Süddeutsche Zeitung

Hörenswert:Schwerelos im Raum

Das Chris Gall Trio mit seinem Album "Cosmic Playground"

Von Oliver Hochkeppel

Gerne greifen Jazzmusiker nach den Sternen. Beziehungsweise nehmen das Weltall als Inspiration, von Esbjörn Svensson, der eines seiner erfolgreichsten Alben "From Gagarin's Point Of View" nannte, bis zu dem Pianisten Vijay Iyer, der auch noch promovierter Astrophysiker ist. Die Analogie ist ja auch naheliegend: Ist der Jazz doch wie keine andere Musikrichtung grenzenlos und für Experimente und Forschung offen - wie das Universum eben auch. Der junge Münchner Pianist Chris Gall spielt nun mit dieser Parallele: "Cosmic Playground" heißt sein neues Album, bei dem der Absolvent des Berklee College of Music in Boston nach Solo- und Duoprojekten zusammen mit dem Gitarristen Andreas Dombert nun zur bevorzugten Triobesetzung zurückkehrt - und seinen Rang unter den besten deutschen Jazzpianisten eindrucksvoll bestätigt.

Der Titelsong wird gleich zur Ouvertüre, die in das Thema einführt: Schwerelos gleitet da eine elegische Melodie daher, mit ein bisschen Fantasie sieht man vor dem geistigen Auge das Space Shuttle wie in der "BR Weltraumnacht". Ein sphärischer Grundton durchzieht auch die nächsten Stücke des Albums, selbst wenn die Inspirationsquellen ganz unterschiedlicher Natur sind. Mit dem fatalistisch-dramatischen "Arthur Dent Knows" etwa outet sich Gall als Kenner von Douglas Adams Science-Fiction-Klassikers "Per Anhalter durch die Galaxis". Von den Beatles wiederum stammt das bei Gall zur hauchzarten Ballade gerinnende "Across The Universe" - das nicht nur des Titels wegen besonders gut ins Konzept passt: Ist die Originalversion doch von der US-Weltraumbehörde Nasa auf einem Datenstick als Teil einer Weltkulturerbe-Botschaft der Menschheit ins Weltall geschossen worden.

Weniger universal als universell ist Galls vibrierend funkiges "Sea Lions Woman", dessen Basis-Traditional "Sea-Line Woman" man bluesig-rockig von Nina Simone oder Feist kennt. Mehr Spielplatz als kosmisch. Freilich bleibt Galls Flug ohnehin nicht im luftleeren Raum, gegen Ende landet er auch auf Sternen mit ordentlich Schwerkraft. "Drumsticks And Fingertips" etwa ist ein Vehikel für die Spielfreunde des Trios, bei dem Chris Galls Bruder Peter am Schlagzeug kernig zur Sache gehen darf und Bassist Hennig Sieverts ein überirdisches Solo spielt. Und der "Seven Beat Strut" ist dann eher ein fröhlich daherrollender Schlussruf: Alles nur Spaß! Und wenn die drei richtig loslegen, braucht man vielleicht sogar etwas Sauerstoff.

Chris Gall Trio: Cosmic Playground; Freitag, 2. Februar, 21 Uhr Unterfahrt, Einsteinstr. 42

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Quelle:
SZ vom 01.02.2018
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