Süddeutsche Zeitung

Hörbuch:Die Schöne und das Biest

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In "Tanz der Tiefseequalle" erleben zwei eine besondere Freundschaft.

Von Florian Welle

Niko ist fettleibig, das ideale Mobbingopfer. In der Schule nennen sie den Vierzehnjährigen den Dicken, den Panzer, die Tonne, werfen seinen Rucksack auf den Baum, obwohl er nicht klettern kann. Doch Niko weint schon lange nicht mehr. Meist zieht er sich in sein Paralleluniversum zurück, in dem er einen "Sprunganzug" trägt und "Supernikobrause" trinkt. Niko ist fantasiebegabt, eloquent, und hat zwei richtig gute Freunde. Sie sind Außenseiter wie er.

Sera dagegen steht alles andere als am Rand. Aufgrund ihrer Schönheit ist sie die unbestrittene Nummer Eins in Nikos Klasse, auch wenn sie nicht viel redet. Sie sagt selbst von sich, sie sei "wortsparsam". Doch dass ihre scheinbar beste Freundin ein Miststück ist, und ihr Verehrer Marko ein dummer und vor allem aufdringlicher Grapscher, bemerkt sie erst bei einem Schulausflug, als er sich an sie ran macht. Ihr Nein akzeptiert er nicht. Zum Glück taucht in dem Moment Niko auf und weist ihn in die Schranken: "Lass Sera los!"

Als Sera zum Dank später mit Niko tanzt, ist alles anders. Nun ist auch sie bei den Mitschülern, die um die Umstände nicht wissen, unten durch und muss am eigenen Leib erfahren, was es heißt, verspottet zu werden. Sera und Niko türmen und entdecken auf ihrem "Notfallabhauabenteuer" gegenseitig Stärken, Schwächen, Traumata. Beider Leben wird durch die aufregende Flucht auf den Kopf gestellt. Als sie zurückkehren und wieder "hineinschlüpfen in die Dinge", können sich beide gestärkt der Realität stellen. Niko hat das sich in seine Situation fügen aufgegeben und traut sich auf einmal vieles zu. Sera wiederum weiß nun, was wahre Freundschaft ist, und überwindet zudem ihre Angst, im Moorsee zu baden.

Stefanie Höfler erzählt in ihrem vielfach ausgezeichneten Jugendroman "Tanz der Tiefseequalle" eine moderne Version des Märchens "Die Schöne und das Biest". Man wird in die Geschichte hineingesogen, die abwechselnd aus Seras und aus Nikos Perspektive erzählt wird. Während Sera mit wenigen Worten auskommt, spricht Niko in wunderbar gedrechselten Sätzen. Das kommt der Hörbuchfassung, die nun im Hörbuchverlag "DerDiwan" vorliegt, entgegen. Alexandra Ostapenko liest die Sera mit einer Stimme, die glaubhaft ein pubertierendes Mädchen mit all seiner Unsicherheit wiedergibt. Benedikt Paulun besitzt als Niko etwas Nachdenklich-Schwerfälliges, das gut zu dem Problemkind passt. Mit Nikos Wandlung verändert sich auch seine Stimme, wird fester und offener. Ein Hörerlebnis, das bis zum Ende fesselt. (ab 12 Jahre)

Stefanie Höfler : Tanz der Tiefseequalle. Ungekürzte Lesung von Alexandra Ostapenko und Benedikt Paulun. 4 CDs DerDiwan - Hörbuchverlag, Winterbach 2020, 18 Euro.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2021
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