habe nie eine Chemo gehabt, aber ich hatte Krebs, und glauben Sie mir, in der Genesungszeit nach der Operation ist das letzte Stück auf Ihrer Bucket List, einen Gipfel des Himalaya zu ersteigen. Die Liste wird eher angeführt von Punkten wie eine ganze Mahlzeit zu behalten, einen triumphalen Stuhlgang zu haben, die Energie bis zum Nachmittag zu halten, . . . den Arzt zu überzeugen, dass deine Schmerzmeldungen wirklich sind, nicht nur dein Verlangen kaschieren, ein Drogensüchtiger zu werden."

Gesundheitsfürsorge und ihre Organisation sind seit Jahren ein Thema in den USA, immer wieder neu akzentuiert durch den Zerfall des sozialen Sicherheitssystems, auch im laufenden Wahlkampf immer wieder gern placiert. Nicht vom Tod und seiner Drohung wird aber in diesen Filmen erzählt, sondern vom Leben, das man versäumt hat. Und von der Gesellschaft, die einem dieses Leben verweigert hat, es unerfüllt gelassen hat allen Versprechungen zum Trotz. Von der materiellen, emotionalen, intellektuellen Leere des modernen Amerika, von der Ausbeutung der Gegenwart, dem unaufhörlichen Aufschub, der Versagung und Vertröstung.

Das Grausamste ist in "Bucket List" nicht der Anblick des Schmerzes und des Sterbens. Grausam ist vor allem, wenn man sieht, wie billig doch die Träume im Moment ihrer Erfüllung werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: