Hörenswert:Ein Bilderbuch

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Simon Rattle, das BRSO und Wagners "Rheingold"

Von Egbert Tholl

Schon der Beginn ist faszinierend, weil eine radikale Abkehr von all dem Mythengewaber, das einen hier meist umgibt. Dieser Beginn ist das viel beschworene Es-Dur, mit dem Wagners "Rheingold" aus den Tiefen des Stromes anhebt. Auf dieser Aufnahme nun gibt es kein Brimborium, sondern viel Klarheit, die zu einem führt: Das Wogen klingt nach Avantgarde, entschlackt, konkret - und wunderschön.

Im April 2015 dirigierte Simon Rattle im Herkulessaal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, und dabei heraus kam eine fulminante Aufführung von Wagners "Rheingold", die man dank der vom Bayerischen Rundfunk selbst verlegten Aufnahme nun auch daheim genießen kann, wenn in München gerade mal wieder kein "Ring" zu hören ist. Wobei: Es gibt viele gute Gründe, sie gerade dann zu hören. Denn Rattle formt radikal ein Drama.

Die Besetzung, insgesamt und in allen Belangen sehr gut, macht auch sprachlich erfahrbar, was hier verhandelt wird. Michael Volle etwa singt den Wotan, erfüllt ihn mit der Menschlichkeit eines Herrschers, der bereits vom Niedergang seiner Macht weiß. Die Düsternis von Volles Wotan rührt von dessen Selbsterkenntnis her, gegen die auch die in ihm brodelnde Kraft nicht ankommt. Wissen und Handeln, vereint in Unausweichlichkeit. Das offenbart sich in Gestalt Loges, des Superintellektuellen, der alle Folgen des falschen Tuns kennt, aber dennoch handelt und zum Werkzeug wird. Burkhard Ulrichs Loge-Monologe sind von scharfsinniger Pracht, während Rattle ganz dicht am Drama die Musik zum Leuchten bringt. Da denkt man beim Hören stets: Ja, das ist alles haargenau richtig so. Und das liegt daran, dass Rattle Wagners Theaterutopie begreift, diese in aller Klarheit völlig transparent macht. Der "Ring" ist ja, wenn er ordentlich dirigiert wird, ein klingendes Bilderbuch. Rattle schlägt es auf und liest quasi vor, was darin steht. Und das ist ungeheuer spannend. Eine reine Freude.

Wagner - Das Rheingold ; Simon Rattle und das BR-Symphonieorchester, Doppel-CD, BR/Naxos

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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