Süddeutsche Zeitung

Hochzeits-Musik:Ausgelassen

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Ein Klezmer-Konzert mit dem Orchester Jakobsplatz

Von Klaus Kalchschmid, München

Ein Klezmer-Konzert und eines über Klezmer, also die Festmusik osteuropäischer Juden im frühen 20. Jahrhundert, sollte es werden - und wurde es auch: Moritz Gagern komponierte ein siebzigminütiges Werk für das Orchester Jakobsplatz. Unter Daniel Grossmann wurde es in der Muffathalle erfolgreich uraufführt und erscheint bald auf CD.

Die ersten beiden "Akte" - so die Benennung analog zu Oper oder Stummfilm - umreißen eher still, introvertiert und kammermusikalisch den Junggesellenabschied und eine Hochzeit in vielen kleinen Teilen. Das geschieht mehrfach in der Transkription originaler Tonaufzeichnungen, rekonstruiert dabei aber nicht, wie es seinerzeit wohl geklungen hat. Da spielt ein kratzendes Grammophon ebenso mit wie ein zentrales Akkordeon oder ein Xylofon; da posaunt aber auch ein professioneller Unterhalter (badchn) so Schreckliches über die Ehe heraus, dass alle in Tränen ausbrechen. Im dritten Akt, also beim ersten "Freilach", einer ersten fröhlichen Melodie, wird unüberhörbar Glas zertreten, ein Ritual, das die Trauung besiegelt. Das Orchester dreht endlich einmal auf, und das Ganze beginnt in eine herrlich ausgelassene Tanz-Suite zu münden: Beim "Schwigertanz" raufen sich die Schwiegereltern zusammen, in "Chupe Chuzpe" trumpft das Brautpaar auf, bevor hinreißender "Yiddischer Tango" getanzt wird - dominiert von Akkordeon und Solovioline.

Immer wieder hat die Klarinette ihren Soloauftritt, so auch bei "Tsum Tisch" im vierten Akt, dem "Bankett und Brauttanz". Da zupft erst mal das Streichquintett ganz wunderbar, bevor die Faktur dichter und dann zum Quartett wird, das sich mit dem Schlagwerk erneut raffiniert auffächert. Der Gassenhauer von "Gasn Nign" und "Rabinowitschs Tanz" nach einer Originalaufnahme des gleichnamigen Geigers von 1937 beschließen die "Nigunim für Orchester" mit dem Höhepunkt des Festes, dem "Mitswe Tantz", dem Tanz der männlichen Festgäste vor der Braut - anfassen natürlich verboten!

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Quelle:
SZ vom 26.05.2017
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