Hörbuchkolumne:Krächzen und Gesang in der Stadt

Lange Zeit fristete das Sachhörbuch ein Nischendasein. Das hat sich mittlerweile geändert. Ein besonders gelungenes Beispiel ist "Krähen. Ein Portrait". Es ist nicht das einzige.

Von Florian Welle

Lange Zeit fristete das Sachhörbuch ein Nischendasein. Das hat sich mittlerweile geändert, und das Segment holt sukzessive gegenüber der Belletristik auf. Dabei könnte es gerade beim Sachhörbuch einen Vorteil geben: Im besten Fall eignet sich das Thema nicht nur für eine akustische Untermalung, sondern durch eingestreute Originalaufnahmen auch ganz konkret zur Veranschaulichung. Dass dies nicht immer möglich ist, liegt auf der Hand.

Ein gelungenes Beispiel dafür, wie O-Töne ein Sachbuch bereichern können, ist "Krähen. Ein Portrait" von Cord Riechelmann (Der Audio Verlag, 3 CDs mit Booklet, 3 Stunden 19 Minuten). Das Buch ist in den von Judith Schalansky herausgegebenen, sehr erfolgreichen "Naturkunden" erschienen und bildet nun den Auftakt zu einer gleichnamigen Hörbuch-Reihe. Passend zum Titel wird der Hörer von lauten krra-krra-Geräuschen empfangen und so auf Riechelmanns Natur- und Kulturgeschichte dieser intelligenten Vögel eingestimmt. Dass die Rufe allerdings je nach Krähenvogel stark variieren, erlebt man spätestens im Schlusskapitel. Hier liefert der Philosoph, Biologe und Publizist zwanzig humorvolle Kurzporträts vom Blauhäher über Elster und Dohle bis zur Saat- und Rabenkrähe, um schließlich mit dem Kolkraben zu enden. Dabei hört man vor jedem Portrait eingehend den charakteristischen Laut des entsprechenden Tiers. Natürlich fasst ihn Riechelmann noch einmal in Worte - so heißt es über die Rufe der Nebelkrähen, sie seien heller, metallischer und weniger heiser als die der Rabenkrähe -, was zu größerem Verständnis beiträgt. Vor allem aber Futter für Frank Arnold ist, der als Sprecher für die gesamte Reihe gewonnen werden konnte und hier mit lautmalerischer Freude "kjackt", "krrat" und "korrt".

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Ansonsten führt er einnehmend wie immer durch die einzelnen Kapitel, in denen man von Hugin und Munin, den beiden Raben Odins, ebenso erfährt wie von Van Goghs Gemälde "Weizenfeld mit Raben" und Hitchcocks "Die Vögel". Am Ende hat man viel gestaunt und gelernt, dass die schwarzgefiederten Vögel vollkommen zu Unrecht von den Menschen mit negativen Attributen belegt wurden. Immerhin wissen sie sich zur Wehr zu setzen. Als man in Tokio mit Wasserwerfern gegen ihre Nester vorrückte, verstärkten die Krähen diese mit Drahtkleiderbügeln bis man sie in Ruhe ließ.

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Auch David Rothenberg ist Philosoph. Nur dass er daneben noch Klarinettist und Experimentalmusiker ist. Rothenberg lehrt Philosophie und Musik am New Jersey Institute of Technology. Er hat bereits gemeinsam mit Walen und Insekten musiziert, seit einem Besuch in Helsinki hat es ihm der Gesang der Nachtigall angetan. "Das war definitiv eine außerirdische Musik, und sie kam von einem Vogel", erzählt Rothenberg in dem Feature von Vera Teichmann nach dem neuen Buch des Amerikaners "Stadt der Nachtigallen. Berlins perfekter Sound" (argon hörbuch, 1 CD, 65 Minuten). 2014 bezog Rothenberg mit seiner Frau eine Wohnung in Berlin, wo so viele Nachtigallen wie in keiner anderen europäischen Hauptstadt leben: "Paris ist zu aufgeräumt." Nachtigallen verfügen über ein Repertoire von 190 verschiedenen Strophentypen von zwei bis vier Sekunden Länge, was Rothenbergs Ausspruch von den "Meistersängern" unter den Vögeln nicht übertrieben erscheinen lässt. Eva Mattes ist die wohlklingende Erzählerinnenstimme des Features, das dank vieler Songbeispiele zudem einen Eindruck verschafft, wie Rothenberg bei Anbruch der Dunkelheit in den Berliner Parks live mit den Nachtigallen jammt. Unterstützt wird er dabei von einer Musikerriege wie der Opernsängerin Ines Theileis oder dem syrischen Oud-Spieler Wassim Mukdad. Rothenberg sieht in den Vögeln wahre Künstler, die aus reiner Freude an der Musik zwitschern. Balzverhalten, so der Klangforscher, würde als Erklärung für ihren Gesang nicht ausreichen.

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Keine Klangreise, dafür eine ebenso faszinierende durch den menschlichen Körper kann antreten, wer Bill Brysons "Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers" lauscht. Auf O-Töne muss man hier allerdings verzichten (Der Hörverlag, 2 mp3-CDs, 16 Stunden, 45 Minuten). Der amerikanische Bestsellerautor, dem Oliver Rohrbeck seine freundlich-neugierige Stimme leiht, nimmt unterhaltsam und allgemeinverständlich plaudernd den gesamten Körper unter die Lupe.

Beginnend mit Haut und Haar geht es vom Kopf zu den Füßen, von außen nach innen, werden Geburt, Sterben und Tod behandelt. Die erstaunliche Anekdote beherrscht Bryson dabei genauso wie den Umgang mit Zahlen und Statistiken, die aufhorchen lassen: "Ein Drittel unseres Lebens verlieren wir an den Schlaf."

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