Hitler-Darstellung in Kino und TV:Rache für einen geklauten Bart

Sex und Hitler gehen immer. Wahrscheinlich hat kein anderer Politiker des 20.Jahrhunderts eine ähnliche Filmpräsenz aufzuweisen wie der Gröfaz: Seit mehr als 60 Jahren üben sich zahlreiche Darsteller in der Personifikation des Bösen.

FRITZ GÖTTLER

Die Nation war gespalten seit Beginn der Woche, in erregte, stimulierende Debatten verstrickt zwischen emphatischem Pro-Moretti und uneinsichtiger Moretti-Skepsis.

Hitler

Der "Führer" sorgte noch einmal für Gesprächsstoff, seine Verkörperung besser gesagt. Wunderbar hat Tobias Moretti diesen Kerl hingekriegt, in Heinrich Breloers "Speer und Er", heißt es auf der einen Seite, völlig unglaubwürdig und künstlich sei dieser Auftritt, monieren die anderen - und ziehen schnell den alten Hitler von Bruno Ganz zum Vergleich heran, in Oliver Hirschbiegels Film "Der Untergang".

Erstaunlich an der ganzen Diskussion ist, wie dabei die eigentliche Hauptgestalt aus dem Blickfeld geraten ist, der als totaler Nazi decouvrierte Hitler-Architekt und Reichskriegsminister Albert Speer.

Die Hitler-Darstellungs-Diskussion wird weitergehen, das war irgendwie klar, auch nachdem der Rummel um den "Untergang" im vorigen Herbst vorüber war.

Ein Tabu sei damit außer Kraft gesetzt worden, hatte man postuliert, Hitler war nun darstellbar geworden auch im deutschen Kino, im deutschen Fernsehen - für die Kunst, fürs Theater waren die Freiheiten da immer schon größer gewesen.

Die populären Medien aber sahen sich wieder vor die alten Fragen gestellt, zwischen Hitler-Authentizität und spielerischer Freiheit. Aber was ist authentisch an dieser Figur, die so schamlos auf Verführung abhebt und ihr angeblich so sagenhaftes, suggestives Repertoire aus bizarren Versatzstücken zusammengeschustert hat?

Rache für einen geklauten Bart

Vor eben diesen Fragen standen in den Vierzigern auch Ludwig Donath, Carl Ekberg, Bobby Watson, später dann Richard Basehart oder Sidney Miller: einige der Hitler-Darsteller im amerikanischen Kino, und die Liste ist ewig lang.

Wahrscheinlich hat kein anderer Politiker des 20.Jahrhunderts eine ähnliche Leinwandpräsenz aufzuweisen wie Hitler. Schon in den Vierzigern waren die meisten Produktionsfirmen eifrig bemüht, den Gröfaz fürs Kino aufzubereiten - Hollywoods Beitrag im Kampf gegen den deutschen Terror. Antinazi-Filmen aller Art und aller Genres wurden auf die Leinwand katapultiert - Kriegsfilme, Melodramen und natürlich jede Menge Klamotten, in denen die Hitler Gang sich prügelte, als wäre der Slapstick-Geist der Keystone Cops in sie gefahren.

An den meisten dieser Filme waren Deutsche beteiligt, frisch emigriert, als Akteure oder Storylieferanten - Fritz Kortner, Fritz Lang. Der geniale "Hitler Gang" von John Farrow schildert den Aufstieg der Nazis als gewitztes Gangstermelodram, mit einer rasanten Bürgerbräukeller-Sequenz und einem heimtückischen Hitler, der die Treppe runtertrippelt zum Mord an Geli Raubal.

Ein Komiker hatte die Hitler-Sache in Hollywood früh angestoßen, Charles Chaplin, der in den Dreißigern einen Filmstoff suchte, bei dem seine neue Frau, die hinreißende Paulette Goddard, mitmachen konnte - und dafür eine Geschichte zusammenbastelte über einen fiktiven Tyrannenstaat Tomania, dessen Diktator ein double-cross am Ärmel trägt und einen schwarzen Schnauzer unter der Nase: "The Great Dictator". Dass Hitler ihm dieses sein Markenzeichen geklaut hatte, dafür hatte Chaplin ihm schon vor langer Zeit Rache geschworen. Dennoch ist sein Diktator Hynkel alles andere als ein Barbar, hat selbst in seiner lächerlicher Zackigkeit und seinem totalitären Gebrabbel einen naiven Charme - man kann sich selbst davon überzeugen, der Film ist vor kurzem wieder in unseren Kinos gestartet worden. Und der Tanz mit der Weltkugel ist ein Glanzstück filmischer Equilibristik.

Für die Angelsachsen hatte Hitler immer ein gesundes komisches Potenzial, das selbst in den fürchterlichsten Momenten des Nazi-Terrors präsent war. Für sie war good old Hitler einfach ein Schmierenkomödiant, und seine Macken und Marotten waren großartiges Spielmaterial. Die Briten hatten überhaupt keine Probleme, sich in Hitler einzufühlen, Hitler zu spielen - an der Spitze Sir Alec Guinness, in "Hitler - Die letzten zehn Tage", 1973, und Sir Anthony Hopkins, 1981, in "The Bunker", einer TV-Produktion. Für die ersten Szenen hatte Sir Alec sogar auf die Locke quer über die Stirn verzichtet - die Leute sollten nicht sofort reagieren mit einem "Ach ja, da ist er ja wieder, old Hitler ..."

Die Locke und der Schnauzer, das sind vielleicht die entscheidenden Punkte bei der Hitler-Darstellerei - weil sie Hitler zum Emblem, zum Abstraktum stilisieren, in genau dem Sinn, wie Roland Barthes es, ebenfalls an den Stirnfransen, für die Römer im amerikanischen Kino analysierte. Es ist eine extreme Selbst-Stilisierung, die Hitler, unbewusst oder gewollt, von Anfang an betrieben hat, und bis heute rätselt man, wie gerade dieser hitlerische Manierismus solch unmittelbaren Impakt bei seinem Volk haben konnte. Ernst Lubitsch hat das damals genial erkannt, hat seinen Hitler sofort auf die Bühne verpflanzt, in "Sein oder Nichtsein", wo ein paar Chargen sich darüber streiten, wie glaubwürdig ihr Hitler in Wirklichkeit wäre. "Historische Realität so direkt hatte es vorher nie bei Lubitsch gegeben", schrieb Frieda Grafe, "aber die Unverschämtheit, aus allem Theater zu machen, das ist der ganze, der alte, der Berliner Lubitsch." Es ist dieser Lubitsch-Geist, der offensichtlich auch bei Moretti zu spüren ist und die Diskussion um seine Darstellung entzündet hat. Wo Bruno Ganz im "Untergang" an seinem Hitler klebte, um Einfühlung und Sympathie sich bemühte, die Distanz möglichst verringern wollte, manchmal beklemmend wirkte, manchmal unfreiwillig komisch, ist in Morettis Spiel eine merkwürdige Luftigkeit - er lässt durchaus Raum zwischen sich und der historischen Figur.

Historische Figuren können nicht in sich geschlossen sein, und die Darstellung der Geschichte wird immer schwanken zwischen den Extremen von Fatalität und freiem Willen. In G.W. Pabsts "Der letzte Akt", 1955, dem ersten deutschen Versuch, die letzten Tage im Führerbunker auf die Leinwand zu bringen, will am Ende Oskar Werner dem Führer an die Gurgel zu gehen, um das schaurige Endspiel abzukürzen. Ein ähnlich irreales Moment hatte Fritz Lang 1940 ins Spiel gebracht, in seinem Film "Man Hunt". Da legt ein britischer Freizeitjäger, der sich im Gebirge herumtreibt, auf den in seiner Alpenfestung logierenden Hitler an. Natürlich ist das nur - britischer Sportsgeist! - ein Spiel. Der Hitler im Fadenkreuz war in diesem Fall übrigens Carl Ekberg.

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