Süddeutsche Zeitung

Historisches Hollywood:Skandale, Skandale

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Christof Weigolds Privatdetektiv Hardy Engel ermittelt zum zweiten Mal in historischen Kriminalfällen des Filmgeschäfts.

Von Sofia Glasl

Seit jeher tänzelt Hollywood auf dem schmalen Grat zwischen Traumfabrik und Sündenpfuhl. Noch bevor Immobilienmakler 1923 den ikonischen Schriftzug in den Hills aufstellten, hatten Skandale Hollywood erschüttert: Drogen, Vergewaltigung, Mord. In seiner Reihe um den Privatdetektiv Hardy Engel widmet sich Christof Weigold realen Fällen aus den Anfängen der Filmstadt: Nach der Mordanklage gegen den Superstar Roscoe "Fatty" Arbuckle gerät Hardy Engel in seinem zweiten Fall "Der blutrote Teppich" in den aufsehenerregenden Mord an Regisseur William Desmond Taylor. Der wurde im Februar 1922 erschossen in seinem Bungalow aufgefunden.

Schneller als die Polizei vor Ort sein kann, schickt das Paramount Studio Leute, die Liebesbriefe von prominenten Verehrerinnen und eine kompromittierende Damenunterhosensammlung sicherstellen, um einen Skandal zu vermeiden - oder etwas zu vertuschen. Engel findet eine Verbindung zur gefeierten Komödiendarstellerin Mabel Normand, die Taylor kurz vor seinem Tod noch besucht hatte.

Wie schon im ersten Band der Reihe schafft Christof Weigold eine stimmige Melange aus Filmgeschichte und klassischem Krimi. Sein Privatdetektiv Engel ist seit dem Arbuckle-Fall vom gescheiterten Schauspieler zum gebrochenen Hardboiled Detective geworden. Er fühlt sich nur seiner persönlichen Vorstellung von Recht und Ordnung verpflichtet und ermittelt auf eigene Faust, um Mabel Normand zu beschützen. Weigand verknüpft diese Folie mit der Anmutung des Film noir, der in den 1940er-Jahren Hardboiled-Romane auf der Leinwand umsetzte.

Weigolds Frauenfiguren stellen dieses Bild infrage, denn die Komikerin Mabel Normand und die Regisseurin Polly Brandeis, in die er sich während der Ermittlungen verliebt, stehen mehr in der Tradition der Slapstickkomödien als der verführerischen Femme fatale. Engels Frauenbild ist weit fortschrittlicher als das seiner Vorgänger und der Kollegen, die Polly Brandeis unterstellen, sich hochgeschlafen zu haben. Wie sonst soll eine Frau es auf den Regiestuhl geschafft haben?

Mit historisch verbrieften Details des Mordfalles und noch heute aktuellen Diskussionen schichtet Weigold den Krimi zu einem Palimpsest aus Hollywood-Gesellschaftsroman, Hardboiled-Fiktion und gewitztem Kommentar. Es entsteht das Bild einer Branche, die mächtig und fragil ist und 1930 auf die Skandale mit dem sogenannten Hays-Code reagierte, der die Darstellung von Gewalt, Drogenkonsum und Sex in Hollywoodproduktionen regelte - aber zum Glück nie Zugriff auf das Kino im Kopf hatte.

Christof Weigold: Der blutrote Teppich. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2019. 640 Seiten, 16 Euro.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2019
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