Hitlers Lieblingsmaler Rudolf von Alt:Belastete Kunst

Der Möchtegernkünstler Adolf Hitler verehrte Rudolf von Alt. Lange schämte sich die Graphische Sammlung in München deshalb für von Alts Werke. Nun werden sie gezeigt - doch der Schatten bleibt.

Von Ira Mazzoni

Lange hielt die Staatliche Graphische Sammlung die farbsprühenden, detailverliebten, atmosphärisch dichten und anekdotisch aufgelockerten Stadt-Ansichten des Wiener Vedutenmalers Rudolf von Alt unter Verschluss, von Leihgaben einmal abgesehen. Der Ruf von Alts, "Lieblingsmaler Hitlers" gewesen zu sein, belastete den Umgang mit dem Werk. Jetzt präsentiert die Grafiksammlung einen repräsentativen Querschnitt ihres über 400 Zeichnungen und 200 Aquarelle umfassenden Bestandes, des bedeutendsten außerhalb Wiens.

Die Schau gibt Einblicke in die Werkstatt eines Unermüdlichen, von der ersten spontanen Skizze bis hin zu nahezu fotorealistischen Ansichten. Doch das Anliegen der Ausstellung ist ein anderes. Gleich eingangs macht sie die Besucher mit der dunklen Geschichte dieses Sammlungskonvoluts vertraut und konfrontiert sie mit der schwierigen Suche nach den rechtmäßigen Eigentümern der unter Raubkunstverdacht stehenden Bilder.

Unmittelbar nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 entsandte der Reichsleiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, Martin Bormann, den Antiquar Ernst Schulte-Strathaus nach Wien, um dort möglichst viele Werke des vom Möchtegernkünstler Adolf Hitler bewunderten und anfangs (1906/12) auch imitierten Malers Rudolf von Alt aufzukaufen. Die Bilder waren für den Berghof auf dem Obersalzberg oder als Amtsraumschmuck gedacht. Letztlich sicherte sich Bormann selbst etliche Blätter für seine Pullacher Villa. Die Kosten übernahm die Parteikasse.

Münchner Händler pressten jüdischen Sammlern ihre Bilder ab

Von der mittellosen, auf Verkäufe angewiesenen Tochter des Malers, Louise von Alt, erhielt Hitlers Kunstagent über 400 Skizzen und Zeichnungen sowie sehr familiäre Aquarelle. Diesen Teil der Sammlung können die Staatsgemäldesammlungen heute als unproblematischen, weil rechtmäßig erworbenen Besitz verbuchen. Aber der "Reichsamtsleiter" Schulte-Strathaus kam mit freundlicher Unterstützung der Direktoren der österreichischen Galerie im Oberen Belvedere und der Kustoden der Albertina auch an Alt-Aquarelle aus jüdischem Kunstbesitz, der für die Ausfuhr gesperrt oder beschlagnahmt worden war. Ihm wurde sogar ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Die Kustoden der Albertina vereinbarten mit Schulte-Strathaus im Juni 1938 ganz offiziell eine Teilung der gesperrten Sammlung des Brauereibesitzers und bedeutenden Kunstmäzens Moritz Kuffner. Nach dem Krieg wollte Schulte-Strathaus sich nicht daran erinnern, Kunst von jüdischen Sammlern gekauft zu haben.

Auch der privilegierte Münchner Kunsthandel bediente sich in Wien. Die Händlerin Maria Almas Dietrich war nicht die einzige, die sich darauf verstand, Druck auf die fluchtbereiten jüdischen Sammler auszuüben, um dann die abgepressten Bilder zu weitaus höheren Preisen an Bormann weiterzuverkaufen.

1956 hatte der Freistaat Bayern die "herrenlosen" Rest-Kunstbestände aus ehemaligem NS-Besitz laut Kontrollratsdirektive der Alliierten übertragen bekommen, mit der Auflage, dem generellen Raubkunstverdacht weiter nachzugehen. Doch die Suche wurde einfach eingestellt. Bis eine Anfrage der Commission for Looted Art in Europe eine umfassende Provenienzrecherche wieder als dringlich erscheinen ließ.

Zusammen mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München beantragte die Staatliche Graphische Sammlung 2011 ein Forschungsprojekt bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin. Als dann ganz selbstverständlich das kleine biedermeierliche Winterbild des Wiener Nordbahnhofs aus dem Besitz der in Theresienstadt ermordeten Arztwitwe Valerie Heissfeld 2012 restituiert werden sollte, kam es zum Eklat. Der Freistaat hatte die zweifelhafte Überweisung aus Staatsbesitz nämlich längst inventarisiert und betrachtete sie als Teil seines Grundstockvermögens.

Viele weiße Flecken

Die Graphische Sammlung sollten dem Land den "Verlust" auf der Basis aktueller Kunstmarktpreise ausgleichen. Die Süddeutsche Zeitung machte dies publik, der Bayerische Landtag hakte nach, der Freistaat revidierte seine merkwürdigen Eigentumsansprüche und ist inzwischen darum bemüht, mehr in die Provenienzforschung zu investieren.

Dabei ist die Herkunft vieler Von-Alt- Aquarelle auch nach zweijähriger Forschungsarbeit, die jetzt mit Ausstellungs- und Bestandskatalog bestens dokumentiert ist, weiterhin ungeklärt. Die verantwortliche Provenienzforscherin Meike Hopp macht auf viele weiße Flecken in der Geschichte aufmerksam: Kaum ein Aquarell von Alt ist eindeutig zu identifizieren. Der Künstler variierte seine beliebtesten Motive, die Wiener Hofburg, den Stephansdom, den Innenhof des Dogenpalates in Venedig. Er wiederholte die Staffagen, ja kopierte sogar seine eigenen Skizzen, wenn ein Kunde etwas ganz Originelles haben wollte.

Neue Passepartouts für die erpressten Bilder

In den Ausstellungskatalogen, Beschlagnahmungslisten, Ausfuhrgenehmigungen wurden aber immer nur die Motive angegeben, selten ein Datum, nie ein Bildmaß. Hinzu kam, dass Hitlers Kunsteinkäufer alle erpressten Erwerbungen in neue Passepartouts montieren ließen. Hinweise auf Vorbesitzer wurden damit getilgt. Umso erstaunlicher sind die Befunde des neuen Bestandskataloges: Alle Quellen sind offengelegt, alle Recherchewege und auch Irrwege aufgezeigt. Unsicherheiten benannt. Damit ist der Katalog Grundlage für weitere Forschungen.

Aber ohne die längst fällige Aufarbeitung des Nachlasses Rudolf von Alts und ohne ein Verzeichnis aller bekannten und gehandelten Werke wird die Provenienzforschung nicht weiterkommen. Das offizielle Werkverzeichnis kennt nur etwa ein Viertel des malerischen Œuvres.

Trotzdem, ein Bild hätte schon vor 70 Jahren sicher identifiziert werden können. Es ist das letzte, unvollendete, fast impressionistische Atelierbild des 92-jährigen Rudolf von Alt. An der Stelle, wo der Maler sein Selbstbild einfügen wollte, blieb das Blatt weiß. Die düste Aura der Todesnähe machte das ungewöhnlich großformatige Aquarell zum Star jeder Von-Alt-Ausstellung.

Die deutschen Bilderjäger griffen zu

Auch die Münchner Kuratoren Andreas Strobl und Meike Hopp hängen das Werk, das nun endlich zur Restitution ansteht, an zentrale Stelle, exemplarisch für eine unrühmlich gescheiterte Suche nach geraubter Kunst. Karl F. Mautner, Captain der US-Armee, hatte bereits 1947 nach der Sammlung seines Vaters, des Wiener Industriellen und Künstlers Stephan Mautner, gefahndet. Von dem Atelierbild mit dem weißen Fleck konnte er dem Central Collecting Point (CCP)in München eine exakte Beschreibung geben. Selbst seine Größenangabe stimmte.

Das einzigartige Bild war seinem Vater zusammen mit drei anderen Aquarellen von Agenten Hitlers 1938 abgekauft worden. Mautners Besitz war beschlagnahmt worden, die Familie wollte nach Ungarn ausreisen und brauchte Geld. Die deutschen Bilderjäger griffen mit Billigung der Wiener Instanzen zu. Während das Ehepaar Mautner von Budapest nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde, wanderte das Aquarell als Teil der "Sammlung Bormann" ins Nazi-Kunstdepot in der Salzmine von Altaussee. Dort bargen die amerikanischen Kunstschutzoffiziere das Konvolut und brachten es nach München.

Es bleiben Unsicherheiten

Aber selbst als Mautners jüngster Sohn persönlich im CCP erschien, blieb das hinter dem belanglosen Titel "Interieur mit Schrank" versteckte Werk unauffindbar. Das Fehlen einer Künstlerkartei machte eine gezielte Suche unmöglich. Als dann Walter Koschatzkys Werkverzeichnis 1975 erschien und der Verbleib des Atelierbildes öffentlich wurde, wandte sich Mautner nochmals nach München, diesmal an die Staatliche Graphische Sammlung. Er sei nicht auf die "Rückerstattung versessen", aber er wolle doch wenigstens über die Herkunft des Bildes aufklären. Auch danach sahen die Staatsgemäldesammlungen keinen Anlass, das Bild mit entsprechendem Hinweis zu versehen.

Nach Hopps Recherche-Arbeiten stehen wohl drei Restitutionen an, bei allen anderen Verdachtsfällen bleiben Unsicherheiten. Die Staatliche Graphische Sammlung ist inzwischen in den neuen Forschungsbund Provenienzforschung Bayern eingebunden, aber eine auf Dauer eingerichtete Stelle für einen Provenienzforscher hat die Landesregierung noch nicht geschaffen. Dabei gäbe es noch viel zu tun.

Rudolf von Alt, bis 11. Oktober, Pinakothek der Moderne, in München, www.pinakothek.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: