Hörenswert:Das Böse lebt

Die Münchner "Black Patti" veröffentlichen "Red Tape"

Von Christian Jooß-Bernau

Da ist dieser Typ, der sich eines Abends mit diversen Spirituosen in einen höheren Bewusstseinszustand säuft und eine Frau trifft, bei deren Anblick es sein Herz zerreißt. Als er am nächsten Tag aufwacht, liegt neben ihm ein Wesen - knappe zwei Meter und keine Vorderzähne. Und dann nimmt das Wesen die Perücke ab. Dass der Sänger auf der Flucht merkt, dass die Tür verschlossen ist, während die Dame hinter ihm Zugabe fordert, ist der letzte Dreh einer Geschichte, mit der man vor vielen Jahrzehnten in den Juke Joints der Südstaaten wohl der Held gewesen wäre. Dort, wo man zum Blues nicht kennerhaft mit dem Köpfchen nickte, sondern wo er Teil einer Unterhaltungskultur war, in der der Teufel nicht weit war.

"Macho satanic joking" hat der Musikwissenschaftler Elijah Wald das bezogen auf die Kunst von Lonnie Johnson genannt. Der dunkle Spaß tönt auch auf "Red Tape", dem neuen Album von Black Patti, nur dass die beiden kein vergessenes Duo des Deltas sind, sondern sich ihre Songs wie den über die schaurige Liebesnacht, in der Münchner Gegenwart schreiben. Peter Crow C. und Ferdinand Jelly Roll Kraemer, stecken bis zum Hals im Zeitgefühl der Songs. Dabei ist die Besetzung Resonatorgitarre und Mandoline, auch wenn sie organisch klingt, gar nicht die Gängigste, sieht man von Bill Monroe und Doc Watson ab - und hier ist man schon beim Bluegrass. Einfach einzuordnen ist es nicht, was die beiden da zwischen Extremen wie dem "Nagging Blues" und dem "Wooten Stomp", einem hinterwäldlerischen Hillbilly-Stomp, machen. Die Sortenreinheit aber, sie ist eine Erfindung unserer Tage. Black Patti nehmen sich die Freiheit der Unterhaltungsmusik, so wie man sie in den 20ern beispielsweise bei Harry McClintock in der Gegend um New Orleans hören konnte.

New Orleans ist überhaupt der perspektivische Fluchtpunkt der Musik. "Ask Your Mama", empfehlen Black Patti im ersten Song, weil die Mama die geheimen Dinge kennt, die man einem in die Tasse schüttet. Die Mama weiß, was Voodoo ist. Frauen haben in dieser Welt oft ein Lächeln wie ein geschliffenes Messer, und eine der schönsten Nummern ist "Evil Queen Of Diamonds": Die rollt wie träges Flusswasser in lethargisch, schicksalergebener Melancholie. Die Männer dagegen stenzen durch den "Frenchman Street Rag", und dass der Sänger vor einem Typ namens Jelly Roll warnt, der die Damen am Wegesrand pflückt, ist nur fürsorglich. Man könnte sich verlieren in dieser versunkenen Zeit, bis einem der "Red Tape Blues" ins Bewusstsein dringt: über den Banker und seine Netze, oder besser Kreditkarten, mit denen er die Menschen ködert wie der Leibhaftige. Glory hallelujah: Das Böse hat die Welt in seinen Klauen - damals wie heute. Beruhigend.

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