Hörbuch:Lumpikows Los

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Vom Köter zum Neuen Menschen: Michail Bulgakows Erzählung "Das hündische Herz", gelesen von Ulrich Matthes.

Von Jens Bisky

Am 6. Januar, dem orthodoxen Weihnachtstag, verzeichnet Professor Filipp Filippowitsch Preobraschenski den erfolgreichen Ausgang eines Experiments. Der Hund, dem er menschliche Hoden und eine menschliche Hypophyse einpflanzte, hat überlebt und entwickelt sich prächtig: "Schwanz abgefallen. Ganz deutlich gesprochen das Wort ,Kneipe'. Phonographische Aufzeichnung. Der reinste Wahnsinn!!" Aus dem Köter "Lumpi" wird der Flegel "Lumpikow", der das Leben in der Moskauer Behausung des Professors revolutioniert, ins fantastisch Unerträgliche steigert. Die "fürchterliche Geschichte" aus dem Jahr 1925 konnte erst Jahrzehnte nach dem Tod ihres Verfassers Michail Bulgakow erscheinen; 2013 hat sie Alexander Nitzberg neu übersetzt. In seiner Fassung gewannen die Figuren Gegenwart, wurden Handelnde aus Fleisch und Blut; in der auch satirischen Erzählung konnte das radikale Sprachkunstwerk entdeckt werden - am leichtesten, wenn man es sich laut vorlas. Für den Sinus-Verlag spricht Ulrich Matthes das Meisterwerk des "literarischen Wolfs" Michail Bulgakow, richtiger: er spielt diese Geschichte vom ersten Hundeheulen bis zum letzten Singen, als stünde er auf einer Bühne und verwandelte sich in Köter, Professor, Erzähler und die anderen Bewohner der durchdrehenden Stadt Moskau. Matthes wechselt Tonlage, Stimmgestus, Charakter im Handumdrehen und wahrt zugleich den Rhythmus der Geschichte. Was der Übersetzer wollte, wird auf diese Weise Ereignis: komisch, widerlich, erschreckend.

Hinzu kommt, wie bei jedem Hörbuch aus dem Sinus-Verlag, ein umfangreiches Begleitheft. Es enthält den Text der Erzählung, Anmerkungen und Nachwort des Übersetzers sowie eine ausführliche Bulgakow-Biografie. Ein Glück für Hörer und Leser.

Michail Bulgakow: Das hündische Herz. Aus dem Russischen von Alexander Nitzberg. Gelesen von Ulrich Matthes. Sinus-Verlag, Kilchberg 2015. Buch und Hörbuch. 4 CDs, 268 Minuten, Booklet mit 220 Seiten, 39,80 Euro.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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