Hörenswert:Hundsgemein war gestern

"Schneller" - das neue Album der "Wellbappn"

Von Wolfgang Görl

Für die Freunde satirischer bairischer Musik war das Ende der Biermösl Blosn im Jahr 2012 ein harter Schlag, und man fragte sich sogleich, wie es mit den drei Well-Brüdern weitergehen würde. Nun, mittlerweile weiß man es. Michael und Christoph Well sind gut im Geschäft, unter anderem treten sie mit Gerhard Polt in fulminanter Weise in den Kammerspielen auf, und alle Nas' lang sieht man sie im Fernsehen, wo Christoph Well, der "Stofferl", sogar eine eigene Sendung hat.

Ihr Bruder Hans ist weniger präsent, zumindest was die ganz große Öffentlichkeit betrifft. Das ist schon deshalb schade, weil Hans Well wunderbar witzige Texte schreibt, die den Nimbus der Biermösl Blosn als ehedem wirkungsmächtigste Opposition zu CSU und Staatsregierung wesentlich geprägt haben. Es ist aber auch schade, weil Hans Well keineswegs in Rente gegangen ist. Er setzt die Tradition der Well'schen Familienmusik insofern fort, als er mit seinen mittlerweile erwachsenen Kindern Sarah, Tabea und Jonas seit drei Jahren durchs Land tingelt, um die, nunmehr etwas kleineren, Bühnen zu bespielen - eine Graswurzeltour wie zu den Anfängen der Biermösl Blosn.

Wellbappn nennt sich wortspielerisch die Gruppe, und soeben hat das Quartett seine zweite CD vorgelegt. "Schneller" heißt das Album, das live bei einem Konzert im Lehrinstitut Derksen in Hadern aufgenommen wurde. Was beim ersten Hören sofort auffällt, ist die vortreffliche Musikalität der Well-Kinder, die nicht nur zig Instrumente beherrschen, sondern gelegentlich auch einen Dreigesang hinlegen, dessen Wohlklang aufs Schönste mit den maliziösen Texten kontrastiert.

Das alles ist prima arrangiert und gut gespielt, und doch hat man als Biermösl-Verehrer ein Problem: Die alte Biermösl-Blosn geht einem beim Hören der neuen CD nicht aus dem Kopf, unwillkürlich stellt man Vergleiche an. Und so gut, so überzeugend hundsgemein wie die drei Wellbrüder sind die Wellbappn - man konstatiert dies nicht gerne - leider nicht. Wie auch? Als die Biermösl Blosn in den Siebzigerjahren auf den Münchner Bühnen auftauchte, war ihr Konzept, traditionelle Volksmusik mit aktuellen satirischen Texten aufzufrischen, zumindest in dieser Qualität etwas Neues. Hans, Christoph und Stofferl Well verkörperten das "andere", das renitente Bayern jenseits des tiefschwarzen CSU-Universums. Diese Aufmüpfigkeit, die einst für Skandale gut war, ist heute Teil des TV-Abendprogramms. Das provozierend Sperrige, mitunter rotzfrech Anarchische, das die Blosn auszeichnete, ist - vielleicht, weil es sich überlebt hat - bei der nächsten Well-Generation kaum spürbar. Sie sind hauptsächlich "nur" gute Musiker.

Hörenswert ist die CD gleichwohl. Am stärksten sind Lieder, in denen sich Texter Hans Well über die Dumpfbackigkeit von Kommunalpolitikern ("Gegenwind") lustig macht oder den Oktoberfest-Wahnsinn ("Wiensgaudi") durch den Kakao zieht. Angemessen fies ist auch die "Hoeness Passion", in der die Wells im schönen A-Capella-Ton das Steuerpech des FC-Bayern-Heiligen scheinheilig beklagen. Die digitale Komplettüberwachung ironisiert Well als Werk von Schutzengeln, denen die vier ein Nachtlied widmen, frei nach dem "Abendsegen" aus Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel". Was soll man dazu sagen? Herrlich hinterfotzig.

Hans Well & Wellbappn: Schneller. Verlag Antje Kunstmann, 14,95 Euro.

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