Süddeutsche Zeitung

Hörenswert:Beatgewaltiges Puzzle

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Der Produzent "Dot" und sein Solo-Album "Beast Issues"

Von Martin Pfnür

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass die Kunst des Samplings zu den gleichsam spannendsten und unterschätztesten Neuerungen der jüngeren Musikgeschichte zählt. Zwar mag die Wiederverwertung und Neu-Kontextualisierung älterer Instrumental- und Gesangsspuren nach wie vor essenziell für die Produktion der meisten Hip-Hop-Tracks sein - über ihre Rolle als untermalendes Beiwerk zum Sprechgesang ist sie jedoch auch nach DJ Shadows legendärem, da erstmals allein auf reinem Sampling basierenden Album "Endtroducing" von 1996 kaum hinausgekommen.

Dabei kann man die Innovationskraft der sample-basierten Instrumentalmusik eigentlich nicht hoch genug hängen. Liegt dieser doch eine potenzielle Unendlichkeit an klanglichen Möglichkeiten jenseits aller Genre-Grenzen zugrunde, wie sich nun etwa sehr eindrucksvoll an "Beast Issues", dem neuen Solo-Album des Augsburger Produzenten Sebastian Birkl alias Dot zeigt. Wo sich Birkl auch im Rahmen der beiden Hip-Hop-Formationen Blindspot (mit dem Augsburger Hochgeschwindigkeitsrapper Mr. Feat) und Yawl (mit dem ungleich verschleppter sprechsingenden Ancient Mith aus Denver, Colorado) als Meister des Samplings und der Beat-Bastelei erwies, geraten die brillant zusammengebauten Klanglandschaften auf seinen mittlerweile drei Solo-Alben noch eine Spur vielfältiger, ausgetüftelter und, wenn man so will, auch "exotischer".

Etwas schon Dagewesenes in einen neuen Kontext zu überführen, über die Verfremdung einen Dialog zwischen dem "Alten" und dem "Neuen" herzustellen, darin sehe er den wesentlichen künstlerischen Aspekt und die Herausforderung des Samplings, sagt Birkl. Auf "Beast Issues", physisch und digital erschienen via "Anette Records", einem kleinen Indie-Label von Frittenbude-Frontmann Johannes Rögner, tut er das nun erneut auf eine Weise, wie sie zupackender, innovativer und erfrischender kaum sein könnte. Afrikanische Ethno-Chants und Trommeln, E-Gitarrensprengsel aus Psychedelic- und Krautrock, schwüle Schweineorgeleien, melancholisch gedämpfte Trompetensoli zum schwingenden Kontrabass, tiefblauer Barjazz, nervös zischelnder Funk, klassische Piano-Miniaturen, Vocal-Samples und Field Recordings, die auf die amerikanische Bürgerrechtsbewegung verweisen: All das fügt sich hier mit Birkls gewaltigen Beat-Gerüsten, seinem Scratching und sirrenden, suppenden Synthesizer-Drones zu einem Puzzle zusammen, das bei aller Wucht stets auch Raum für subtile Stimmungsnuancen lässt. Groß!

Dot, Samstag, 9. Dezember, 22 Uhr, Beim Weißen Lamm, Ludwigstraße 23, Augsburg

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Quelle:
SZ vom 08.12.2017
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