Japan bleibt den Deutschen fremd. Eine Berliner Schau mit Bildern Katsushika Hokusais erlaubt nun, Vorurteile über liebliche japanische Kunst auszuräumen.
Hokusai ist ein merkwürdiger Fall. Er ist der einzige Künstler des alten Japan, dessen Name den Deutschen bekannt ist - den Deutschen, die gelegentlich Museen und Ausstellungen besuchen. Sein Farbholzschnitt "Die große Welle bei Kanagawa" ist verbreitet wie wahrscheinlich sonst nur die Mona Lisa. Woher kommt diese unvergleichliche Popularität? Offenbar ja nicht aus dem vergleichendem Urteil. Ist Hokusai vielleicht der japanische Spitzweg? Ein Mann mit Verdiensten, von sozialgeschichtlichem Interesse, besser als oft gedacht und doch nicht zur ersten Reihe gehörig?
So haben Kenner in der frühen Phase europäischer Japanbegeisterung tatsächlich geurteilt. Otto Kümmel, Begründer der Berliner Ostasiensammlungen und bis heute bewunderte Autorität, sah in der Hokusai-Begeisterung nichts als Ahnungslosigkeit. Ein Aufsatztitel "L'art japonais avant Hok'sai", das heiße ins Deutsche übersetzt etwa: "Die deutsche Kunst vor Oberländer - wenn die Zusammenstellung dem deutschen Künstler nicht Unrecht täte". Und Kümmel schrieb 1921 nicht aus Feintuerei. Er versuchte, die europäischen Betrachter auf die Maßstäbe Japans einzustimmen. In Japan aber galt Hokusai als eine zweite Größe, seine Farbholzschnitte, die in Europa so populär waren und sind, als Massenware.
Bild: "Kajikazawa in der Provinz Kai". Aus der Serie "36 Ansichten des Berges Fuji" (Detail). Datierung: um 1831. Malperiode: Iitsu. Maße: 24,7 x 36,7 cm. Technik: Mehrfarbendruck.
Text: Stephan Speicher/SZ vom 26.08.2011