Süddeutsche Zeitung

Historisches Graffiti:Heimliche Handarbeit

In einem ehemaligen Nonnenkloster wurden interessante Ritzzeichnungen gefunden, die wohl als mittelalterliches Graffiti gelten dürfen. Ein bisschen schlüpfrig sind sie schon - wenn man genau hinschaut.

Sarah Ehrmann

In einem ehemaligen Nonnenkloster wurden interessante Ritzzeichnungen gefunden, die wohl als mittelalterliches Graffiti gelten dürfen. Ein bisschen schlüpfrig sind sie schon - wenn man genau hinschaut. Die im Dachstuhl der St. Katharinen-Kirche in Langerwehe bei Aachen gefundenen Ritzzeichnungen sind als historische Graffiti identifiziert worden. Von Handwerkern heimlich in den Kalkputz der romanischen Bruchsteinmauer eingeritzt, überdauerten sie mehr als 500 Jahre im Schutz der ehemaligen Klosterkirche. Text: Sarah Ehrmann/ SZ vom 24.11.2010/sueddeutsche.de/lena/rus

Die Funde sind bemerkenswert - es gibt kaum dokumentierte Beispiele dieser Art von Alltagskunst dieser Zeit in Deutschland. In einer Höhe von zwei Metern sind auf einer Breite von 14 Metern drei Themenkreise umrissen: Die durcheinander und übereinander gemalten Rosetten aus Zirkelkreisen entstanden vermutlich als Übung zwischen Meister und Lehrling oder aus Langeweile.

Mit dem schweren Zirkel zeichnen zu können, war notwendig für die Arbeit am Bau, aber für Anfänger nicht einfach: "Angesetzt, abgerutscht, wieder angesetzt, Lust verloren", so erklärt sich Ulrike Heckner, Bauforscherin des Rheinischen Amts für Denkmalpflege, die vielen unfertigen Rosetten.

Die Wand beweist, dass schlüpfrige Kritzeleien keine Erfindung des 20. Jahrhunderts sind: Mehrere Phallus-Darstellungen ragen herausfordernd (links und unten) ins Bild. Wie heute signierten die Handwerker, die den Dachstuhl ausbauten, ihre Werke - mit Umrissen ihrer Hämmer.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2010
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