Hitlers Vermeer:"Es möge Ihnen, mein Führer, Freude bereiten"

Von Hitler betrogen: Graf Czernin verkaufte Vermeers "Malkunst" an den Führer, um seine Frau zu schützen. Jetzt fordern seine Erben das Gemälde zurück.

F. Augstein

Der Stoff eignet sich für eine Familiensaga. Klar ist nur noch nicht, ob es sich um ein historisches Drama handelt, um eine Psycho-Posse oder um eine juristische Farce. Das Kunsthistorische Museum (KHM) in Wien besitzt ein einziges Bild des Jan Vermeer van Delft: "Die Malkunst". Nicht wenige Kunsthistoriker halten es für Vermeers größtes Werk. Die Erben des einstigen Besitzers wollen dies Gemälde nun zurückerstattet haben.

Hitlers Vermeer: Die "Malkunst" gehört zu den Hauptwerken Jan Vermeers. Graf Czernin verkaufte das Gemälde 1940 an Adolf Hitler.

Die "Malkunst" gehört zu den Hauptwerken Jan Vermeers. Graf Czernin verkaufte das Gemälde 1940 an Adolf Hitler.

(Foto: Foto: ap)

1998 wurde das Washingtoner Abkommen beschlossen, das allen Staaten empfiehlt, mit Sorgfalt darauf zu achten, ob ihre Museen in Besitz von Raubkunst sind. Seit dem vergangenen September bemüht sich die Familie Czernin mit Verweis auf dieses Abkommen um die Restitution der "Malkunst". Die Erben behaupten, Jaromir Graf Czernin habe es 1940 gezwungenermaßen an Adolf Hitler verkauft. So habe Czernin seine Frau schützen wollen, die damals als "Halbjüdin" klassifiziert gewesen sei, als "Mischling ersten Grades".

Die Familie Czernin, Abkömmlinge eines alten böhmischen Adelsgeschlechts, hat ein Gutachten anfertigen lassen. Dieses Gutachten wurde an die österreichische Kommission für Provenienzforschung übergeben, die den wahren Sachverhalt nun klären soll. Auf den ersten Blick erscheint es unwahrscheinlich, dass das KHM das Bild wird hergeben müssen. Denn noch zu Lebzeiten hatte Jaromir Graf Czernin (1908 bis 1966) einige Prozesse angestrengt, um das Bild zurückzuerhalten. Auch den letzten, der 1960 stattfand, hat er verloren.

Anlässlich einer Ausstellung 1999/2000 in der Washingtoner National Gallery of Art, die in Zusammenarbeit mit dem KHM geplant wurde, ist die Geschichte der "Malkunst" im Katalog erzählt worden: Nach dem Tod des alten Grafen Franz Czernin im Jahr 1932 hatten seine zwei Söhne seine große Kunstsammlung unter sich aufgeteilt: Der eine Bruder, Eugen, erhielt so gut wie alles, darunter ein Werk von Tizian und eines von Dürer. Jaromir bekam nur ein Bild und davon, weil es so wertvoll war, auch nur einen Anteil von vier Fünfteln: "Die Malkunst". Von da an versuchte Jaromir Czernin das Gemälde zu verkaufen. Was Bruder Eugen von Jaromirs Umtrieben hielt, ist leider unbekannt.

Von Hitler betrogen

Mit der Gründung der Republik Österreich war 1918 ein Verbot der Ausfuhr bedeutender Kunstgegenstände in Kraft getreten, das 1923 zu einem Denkmalschutzgesetz ausgebaut wurde. 1935 soll der amerikanische Kunstsammler Andrew Mellon eine Million Dollar für das Bild geboten haben. Aber selbst Kanzler Kurt Schuschnigg, Czernins Schwager, sah sich nicht in der Lage, eine Ausfuhrgenehmigung zu erwirken.

Dann erfolgte der "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich - und damit eröffneten sich neue Möglichkeiten. Nun konnte Czernin legalerweise auch nach deutschen Käufern Ausschau halten. Zuerst probierte er es bei Adolf Hitler, dem aber die geforderten zwei Millionen Reichsmark zu viel waren. Dann bot der nazifreundliche Zigarettenfabrikant Philipp Reemtsma 1,8 Millionen Reichsmark; Hermann Göring höchstselbst setzte sich für den Verkauf ein. Dieser Handel wurde vom damaligen österreichischen Erziehungsminister und dem Direktor der Denkmalschutzbehörde hintertrieben: Sie wandten sich an allerhöchste Stellen - und so wurde Ende 1939 dekretiert, dass "Die Malkunst" nur mit persönlicher Zustimmung des Führers verkauft werden dürfe. Das könnte der Grund dafür sein, warum Jaromir Graf Czernin nach dem Krieg ernsthaft glaubte, von Hitler betrogen worden zu sein. Tatsache ist aber: 1940 verkaufte er "Die Malkunst" an Adolf Hitler. Der vereinbarte Preis belief sich auf 1,65 Millionen Reichsmark, zudem wurde Czernin ein erheblicher Teil der Steuern, die er auf den Verkauf hätte zahlen müssen, erlassen.

Nachdem die für den Verkäufer durchaus lukrative Transaktion vollzogen war, erhielt Hitler einen Brief von Czernin: "Ich bitte, meinen aufrichtigsten Dank entgegennehmen zu wollen. Mit dem Wunsche, das Bild möge Ihnen, mein Führer, stets Freude bereiten . . ."

Andreas Theiss, der Anwalt der Familie Czernin, muss nun unter anderem darlegen, dass dies die Diktion eines Mannes ist, der sein teures Kleinod angeblich aus Angst vor möglichen Repressalien gegen seine Frau verkaufte. Der Tageszeitung zufolge hat Theiss vorgebracht, dass Czernin nicht die vereinbarten 1,65 Millionen, sondern lediglich eine Million Reichsmark erhalten habe.

Nach Kriegsende wurde Hitlers österreichisches Privatvermögen per Gerichtsbeschluss dem österreichischen Staat zuerkannt. Der Staat übergab "Die Malkunst" dem Kunsthistorischen Museum, wo das Gemälde - Graf Czernin prozessierte mit Hingabe - erst Ende der fünfziger Jahre ordentlich inventarisiert wurde. Das KHM betrachtet "Die Malkunst" als einen seiner größten Schätze. Die Direktorin Sabine Haag sperrt sich nicht grundsätzlich gegen Restitutionsforderungen. In diesem Fall kann sich das Museum der Meinung des Anwalts der Familie Czernin aber nicht anschließen. Franz Pichorner, der Archivdirektor, teilte der SZ mit, dass man nicht absehen könne, wie viel Zeit die Kommission für Provenienzforschung für ihr abschließendes Urteil benötigen werde.

Am 25. Januar wird im Kunsthistorischen Museum in Wien eine Ausstellung eröffnet, die dem Gemälde gewidmet ist: seiner Machart, seiner Deutung, seiner Geschichte und der Inspiration, die es auf andere Künstler ausübte. Unter anderem - so Pichorner - werde auch erklärt werden, wie das Bild "schließlich ins Kunsthistorische Museum gelangte".

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