Historische Momente:Folgenschwerer Tag

In der Garnisonkirche fand der Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg statt, in Cecilienhof verhandelten die Alliierten die Nachkriegsordnung.

Von Carlos Collado Seidel

Am 21. März 1933 entsteht ein Foto, das wie kein anderes das Ende der Weimarer Verfassungsordnung und den Beginn der NS-Gewaltherrschaft symbolisiert: Hitler gibt Reichspräsident Hindenburg mit einer tiefen Verbeugung die Hand. Es ist der Tag der Eröffnung des Reichstages, der mit einem Staatsakt in der Potsdamer Garnisonkirche begangen wird.

Der Ablauf ist minutiös vorbereitet worden, um eine symbolische Brücke zwischen dem Glanz des Kaiserreichs und der jungen Kraft des Nationalsozialismus zu schaffen. Hindenburg steht für die preußische Vergangenheit, Hitler für die Zukunft. Es geht um beruhigende Signale angesichts des ungestümen Auftretens der Nazis und der sozialrevolutionären Ziele der Partei. So hat Hindenburg wenige Wochen zuvor noch kategorisch festgestellt, er würde Hitler niemals zum Reichskanzler ernennen. Der Handschlag verkörpert nun die Versöhnung im nationalen Lager, das Schaffen der Volksgemeinschaft.

Man geht davon aus, Hitler zähmen zu können. Weit gefehlt: Das - mit Ausnahme der Sozialdemokraten - von allen Parteien verabschiedete Ermächtigungsgesetz bereitet den Boden für alles Unheil, das folgt. In jenen Tagen öffnen sich die Tore zum KZ Dachau.

Hitler ist zunächst auf das Establishment angewiesen, doch drängt er es bald an den Rand. Als in der "Nacht der langen Messer" am 30. Juni 1934 mit der Ermordung alter Weggefährten die bestialische Fratze des Regimes zum Vorschein tritt, ist das Entsetzen groß, und die Sudetenkrise beschwört erstmals Kriegsgefahr herauf.

Der Gedanke der Volksgemeinschaft ist indes stärker. Erst als alles verloren ist, schreitet im Juli 1944 eine Gruppe Verzweifelter zur Tat. So hat der Traum des Jahres 1933 mit der Losung: "Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu", nur zwölf Jahre später ein Trümmerfeld hinterlassen.

Adolf Hitler verneigt sich vor Paul von Hindenburg, 1933 | Adolf Hitler bows to Paul von Hindenburg, 1933

Reichspräsident Paul von Hindenburg und Hitler (li.).

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Schule des Gewissens

Am 14. Mai 1968 birst die Potsdamer Garnisonkirche. Die Stadtverordnetenversammlung hat die Sprengung angeordnet. Damit verschwindet das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt und ein herausragendes Baudenkmal des Barock. Wenige Tage zuvor hat hier noch ein letzter Gottesdienst stattgefunden. Die Kirche war zwar durch den Bombenangriff vom 14. April 1945 schwer beschädigt, doch die Grundstruktur war erhalten geblieben.

Mit der Sprengung wird die von Walter Ulbricht vorangetriebene Zerstörung von Symbolen umgesetzt, die wie die Berliner und Potsdamer Stadtschlösser für preußischen Militarismus standen. In der 1732 geweihten Garnisonkirche hatten sich bis zum Zweiten Weltkrieg die Särge mit den sterblichen Überresten von Friedrich Wilhelm I. sowie Friedrich II. befunden. Hier waren die Fahnen ausgestellt, die vor der Reichsgründung 1871 bei den Feldzügen gegen Frankreich, Österreich und Dänemark erbeutet worden waren, undhier hatte im Mai 1933 der als "Tag von Potsdam" bekannte Staatsakt stattgefunden. So umstritten die Sprengung der Garnisonkirche ist, es folgen - wie im Fall der Stadtschlösser - heftige Kontroversen über den Wiederaufbau. Es geht um die Frage, ob davon ein einer demokratischen Grundordnung angemessenes Signal ausgeht. Ob die Zerstörung der mit der DDR entstandenen städtebaulichen Identität gerechtfertigt ist, und um die Frage, ob eine originalgetreue Rekonstruktion angemessen ist, oder ob nicht vielmehr in der heutigen Architektursprache gedacht werden muss. Man streitet auch über die künftige Nutzung. Ende Oktober 2017 beginnt man mit dem Bau, 2025 soll das Werk fertig sein, und die Garnisonkirche zu einer "offenen Stadtkirche", einer "Symbolkirche" und einer "Schule des Gewissens" werden.

Historische Momente: Die Garnisonkirche, gemalt von Carl Georg Adolph Hasenpflug.

Die Garnisonkirche, gemalt von Carl Georg Adolph Hasenpflug.

(Foto: Mauritius)

Neuordnung der Welt

Das Potsdamer Schloss Cecilienhof ist zwischen 17. Juli und 2. August 1945 Schauplatz der letzten großen Kriegskonferenz der Alliierten. Die "Dreimächtekonferenz von Berlin" legt die Ecksteine für die Nachkriegszeit. Hier wird nicht nur über die Zukunft Deutschlands beraten. Hier wird auch deutlich, dass die Kriegskoalition ein Zweckbündnis war und kein Fundament für eine gemeinsam getragene Nachkriegsordnung. Das Ringen um die Vorherrschaft in Mitteleuropa geht weiter.

Der große, aus Geranien gebildete, rote Stern im Innenhof des Schlosses macht deutlich, wer hier Hausherr ist. Stalin ist es auch, der sich in wichtigen Punkten wie der Festlegung der Oder-Neiße-Grenze durchsetzt. Damit wird die Zwangsumsiedlung von Millionen Deutschen besiegelt. Jede Besatzungsmächte bekommt zudem freie Hand, sich aus der eigenen Zone mit Reparationen zu bedienen, worunter die Menschen im sowjetischen Machtbereich besonders zu leiden haben.

In Potsdam wird aber auch festgelegt, Deutschland als Einheit zu behandeln und nicht, wie bis dahin erwogen, in Stücke zu schlagen. Zwar führt der sich rasch vertiefende Graben zwischen Ost und West zur Entstehung von zwei deutschen Staaten, doch ist die Potsdamer Konferenz damit letztlich die Keimzelle für den Weg zur Wiedervereinigung fünfundvierzig Jahre später.

Potsdamer Konferenz 1945

Demonstrativ einig: Churchill, Truman und Stalin (v.li.).

(Foto: dpa)

Auf der Konferenz herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die deutsche Gesellschaft entnazifiziert und entmilitarisiert werden soll. Die Wahl der ehemaligen Residenzstadt als Ort der Konferenz zeigt, dass die Siegermächte den preußischen Militarismus bezwungen hatten. Für die Zerstörung der Symbole sorgt indes die DDR-Führung, als sie in den 1960er Jahren die Berliner und Potsdamer Stadtschlösser sowie die Garnisonkirche sprengen lässt.

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