Süddeutsche Zeitung

Hit-Neuauflage:Alanis Morissette meint es wieder mal ironisch

Lesezeit: 2 min

"Ironic"-Update nach fast zwanzig Jahren: Statt mit Fliegen im Chardonnay hat die Kanadierin heute mit Snapchat zu kämpfen.

Von Luise Checchin

Diese Zöpfe erkennt man wieder, auch zwanzig Jahre später. Im Februar 1996 schwenkte Alanis Morissette sie im Video zu "Ironic", dem Lied, das die damals gerade 21-jährige Kanadierin mit einem Schlag berühmt machen sollte.

An diesem Dienstag präsentierte Morissette in der Late-Night-Show des Komikers James Corden nun eine modernisierte Version von "Ironic", upgedated für das 21. Jahrhundert. Das tut sie natürlich nicht ohne Grund. In diesen Tagen ist "Jagged Little Pill" neuaufgelegt worden, das Album, auf dem "Ironic" zu finden ist und das für Morissettes großen Durchbruch sorgte.

Über was sinniert Morissette im Jahr 2015? Nun ja, die Zeit ist auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen und so hadert die 41-Jährige im neuen "Ironic" mit den Widrigkeiten der digitalisierten Welt.

Im Duett mit Corden - und im Zottelzopf-Wollmützen-Look des Musikvideos - besingt Morissette die Missgeschicke, die Twitter, Facebook, Snapchat und Co so bereithalten können: ein iPhone zu kaufen, einen Tag bevor das neue Modell angekündigt wird ("It's like they announce a new iPhone the day after you buy it"), die Liebe des Lebens auf der Dating-App Tinder einfach wegzuwischen ("It's like swiping left on your future soulmate") oder die Freundschaftsanfrage eines Rassisten zu akzeptieren ("An old friend sends you a Facebook request and you only find out they're racist after you accept").

Da waren die Probleme Morissettes Mitte der Neunziger in der Tat um einiges analoger: eine Fliege im Weinglas, Regen am Hochzeitstag oder zehntausend Löffel, wenn man doch nur ein Messer braucht.

Damals schieden sich an "Ironic" die Geister. Die einen fanden das melancholische Pathos, mit dem sich Morissette über die kleineren und größeren Schicksalsschläge des Lebens ausließ, charmant. Für die anderen verkörperte das Lied altkluge Pseudo-Philosophiererei und noch dazu einen billigen Versuch, mit massenkompatiblem Pop auf die Grunge-Welle aufzuspringen. Schon kurz nach der Veröffentlichung von "Ironic" gab es deshalb die ersten Parodien auf Lied und Sängerin.

Zwanzig Jahre später zeigt Morissette, dass sie über den Spott von damals mittlerweile sehr gut lachen kann. Und sie macht sich sogar über den größten Vorwurf lustig, mit dem sie sich konfrontiert sah. Einige Kritiker unterstellten Morissette nämlich, sie wüsste gar nicht, was das Wort "Ironie" bedeute. Die Situationen, die Morissette besinge, hätten sehr viel mit Pech und sehr wenig mit Ironie zu tun.

Im Jahr 2015 findet Morissette es schließlich auch ironisch, wenn jemand ein Lied "Ironic" nennt und dann nichts Ironisches darin vorkommt: "It's singing ironic but there are no ironies."

Und wen auch diese Geste nicht mit "Ironic" versöhnen kann, der lasse doch wenigstens folgenden Gedanken zu: Ist die Qualität eines Liedes nicht auch daran zu bemessen, wie gut es sich parodieren lässt?

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