Hörenswert:Der Klang von Farbe

Saxofonist Matthieu Bordenave und sein Quartett in der Seidlvilla

Von Oliver Hochkeppel

Unter den Jazzern gibt es erstaunlich viele Synästheten. Also Menschen, deren Gehirn bestimmten Tönen bestimmte Farben zuordnet - es gibt das auch bei Buchstaben, Zahlen, Raum- und Temperaturempfindung. Wobei das so erstaunlich wiederum nicht ist, hilft diese Kopplung, dieses Mitschwingen physisch getrennter Wahrnehmungsbereiche doch eindeutig, sich Tonfolgen besser merken und intuitiver auf Klänge reagieren zu können. Seit Olivier Messiaen in seinen Präludien Ende der Zwanzigerjahre hat das aber kein "Betroffener" mehr zum Thema seiner Musik gemacht. Bis jetzt der Saxofonist Matthieu Bordenave sich der Sache annahm.

Auf dem neuen Album "Terre de Sienne" seines Quartetts Grand Angle (mit Peter O'Mara an der Gitarre, Henning Sieverts am Bass und Shinya Fukumori am Schlagzeug eine echte Münchner All-Star-Band) finden sich nun also Titel wie "Cyan", "Carmin" oder "Azur", die ausloten, wie Bordenave Töne sieht. Als Hörer muss man kein Synästhet sein und nicht einmal die Tonarten erkennen, um den tiefen Zusammenhang zwischen Klang und Farbe fasziniert und anschaulich begreifen zu können. "Gris acier" zum Beispiel, also "Stahlgrau", strahlt mit seinem harten Bass-Ostinato, dem heftigen Schlagzeugwirbel, den durchdringenden E-Gitarren-Licks und dem dazu konträren, schleppend molligen Saxofon eine Kälte aus, die einen förmlich frösteln lässt. "Emeraud" hingegen, also "Smaragdgrün", erklingt wohlig warm und sanft swingend. Man könnte sogar behaupten, dass auch die Länge der Stücke korrespondiert. Während etwa das strahlende "Azur" sich wie ein langer Sommernachmittag über sieben Minuten erstreckt, öffnet sich das ebenso sonnige "Bouton d'or" nur eine knappe Eindreiviertelminute - wie die Blüte der Butterblume, die der Titel da goldgelb umschreibt.

Nun ist der Franzose Matthieu Bordenave, der in Annecy und Paris klassisches und Jazz-Saxofon studierte, bevor er zu unserem Glück über Masterstudium und Assistentenstelle an der Münchner Musikhochschule hängen blieb, ohnehin ein großer Lyriker seines Instruments. Dass er weiche Intonation und ausgeprägte Melodik selbst bei Hardbop-Linien bevorzugt, hat er schon mit seiner anderen Besetzung Le Café Bleu bei einer Edith Piaf-Hommage und dem Projekt "Tells Bedtime Stories" demonstriert und selbst noch bei der deutlich experimentelleren Zusammenarbeit mit dem Gitarristen Geoff Goodman. Der ist nun auch für Peter O'Mara dabei, wenn Bordenave seine - auch von eingefärbtem Notenpapier inspirierten - Farb-Melodien bei der "Jazz+"-Reihe in der Seidlvilla erklingen lässt.

Matthieu Bordenave Grand Angle: Terre de Sienne (Enja); Dienstag, 12. Juni, 20 Uhr, Seidlvilla, Nicolaiplatz 1b

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