Hip-Hop:Pferde sind der neue Ferrari

Mo Trip & Ali As

Falsch aufs Pferd gesetzt: Der Münchner Rapper Ali As (rechts) und sein Aachener Kollege Motrip posieren im Video zum Song "Mohamed Ali" wie Blutsbrüder.

(Foto: Alex Jesulke)

Ali As hält sich für den Größten. Mit markigen Worten und feinen Reimen sieht er sich ganz oben in Münchens Rap-Liga. Gemeinsam mit seinem Aachener Kollegen Motrip zeigt er der präpotenten Szene, was wirklich zählt

Von Michael Zirnstein

Mal ehrlich, einen Luxusrennwagen hat heute jeder. Ein weißer für Ali As, ein orangefarbener für Motrip. "Step aus dem roten Ferrari, Tänze wie Muhammed Ali", rappen die beiden einträchtig im Video zu "Mohamed Ali". Den Namen der Single und ihres Kollaborations-Projektes haben sie aus ihren echten Namen Zulfqar Ali Chaudry und Mohamed El Moussaui zusammengeschraubt, um sich so hart und großmäulig zu geben wie der berühmteste Boxer der Geschichte. Der soziale und monetäre Aufstieg von Underdogs, gerade im Hip-Hop, wurde stets auch in PS gemessen: "600 Pferde sind unter der Haube / und eines ist vorn auf dem Logo", rappen sie also. Aber wer heute wirklich Potenz beweisen will, der braucht kein Auto, der braucht ein echtes Pferd.

In ihren Videos führten Shindy, ein Deutschrapper aus Bietigheim-Bissingen, eines wie der Marlboro-Mann in den Sonnenuntergang, der Berliner Romano schmiegte sich schmusend an einen schwarzen Rücken, und T-Wayne ließ eine ganze Herde in seinem Vorgarten weiden - und Ali As und Motrip sitzen auf Schimmel und Rappen wie auf Thronen. "Das Pferd ist ein herrschaftliches Tier, das Erhabenheit symbolisiert", referiert Ali As. Die Wild-West-Metapher liegt aber auch nahe, bestätigt er: Wie Winnetou und Old Shatterhand spielten er und Motrip, die gar nicht reiten können, das alte Blutsbrüder-Spiel in einem Münchner Filmstudio mit zwei dressierten Miet-Rössern.

Als Protagonisten der Deutsch-Rap-Welt gingen sie freilich oft gemeinsam ein Stück des Wegs. Als sie einen Reimkurs an einer Stuttgarter Schule gaben, sagte ein Kind zu ihnen: "Ihr müsst mal ein Album zusammen machen und es Mohamed Ali nennen." Gutes Wortspiel, ausnahmsweise nicht von den Rappern selbst. Sechs Jahre später haben sie - obwohl der eine FCB, der andere BVB - sich nun vereint, wie sie in "Legendenstatus" feststellen: "Das Beste, was aus München kommt, seit BMW" und "Das Beste, was aus Aachen kommt, seit KKS", wobei bei Letzterem nicht klar ist, ob die Käthe-Kollwitz-Schule oder der Ringerverein gemeint ist.

"Das Beste aus München" klingt natürlich nach dicker Hose - aber man kann das durchaus so sehen, zumindest "bei dem Rap, der sich mit Lifestyle beschäftigt, nicht aus der Erzählerperspektive, sondern aus der exzentrischen Künstlersicht", da gebe es in München keinen Großen außer ihm, sagt Ali As. Seit die ARD-Rapper Blumentopf weg sind, machen nur noch Main Concept, Keno und Fatoni von sich reden. Aber nicht in dem Milieu, wo richtig Geld verdient wird, wo ein Wortspiel zum geflügelten Wort auf Schulhöfen werden kann, wo flüssig rappenden Migranten-Kinder den Ton vorgeben, weil die Jugend mit Kanak-Sprak und Ganoven-Gehabe auch toleranteste deutsche Hippie-Eltern schocken kann. In diesem Fuhrpark sei er eine Mercedes-A-Klasse, sagte Ali As, als er 2016 mit "Euphoria" auf Platz sechs der Album-Charts stand und ein paar hunderttausend Stück davon verkaufte, obwohl er sicher lieber ein SL Cabrio wäre oder hätte.

Chaudry rappte, seit er elf war und die Kassette der Sugar Hill Gang so oft gehört hatte, bis das Band riss. Er betrieb mit Freunden den Flavaclub am Münchner Harras, übte sich im Freestyle, rappte für die Hardcore-Band Artzone ebenso wie für die fränkische Trinkliedertruppe Kellerkommando, er kollaborierte mit Kollegen als Monaco Lightz und Der neue Süden und bekam einen Solo-Vertrag von Samy Deluxe.

Der Sohn eines pakistanischen Politikwissenschaftlers, der 1961 nach Solln geflohen war, hätte auch anders Karriere machen können. Mit einem 1,8er-Abitur studierte er Theaterwissenschaften, ging dann auf die Bayerische Akademie für Fernsehen in Unterföhring und arbeitete ein paar Jahre lang in der Redaktion der Talkshow von TV-Pfarrer Jürgen Fliege - mit Goldkette und Trainingshose. 2005 setzte Chaudry voll auf die Musikkarriere - und gerne mal sein Wissen aus der Medienwelt ein, ob er auf RTL II einen Literaturstudenten zum Gangster-Rapper hochbluffen sollte oder ob er 2009 im Bergsteigerfilm "Nanga Parbat" spielte. Er weiß auch, dass die Medien die Ironie, die Regeln und das Rollenspiel des Hip-Hop gerne mal missverstehen und sich mit Schlagzeilen auf die Szene-Bösewichte wie Kollegah stürzen.

Den geächteten Kumpel, der 2018 den Echo-Preis zu Fall brachte, hat er für die Nummer "Oh Mein" auf sein "Mohamed Ali"-Album geholt. Es verhalf ihnen aber ebenso wenig an die Charts-Spitze (es blieb bei Platz 43) oder zu einem Ferrari wie seine gerappte Hommage an die Beatles ("yesterday ein niemand / heute yellow submarina") und die etwas brave Single "Feuerwehrmann", in der sie wie der Trickfilm-Drache Grisu feststellen: "Die Zukunft vor uns steht in Flammen / Ich wär' gern Feuerwehrmann." "Das gehört dazu", kommentiert Ali As den Flop, "ich nehme alles an, lerne draus." Beim Konzert im Ampere will er "volle Power geben", sein "letztes Hemd für eine gut entertainende Show" bei einem Heimspiel, das sich für ihn in München immer auch wie ein Gastspiel anfühlt.

Ali As & Motrip, Dienstag, 5. Februar, 20 Uhr, Ampere, Zellstraße 4

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